Antidiskriminierungsgesetz
Antidiskriminierungsgesetz

Antidiskriminierungsgesetz

Beitrag, Deutsch, 3 Seiten, Rechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Frank Sievert

Erscheinungsdatum: 06.11.2004


Aufrufe gesamt: 833, letzte 30 Tage: 1

Kontakt

Verlag

Rechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Frank Sievert

Telefon: +49-40-519794

Telefax: +49-40-519794

Preis: Kostenlos

PDF herunterladen

Eine Besprechung von Rechtsanwalt Dr. jur. Frank Sievert, Hamburg

Hemmschuh für die Wirtschaft oder notwendige gesetzliche Absicherung des Schutzes von Arbeitnehmern vor Benachteiligung am Arbeitsplatz? Die Bewertung des neuen Gesetzesentwurfs aus dem Hause des Bundesministeriums für Familie und Soziales ist umstritten. Worum geht es?

Die Bundesrepublik ist verpflichtet, drei EU-Richtlinien in innerdeutsches Recht zu übertragen. Diese Richtlinien stellen den Schutz vor Benachteiligung und Diskriminierung auf eine neue Grundlage. Sie verpflichten die EU-Mitgliedstaaten, umfassend den Schutz vor Diskriminierungen hinsichtlich der Merkmale "Rasse", "ethnische Herkunft", "Religion und Weltanschauung", "Behinderung", "Alter", "sexuelle Identität" und "Geschlecht" zu regeln. Aufgrund dieser Verpflichtung befindet sich ein Antidiskriminierungsgesetz im Gesetzgebungsverfahren. Es ist als Artikelgesetz ausgestaltet und gliedert sich in drei Teile: ein Gesetz zur Errichtung einer Antidiskriminierungstelle des Bundes (ADSG), ein arbeitsrechtliches Antidiskriminierungsgesetz (AADG) sowie Neuregelungen im BGB.

Das ADSG richtet eine Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein. Erstmals haben alle diejenigen, die meinen, diskriminiert worden zu sein, eine Anlaufstelle. Die Aufgabe der Antidiskriminierungsstelle soll insbesondere die Unterstützung der Opfer von Diskriminierungen, die Herbeiführung der gütlichen Beilegung von Diskriminierungsfällen, aber auch die Durchführung von Öffentlichkeitsarbeit und das Erstellen wissenschaftlicher Untersuchungen sein. Es wird, insbesondere in Teilen der Anwaltschaft, die Ansicht vertreten, die Errichtung einer neuen Bundesbehörde liefe dem Gebot der Deregulierung und der Entbürokratisierung des Arbeitslebens zuwider. Schutz vor Diskriminierung könne durch bestehende Stellen, etwa durch die Betriebsräte, geleistet werden. Indes, die Einrichtung der Antidiskriminierungsstelle scheint beschlossene Sache zu sein. Es bleibt abzuwarten, ob diese neue Bundesbehörde in der Lage sein wird, im Einzelfall wirksam Unterstützung zu bieten. Ganz sicher kann sie die anwaltliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen.

Ziel des AADG, des arbeitsrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes hingegen ist es, Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf zu begegnen. Es gilt, jede unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung und Belästigung wegen der oben genannten Merkmale, also Rasse, ethnische Herkunft, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität, Geschlecht in Beschäftigungsverhältnissen zu verhindern oder zu beseitigen. Der Schutz ist umfassend. Er richtet sich insbesondere gegen den Arbeitgeber oder Arbeitskollegen, aber auch gegen Dritte, etwa Kunden des Arbeitgebers. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Diskriminierung entgegenzutreten, von wem auch immer sie ausgeht. Tut er dies nicht, macht er sich schadensersatzpflichtig, doch dazu im einzelnen:

Dem Beschäftigten, der einer Diskriminierung ausgesetzt ist, stehen nach der neuen Rechtslage abgestufte Rechte zur Verfügung:

Er hat zunächst die Möglichkeit, sich bei einer zuständigen Stelle des Betriebes zu beschweren. Der Arbeitgeber ist daraufhin verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so ist der Betroffene berechtigt, ohne Verlust des Arbeitsentgeltes die Tätigkeit einzustellen. Außerdem ist der Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung zum Ausgleich des immateriellen Schadens des Arbeitnehmers verpflichtet und zwar auch dann, wenn die Benachteiligung nicht von ihm, sondern von Arbeitskollegen oder Dritte, etwa Kunden des Arbeitgebers ausgeht.

Das heißt im Klartext: Ersatzpflichtig ist immer der Arbeitgeber, egal von wem die Diskriminierung ausgeht.

