Pressemitteilung, Deutsch, 5 Seiten, OpenPR
Erscheinungsdatum: 05.11.2007
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Outplacement und psychologisches Business Coaching
Er hatte es nicht kommen sehen. Fünfzehn Jahre lang war Rainer Feltner* für einen Software-Konzern tätig gewesen. Im Zuge einer Reorganisation hatte man nun ihn und seinen Bereich an einen externen Dienstleister „outgesourct“. Rainer Feltner wurde nicht mehr gebraucht, und so fühlte er sich auch. Sein Vorgesetzter hatte ihn in sein Büro zitiert und ihn eine halbe Stunde mit Keksen zu füttern versucht, bevor er mit der Sprache herausrückte. Rainer Feltner machte es ihm leicht und verließ wortlos das Büro. Morgen würde er seine Abteilung informieren müssen...
Szenen wie diese spielen sich jeden Tag in Unternehmen ab, egal, ob Weltkonzern oder mittelständischer Betrieb. Als eine der Möglichkeiten, entlassenen Führungskräften den Übergang in eine neue Position zu erleichtern, ist in den letzten Jahren Outplacement immer stärker in Erscheinung getreten. Widmet man sich der Literatur zum Thema Outplacement, stellt man fest, dass vor allem betriebswirtschaftliche, juristische und organisatorische Aspekte diskutiert werden: Wie kann es implementiert werden? Welche Qualitätsmerkmale haben gute Outplacement-Berater? Lohnt es sich finanziell? Darüber hinaus hat Outplacement jedoch auch psychologische Dynamiken; gute Beispiele hierfür finden sich bei Berg-Peer (2003). Gerade sie haben große Auswirkungen auf das Verhalten von Führungskraft und Unternehmen und prägen jeden Outplacement-Prozess entscheidend.
Das „2-2-2-Prinzip“
Outplacement berührt mehrere Bereiche: Familie und Freunde (privat), Personalabteilung und Vorgesetzter (beruflich), Outplacement-Unternehmen und externer Coach (beratend). Um ein Outplacement à la „Asphaltstraße“ und nicht à la „Schotterpiste“ durchzuführen, reicht es nicht, die Figur einer „Führungskraft“ einem schemenhaften „Unternehmen“ gegenüberzustellen. Jede der genannten Parteien hat – mit der Führungskraft als Schwerpunkt – gesonderte Herausforderungen zu bestehen. Daher „2-2-2-Prinzip“ („Triple Two“): zwei Privat-, zwei berufliche, zwei beratende Parteien.
Krise als Chance
Eine Entlassung beinhaltet fast immer eine persönliche Krisensituation. Hierbei wird der Begriff „Krise“ wertneutral gebraucht. Eine Entlassung stellt somit immer auch eine Gelegenheit dar, beruflich und privat Bilanz zu ziehen, sich neu mit seiner Situation zu beschäftigen und an künftigen, möglicherweise völlig neuen Alternativen zu arbeiten. Marion Fischer-Epe (2007) benutzt hierzu das eingängige Bild der „fünf Säulen der Identität“: Arbeit und Leistung, soziales Netz, Körper, materielle Sicherheit sowie Normen und Werte.
Der Bereich „Arbeit und Leistung“ spielt bei den meisten Führungskräften eine so große Rolle, dass dadurch andere Bereiche zu kurz kommen. Wer kennt nicht den Manager, der seine Frau nur alle zwei Wochen sieht oder die Führungskraft, die über schwerwiegende körperliche Symptome der Überarbeitung klagt. Entsprechend durchschlagend ist hier der „Erfolg“ einer Identitätskrise. „Die plötzliche, massenhafte Entlassung von Führungskräften [...] in den letzten Jahren hat zu einer Flut von Krisen geführt, die in ihrem Ausmaß oft nur aus der besonderen Bedeutung dieses Themas für das Selbstwertgefühl der Klienten nachzuvollziehen waren.“ (Fischer-Epe, 2007, S. 128). Nimmt man ihnen ihre Arbeit als „Lebenssäule“, wirft man sie zurück auf grundlegende Fragen: Was macht mich eigentlich als Person aus, auch ohne gut bezahlten Job? Bin ich überhaupt noch etwas wert? Verändert sich mein Verhältnis zu meiner Familie, meinem Partner? Viele Führungskräfte haben sich diesen Fragen bislang nicht gestellt; als entsprechend belastend werden sie nun erlebt. Bislang war fast jede Situation durch Selbstdefinitionen wie „hart arbeitend“, „Führungskraft“, „Ernährer“, „sozialer Status“ geerdet. Nun fällt dieses Korsett weg, und man muss ein Selbstverständnis jenseits der „Arbeitsrolle“ finden.
Eben noch Entscheider und mit einem gewissen Maß an Macht und Status ausgestattet, ergibt sich für die Führungskraft im Outplacement ein Perspektivenwechsel. Der Blick richtet sich nicht mehr von oben nach unten. Im schlimmsten Fall sieht sich mancher Manager in der Position eines Bittstellers. Für erfahrene Führungskräfte – gerade für diejenigen, die sich über lange Jahre in einem Unternehmen hochgearbeitet haben – eine völlig neue Situation.
