Die reinigende Kraft des Konflikts nutzen
Die reinigende Kraft des Konflikts nutzen

Die reinigende Kraft des Konflikts nutzen

Beitrag, Deutsch, Eine Seite, Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH

Autor: Markus Sikor

Erscheinungsdatum: 09.04.1999

Quelle: Handelsblatt, Ausg. 09.04.199


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"Die reinigende Kraft des Konflikts nutzen"
leicht überarbeitet erschienen im "Handelsblatt" vom 9.4.1999

Dicke Luft im Team
Es herrscht dicke Luft in der Service-Abteilung des Software-Unternehmens. Seit einigen Wochen häufen sich „Mißverständnisse" und der Ton unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird immer rauher. In der wöchentlichen Besprechung kommt es schließlich zu einem heftigen Streit zwischen zwei Mitarbeitern. Angeblich verschleppt der eine Mitarbeiter seine Aufgaben und behindert so die weiteren Arbeitsabläufe. Der Abteilungsleiter will vermitteln, hat jedoch den Eindruck, dass die beiden Mitarbeiter etwas zurückhalten und nicht offen mit ihm sprechen. Die Motivation der gesamten Abteilung leidet. Der Abteilungsleiter sieht sich mangels Zeit außerstande, den Konflikt selbst zu lösen.


Mediation - Hilfe zur Selbsthilfe
In dieser Situation kann Mediation helfen, die Vermittlung durch unparteiische Dritte. Mediation eine sehr alte Methode des Konfliktmanagements. Vor allem in China und Japan ist der Mediationsgedanke weit verbreitet, da dort die Religion seit jeher die Wichtigkeit von Konsens, Kooperation und Harmonie betont.

Das heute angewendete Verfahren wurde in den USA entwickelt, um Tarifstreitigkeiten beizulegen. Seit den 70er Jahren ist in den USA ein regelrechter Mediationsboom zu beobachten. Die finanziellen Belastungen und die Unwägbarkeiten, die ein Gerichtsprozeß mit sich bringt, haben dazu geführt, dass die Mediation immer häufiger das erste Mittel der Konfliktlösung ist. Mittlerweile reduzieren Großkonzerne wie Motorola ihre Rechtsabteilungen um bis zu 75%, da sich die Konflikte innerhalb und außerhalb des Unternehmens effektiver und billiger durch professionelle Mediatoren und eine sachgerechte Verhandlung lösen lassen.

In Deutschland wurde Mediation in den 80er Jahren durch die Einführung der Trennungs- und Scheidungsmediation bekannt. Seither hat sich auch bei uns das Anwendungsgebiet dieses Konfliktlösungsverfahrens verbreitet. Außer in Familien- und Paarkonflikten wird Mediation vermehrt bei Umweltschutzverfahren und in Unternehmen eingesetzt.

Wesentliches Merkmal ist die Anwesenheit des Mediators, der die Konfliktparteien dabei unterstützt, ihre Streitpunkte selbstverantwortlich zu lösen. Seine Aufgabe ist es, den Prozeß zu steuern und zu überwachen. Er unterstützt die Streitparteien in der Ergründung und Formulierung ihrer Interessen und Bedürfnisse und sichert durch vielfältige Kommunikationstechniken das gegenseitige Verständnis der Kontrahenten. Im Gegensatz zur Supervision oder Moderation, bietet der unparteiische Vermittler Unterstützung für die einvernehmliche Lösung eines konkreten Konflikts und damit „Hilfe zur Selbsthilfe".



Team-Mediation bringt die Klärung Zurück zum Beispiel: Nach einem ausführlichen Vorgespräch haben sich der beauftragte Mediator und die zuständige Führungskraft darauf verständigt, eine Team-Mediation mit der gesamten Abteilung durchzuführen. Sie findet an zwei Tagen in einem Tagungshaus statt.

Der Mediator erklärt zuerst seine Rolle und Aufgabe. Er ist nicht für inhaltliche Lösungen zuständig, dafür sind allein die Beteiligten verantwortlich. Seine Aufgabe ist es, die gestockte Kommunikation zu fördern und die Parteien bei der konstruktiven Konfliktlösung zu unterstützen. Er erklärt, dass es zuerst darum geht, die Situation in ihrer gesamten Komplexität zu verstehen. Danach geht es in einem zweiten Schritt um die Klärung der konkreten Konflikte und abschließend um eine Vereinbarung der Mitarbeiter, wie sie die zukünftige Zusammenarbeit gestalten möchten.