Überdies sieht die EU-Richtlinie die Umkehr der Beweislast zugunsten des Arbeitnehmers vor. Der Arbeitnehmer muß lediglich die Tatsachen vortragen, aus denen sich eine unzulässige Ungleichbehandlung ergibt. Dem Arbeitgeber obliegt es dann zu beweisen, daß kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliegt.

Es ist jedoch nicht so, daß jede Differenzierung anhand der oben genannten Merkmale unzulässig ist. Insbesondere der Arbeitgeber darf bei der Auswahl seiner Mitarbeiter weiterhin Unterscheidungen treffen. Der Arbeitgeber muß lediglich mit der Differenzierung einen rechtmäßigen Zweck verfolgen und der Grund für die Differenzierung muß für die auszuübenden Tätigkeit von entscheidender Bedeutung sein. Demnach darf ein Restaurant für ostasiatische Spezialitäten sich weiterhin darauf beschränken, nur Servicepersonal aus Ostasien zu beschäftigen.

Inwieweit Differenzierungen zulässig bleiben oder künftig verboten sind, sei am Beispiel der besonders wichtigen Merkmale "Alter" und "Geschlecht" kurz erläutert.

Unter welchen Voraussetzungen bleiben Differenzierungen wegen des Merkmales "Alter" zulässig? Eine solche Differenzierung wegen des Alters ist in Zukunft grundsätzlich unzulässig. So darf der Arbeitgeber bei der Einstellung neuer Mitarbeiter einen jüngeren einem älteren Bewerber nicht grundsätzlich allein des Alters wegen vorziehen.

Überdies gibt es derzeit eine ganze Reihe gesetzlicher, insbesondere arbeitsrechtlicher Vorschriften, die ältere Arbeitnehmer besser stellen. Man wird sehen, ob diese Gesetze vor dem Hintergrund der umzusetzenden EU-Richtlinien weiterhin Bestand haben können. Auf dem Prüfstand stehen beispielsweise die Bestimmungen zur Länge von Kündigungsfristen, zur Sozialauswahl und zur Behandlung von Entlassungsentschädigungen, da deren Höhe sowie der steuerliche Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG vom Alter des Arbeitnehmers abhängen.

Insbesondere im öffentlichen Dienstrecht bestehen tarifliche Regelungen, die allein des Alters wegen ohne weiteres ein berufliches Fortkommen oder eine höhere Vergütung vorschreiben. Es bleibt abzuwarten, ob diese Regelungen Bestand haben.

Eine Differenzierung anhand des Merkmales "Geschlecht" wird nach der neuen Gesetzeslage nur sehr eingeschränkt zulässig sein. Dieses grundsätzliche Differenzierungsverbot trifft wiederum insbesondere den Arbeitgeber. Das Geschlecht als Differenzierungsmerkmal muß als Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit unverzichtbar sein. Nur dann darf der Arbeitgeber die Geschlechter bei der Einstellung neuer Mitarbeiter ungleich behandeln. Demnach ist die Berechtigung bestimmter unternehmerische Konzepte, die ausschließlich Arbeitnehmer eines bestimmten Geschlechts beschäftigen, wie beispielsweise das Betreiben eines Fitness-Studios speziell für Frauen mit ausschließlich weiblichem Personal fraglich, die Tätigkeit als Dessousmodell ausschließlich für Frauen hingegen selbstredend nicht.

Schließlich werden die §§ 319 a - g BGB in das allgemeine Privatrecht aufgenommen. Sie regeln ein umfassendes Benachteiligungsverbot aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft oder einer Behinderung. So gilt bei Leistungen, die öffentlich zum Vertragsschluß angeboten werden ein Verbot der Benachteiligung aus ethnischen Gründen. Bei Verträgen des täglichen Lebens, die häufig und zu gleichlautenden Bedingungen abgeschlossen werden, darf ein Unternehmer einen Verbraucher wegen einer Behinderung nicht unangemessen benachteiligen. So darf beispielsweise eine Fluglinie von einem behinderten Passagier kein im Vergleich zu anderen Fluggästen erhöhtes Beförderungsentgelt verlangen. Wird das Benachteiligungsverbot verletzt, so besteht ein Anspruch auf angemessenen Ausgleich des immateriellen Schadens. Besteht die Benachteiligung in einer Vertragsverweigerung, so besteht unter Umständen ein Anspruch auf Abschluß des Vertrages.

Die der Bundesrepublik gesetzte Fristen zur Umsetzung der EU-Richtlinien sind bereits im Jahr 2003 abgelaufen. Die EU-Kommission hat daher am 19.07.2004 angekündigt, vor dem Europäischen Gerichtshof Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland zu erheben. In den meisten anderen europäischen Staaten wurden die Richtlinien fristgemäß umgesetzt.

Kein Autor eingetragen