Entwicklung einer Unternehmensstrategie

Alexander Artmann, Strategie-Experte für Familienunternehmen von Weissman & Cie., Salzburg, informiert im Gespraech mit Erwin J. Frasl (WirtschaftsBlatt) ueber die Entwicklung einer Unternehmensstrategie.

Erwin J. Frasl: Ist eine langfristige Unternehmensstrategie in den schnelllebigen Maerkten von heute eigentlich noch zeitgemaeß?

Alexander Artmann: In Zeiten starker Veraenderungen, in denen das einzig Bestaendige der Wandel zu sein scheint, wird bei manchen Unternehmen die Sinnhaftigkeit von langfristig angelegten Strategien in Frage gestellt. Die Argumentation gegen eine langfristige Ausrichtung des Unternehmens ist ja auch bestechend einfach. Wie soll man denn in Zeiten, in denen man kaum hervorsagen kann, was im naechsten Monat passiert, Konzepte für fuenf, sieben oder noch mehr Jahre entwickeln und auch umsetzen? Doch so einleuchtend diese Ueberlegung auch zu sein scheint, sie ist grundlegend falsch! Fakt ist, dass wir heute wie zu allen Zeiten Entscheidungen von hoher strategischer Dimension treffen. Wir uebernehmen Firmen, bauen Haeuser (mit langfristigen Abschreibungsdauern), veraendern unser Produkt-/Marktkonzept, verlagern Produktionsstandorte etc. Die Wirklichkeit lautet also ganz anders: Wir treffen wie zu allen Zeiten Entscheidungen von langfristiger, weitreichender Bedeutung, doch die Unsicherheit dieser Entscheidungen ist stark angestiegen. Und so werden wir als Fuehrungskraefte einfach lernen muessen, wie professionelle Chaospiloten in Zeiten hoher Turbulenzen unser Flugzeug zu navigieren.

Frasl: Sie sind als Strategieexperte in vielen Familienunternehmen tätig. Damit haben Sie Einblick in zahlreiche Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen. Was wuerden Sie aus Ihrer Erfahrung heraus sagen, ist die Basis für ein gutes strategisches Konzept?

Artmann: Sie brauchen als Unternehmer eine tragende Idee. Stellen Sie sich einfach einmal vor, Sie wuerden heute Ihr Unternehmen neu gruenden. Hand aufs Herz: Was waere die tragende, begeisternde Idee? Was daran waere ungewoehnlich? Ist es eine Idee, die in Ihrem Markt für Furore sorgen wird? Oder ist es nur normal? Strategie ist fasst gleichzusetzen mit Differenzierung, denn für Unternehmen aller Art gilt die Kernaussage: In stagnierenden Maerkten fuehren austauschbare Leistungen zwingend zu einer negativen Rendite! Die Basis für ein gutes strategisches Konzept ist also nahezu immer eine ungewoehnliche, den Rahmen Ihres Marktes sprengende Idee.

Frasl: Was verstehen Sie unter einer den Rahmen sprengenden Idee?

Artmann: Seit Darwin wissen wir, dass in der Evolution nur Systeme ueberleben koennen, die sich an veraenderte Rahmenbedingungen besser anpassen koennen (survival of the fittest). Die wirklichen Champions brechen in mindestens einem Punkt mit den bestehenden Regeln ihres Marktes. Im Sinne eines Refraiming wird durch diese Unternehmen oft das Geschaeftsmodell einer ganzen Branche veraendert. Spitzenunternehmen wie Hoffmann (Werkzeuge), Aubi (Baubeschlaegehersteller), Fressnapf (Heimtiernahrung) oder Frankenwaelder (Damenoberbekleidung) koennten ihre Unternehmenserfolge nicht erzielen, ohne in mindestens einem Punkt die Logik ihres Marktes zu brechen. Unternehmer sollen einmal versuchen, das Geschaeftsmodell ihres Unternehmens, vielleicht sogar das Geschaeftsmodell ihres Marktes/ihrer Branche in Frage zu stellen.Sie sollen es einmal mit einem Paradigmenwechsel Versuchen, in dem Sie scheinbar gueltige Regeln ihres Marktes aus den Angeln heben. Haben Sie an dieser Stelle ein bisschen Mut und lernen Sie von IKEA, SWATCH, Fielmann, und anderen, dass in der Wirtschaft wie in der Natur gilt: Be different - or die.

Frasl: Ziel der Strategie ist eine positive Differenzierung gegenueber dem Wettbewerb aufzubauen. Was ist die Grundlage für Wettbewerbsvorteile?

Artmann: Das Ziel jeder Unternehmensstrategie sind Wettbewerbsvorteile, Grundlage für Wettbewerbsvorteile sind Kernkompetenzen. Anders als Staerken sind Kernkompetenzen die wirklichen Befaehiger für das was Sie in Besonderheiten im Markt leisten koennen. Eigentlich sind sie das Herzstueck der Unternehmensstrategie, denn in letzter Konsequenz lassen sich alle Wettbewerbsvorteile wiederum auf Kernkompetenzen zurueck fuehren. Was sind nun diese mysterioesen Kraefte die Unternehmen dauerhaft erfolgreich machen sollen? Kernkompetenzen sind in der Regel ein Buendel an Faehigkeiten und an Wissen, an Ressourcen und Know-how, das in dieser Kombination in Ihrem Markt nur Ihr Unternehmen hat. Sie sind die Grundlage für ihre Einzigartigkeit und damit in ihrer Bedeutung für die Unternehmensstrategie nicht zu ueberschaetzen. Drum machen wir uns nichts vor: Bei den vielen Analysen, die wir in Unternehmen in verschiedensten Groeßenordnungen durchgefuehrt haben, ist uns noch nie ein Unternehmen ohne Staerken begegnet, aber schon sehr viele ohne Kernkompetenzen! Hier liegt die Latte doch wesentlich hoeher und es ist von allergroeßter Bedeutung für Ihr Unternehmen, hier wirklich Zeit und Energie zu investieren, um das zukuenftige Kompetenzprofil Ihres Unternehmens sauber heraus zu arbeiten!

Frasl: Wie oft muss die Strategie eines Unternehmens auf den Pruefstand?

Artmann: Man muss sich bewusst sein, dass ein schwerwiegender strategischer Fehler haeufig die Grundlage für die Insolvenz eines Unternehmens ist. Deshalb empfehle ich, sich mindestens einmal jaehrlich die Zeit zu zunehmen, um die getroffenen strategischen Annahmen zu pruefen und ggf. die Strategie an die veraenderten Annahmen anzupassen. Selbstverstaendlich ist das strategische Konzept auch bei gravierenden Aenderungen im Markt, wie z.B. der Eintritt eines neuen starken Wettbewerbers zu ueberpruefen.