Der Prozess des Akzeptierens läuft manchmal unter Schmerzen bis hin zu klinischen Symptomen ab. Einige Führungskräfte leiden (übrigens nicht nur im Outplacement) an Schlafstörungen, Angstzuständen, Depressionen, Selbstzweifeln. Diese Aspekte eines Outplacements sind überwiegend immer noch Tabuthemen. Jeder hat seine eigene Strategie, damit umzugehen: Manche führen ein Doppelleben und spielen ihrer Familie eine immer noch heile Welt vor, andere vergraben sich in Schuldzuweisungen oder Rachestrategien. Dieser innere Spannungszustand strahlt auf die Beziehung und die Familie aus. Das tägliche Familienleben wird teilweise neu organisiert, die Kommunikation wird – auch negativ – emotionaler. Eine echte Bewährungsprobe.
Nicht nur das familiäre Umfeld ist betroffen. Es gilt ebenso, für sich selbst ein neues Zeitmanagement zu schaffen. Vielen Führungskräften fällt es schwer, den Alltag sinnvoll zu füllen. Sie laufen noch hochtourig und versuchen, dieses Niveau zu halten. Dabei verpassen sie die Chance, innezuhalten, das Vergangene abzuschließen und sich danach bewusst auf neue Aktivitäten zu konzentrieren. Innehalten bedeutet Ruhe, und Ruhe bringt zu viele Gedanken, Ängste und Wünsche. Deshalb wird sie gemieden.
Richtiges Outplacement ist erlernbar
Soviel Energie Firmen bei der Einstellung neuer Mitarbeiter aufwenden, sowenig Eifer zeigen sie bei der Entlassung von Mitarbeitern und Führungskräften. Manchmal stellt sich beim Entlassenen – und auch der Öffentlichkeit – der Eindruck einer Wegwerfmentalität ein. Die Unternehmen verdrängen das unangenehme Thema Entlassung. Es ist ein wenig so wie mit dem Tod oder dem Finanzamt: Jeden betrifft es, (fast) jeder fürchtet es und hofft gleichzeitig, dass es nicht bei ihm zuschlägt (was früher oder später jedoch bei beiden Institutionen der Fall ist). Mit einer derartigen „Vogel Strauß“-Haltung ist der unprofessionelle Umgang im Kündigungsfall programmiert, und alle werden belastet:
Für die Unterstützung der Führungskraft und die psychologische Kompetenz im Outplacement muss das Unternehmen den geeigneten Partner finden. In größeren Firmen wäre zunächst an die Personalabteilung zu denken. Dies ist jedoch nur dann realistisch, wenn die Personalabteilung a) genügend personelle Ressourcen hat, b) diese Ressourcen über das entsprechende psychologische Fachwissen verfügen und c) die Führungskraft die Personalabteilung nicht als Feind wahrnimmt – was jedoch in den meisten Unternehmen der Fall sein wird. Daher sollte bei fehlender HR-Option ein externer Coach eingeschaltet werden. Dieser sollte a) eine neutrale Instanz sein, b) über psychologisches Fachwissen verfügen, c) Erfahrung im Coaching von Führungskräften aufweisen.
Im besten Fall schiebt man die Verantwortung auf eine Outplacement-Gesellschaft; diese wird jedoch in der Regel erst tätig, wenn bereits viel Geschirr zerbrochen wurde. Wie in der Medizin gilt auch hier: Vorsorge ist besser als Nachsorge. Was kann man tun?
• Coaching der Führungskraft
Der Entlassene sollte psychologisch fachkundig begleitet werden. Seine Situation konfrontiert ihn mit Lebensbereichen, die er bisher vernachlässigt hat: Freizeit, Familie, dem „Ich“ abseits der Arbeitsrolle. Hinzu kommt die natürliche Existenzangst durch die unsichere finanzielle Zukunft. Neben den bereits bekannten Leistungen der Outplacement-Berater wäre hier ein Coaching bei auftretenden familiären Konflikten sowie eine Beratung auch zu Tabuthemen (Depressionen, Identitätskonflikte etc.) zu nennen. Dies sollte aus Gründen der Vertraulichkeit ein externer Coach übernehmen.
Eine Entlassung rührt an den Grundfesten der Person. Je nach Veranlagung wird aus „Ich bin entlassen“ ein „Ich werde nicht geliebt“. Bevor Sie darüber lachen, denken Sie über Folgendes nach: Menschen tun in ihrem Leben viele Dinge nur aus einem einzigen Grund: um von anderen akzeptiert und geliebt zu werden: in der Familie, im Freundeskreis und auch im Beruf. Was tut eine Führungskraft, die eine Entlassung für sich selbst so interpretiert: „Ich werde hier zurückgestoßen, nicht mehr geliebt oder gebraucht. Ich habe dieser Firma so viel geopfert und nun das.“ ? Es gibt verschiedene Arten der „Ich werde nicht geliebt“-Verarbeitung: Akzeptanz, Trauer und – Rache. Die Arbeitsgerichte in Deutschland können ein Lied davon singen. Spätestens jetzt dürfte die „Liebes-Theorie“ auch für beinharte Unternehmer interessant werden.