Nach der Inventur aller Konfliktpunkte in der Runde, entschließt sich der Mediator, die Konfliktklärung jeweils in Zweier-Settings durchzuführen. Dabei klären jeweils zwei Beteiligte ihren Konflikt, wobei der Mediator die Diskussion strukturiert und leitet. Viele der Streitthemen sind „alte Sachen", Mißverständnisse und Verletzungen.Der Mediator geht einen Punkt nach dem anderen mit den Mitarbeitern durch. Zuerst haben die Beteiligten die Möglichkeit, ihre jeweilige Sichtweise vorzubringen, wobei der Mediator durch aktives Zuhören sicherstellt, dass er sie auch völlig verstanden hat. Im nächsten Schritt klärt der Mediator die subjektiven Interessen und Wünsche und achtet darauf, dass die Parteien sich gegenseitig zuhören und verstehen. Zu diesem Zeitpunkt geht es noch nicht um Lösungsvorschläge, sondern allein darum, dass jeder jeden in seiner subjektiven Sichtweise versteht.


Konfliktlösung bringt Klarheit
Im Laufe der Mediationssitzung stellt sich heraus, dass ein tiefgreifender Konflikt zwischen einem Mitarbeiter und dem Abteilungsleiter besteht. Der Mitarbeiter hat an einem Beratungs-Projekt mitgearbeitet, das sehr schlecht gelaufen ist. Der Abteilungsleiter machte ihn dafür verantwortlich und hat dies auch öffentlich geäußert. Der Mitarbeiter fühlt sich vor seinen Kollegen bloßgestellt.

Die emotionale Klärung dieser Kränkung erweist sich als der „Knackpunkt" in der Sitzung. Danach bessert sich die angespannte Stimmung merklich und die restlichen Themen werden in einer von Kooperation bestimmten Atmosphäre behandelt.Erst in der letzten Phase der Mediation geht es um die Ausarbeitung konkreter Lösungsmöglichkeiten für die Konflikte im Team. Die gesamte Abteilung diskutiert, wie die aufgetretenen Mißverständnisse in Zukunft vermieden werden können und auf welche Art und Weise Kritikgespräche geführt werden sollten, ohne jemanden zu blamieren. Alle geklärten Themen und die Arbeitsvereinbarungen werden schriftlich festgehalten. Dabei achtet der Mediator darauf, dass die Vereinbarungen realistisch sind und auch den harten Arbeitsalltag überstehen.



In Konflikten gibt es keine „Schuldigen"
Die Mediation vertritt eine positive und systemische Sichtweise von Konflikten. Konflikte werden als ein Hinweis darauf gesehen, dass sich in der Beziehung bzw. dem Verhalten etwas ändern muß. Für eine konstruktive Lösungssuche macht es darüber hinaus wenig Sinn, nach „Schuldigen" zu suchen. In einem Konflikt fühlen sich normalerweise alle Beteiligten als „Opfer". Sie drehen sich zusammen in einem „Teufelskreis" von Anschuldigung und Rechtfertigung.Konflikte lassen sich nicht allein auf der Sachebene lösen. Solange die Kontrahenten sich nicht ihrer belastenden und teils heftigen Gefühle bewußt sind und diese in gegenseitigem Respekt ehrlich und offen darlegen, kommt die Konfliktlösung nicht voran. Dabei achtet der Mediator darauf, dass sich die Konfliktparteien nicht in Anschuldigungen und Vorwürfen ergehen, sondern über ihre subjektive Sichtweise sprechen und Vorschläge machen, was sich in Zukunft konkret ändern soll.

Weil die Beteiligten die eigentlichen Experten für Ihren Konflikt sind, gibt der Mediator keine Patentrezepte, sondern unterstützt die Streitparteien durch ein Angebot an unterschiedlichen Methoden in der kreativen Suche nach ihren eigenen Lösungen.



Wenn die Beziehung wichtiger ist als das Problem
Mediation ist kein Allheilmittel für jede Art von Konflikten, sie hat sich jedoch überall dort bewährt, wo die konstruktive Beziehung zwischen Personen wichtiger ist als das Problem. Die Entwicklung einer tragfähigen Konfliktkultur ist dabei nicht nur eine soziale, sondern auch eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit. Frustrierte Mitarbeiter verursachen hohe Folgekosten durch „Dienst nach Vorschrift", mangelnde Motivation oder hohe Krankenstände. Durch einen betont konstruktiven Umgang mit Konflikten innerhalb des Unternehmens kann verhindert werden, dass die Streitigkeiten sich zu einer gefährlichen Intensität anstauen. Konflikte werden sich nie verhindern lassen, es gilt, ihre Energie kreativ zu nutzen.

Markus Sikor

DE, Kaufering

Institut Sikor - mediation training

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