Wie kann man die individuelle Reaktion – gleich welcher Art – abmildern? Man entschärft die Bombe, statt später die Splitter einzusammeln. Das Unternehmen muss den gesamten Outplacement-Prozess mit Respekt und Offenheit gegenüber dem Entlassenen gestalten. Der faktische Effekt des „Zurückstoßens“ kann man nie ganz verhindern, doch das Unternehmen macht – um im obigen Bild zu bleiben – einen großen Schritt von der Schotterpiste zur Asphaltstraße.
• Begleitung der Familie
Wer glaubt, eine Entlassung betreffe nur den Entlassenen selbst, der irrt. Durch Rollen- und Identitätskonflikte verändert sich auch das Reden und Handeln mit der Familie und dem Freundeskreis. Dies erfordert Verständnis und Belastbarkeit auf Seiten des Partners und der Kinder. Entschlüsselt man der Familie die Dynamiken und psychischen Abläufe eines Outplacements, ist ihr unter Umständen schon viel geholfen. Verstehen fördert Akzeptanz. Bei schwierigeren Fällen ist auch eine eingehende Beratung bis hin zur Familientherapie denkbar.
• Coaching und psychologische Beratung des Vorgesetzten
Ein Abteilungsleiter berichtete einmal, er habe sich bei der Entlassung von Mitarbeitern (im Rahmen einer der berüchtigten „Restrukturierungen“) wie der Kommandant eines Erschießungskommandos gefühlt und bezeichnete diesen Moment als „den schlimmsten meines gesamten bisherigen Berufslebens“. Daran erkennt man, dass auch Vorgesetzte unter den Entlassungen leiden (können). Manche schieben ein Entlassungsgespräch auch auf die Personalabteilung ab. Wer jedoch als Vorgesetzter die Verantwortung für ein Entlassungsgespräch auf sich nimmt, sollte dementsprechend geschult werden, um Beschädigungen auf beiden Seiten möglichst klein zu halten.
Im Entlassungsgespräch bestehen die Hauptfehler aus einer ängstlichen, unsicheren Gesprächsführung und der fehlenden Vorbereitung. Ein Entlassungsgespräch verläuft selten in ruhigen, nicht-emotionalen Bahnen. Auch wenn der Entlassene es schon geahnt hat, so hat die Bestätigung im Gespräch die emotionale Qualität eines überraschenden Gerichtsurteils. Die Reaktionen reichen von Weinen über stumme Ergebenheit bis hin zu Wutausbrüchen. In jedem Fall erleben Vorgesetzter und Entlassener eine emotionale Extremsituation, auf die sie niemand vorbereitet hat. Die Symptome sind auf beiden Seiten auch physisch: Schwitzen, Herzklopfen, Beklemmung – der typische „fight or flight“ – Ur-Instinkt.
Ein Vorgesetzter sollte nach einer kurzen Gesprächseinleitung zum Punkt kommen. Ist die Katze aus dem Sack, kann er die Reaktion des Entlassenen weder steuern noch mildern. Er hat sie einfach auszuhalten. Dies erfordert Nerven und Training. Daher sind Rollenspiele im Rahmen eines „Entlassungsworkshops“ ratsam. Klingt morbide, hilft jedoch enorm. Indem der Vorgesetzte den physischen und psychischen Stress vor-erlebt und mit unterschiedlichen Reaktionen konfrontiert wird, kann er sein eigenes Erleben im tatsächlichen Gespräch besser einordnen. So konzentriert er sich mehr auf Inhalt und Gesprächssteuerung.
• Schulung von Personalverantwortlichen
Obwohl die Personalabteilung buchstäblich für die „menschliche“ Komponente im Unternehmen verantwortlich ist, geben Personaler unter der Hand zu, über wenig psychologisches Fachwissen zu verfügen. HR sollte über psychologische Hintergründe (nicht nur von Entlassungen), emotionale Dynamiken und für eine konstruktive Gesprächsführung geschult werden. Hier dürfen Personaler keine Theorien wälzen, sondern müssen Kommunikationsmuster lernen und üben. Dazu gehören auch Rollenspiele der eigenen Entlassung. Dieses praxisorientierte Training erlaubt ihnen wiederum, Vorgesetzte, die kündigen müssen, zu beraten und das Geschehen während des Outplacements besser zu kontrollieren.
• Einführung einer „Kultur der Kündigung“
Was sich auf den ersten Blick wie der Alptraum aller Motivationslehrer anhört, ist nichts anderes als das Akzeptieren der Realität. Entlassungen müssen als Teil der Personalentwicklung begriffen und aktiv angegangen werden. Letztendlich ist das auch ein Signal an neue Bewerber: Wenn es mal zu Ende geht, lassen wir euch nicht im Regen stehen. Diese Kultur sollte im Unternehmensleitbild schriftlich verankert werden; nur so kann man übrigens von einer konstanten Personalentwicklung sprechen, die nicht in einer –abwicklung endet.
Fazit
*Name geändert
Literatur
Checkliste Entlassungsgespräch