Risikopublizität in der Krise (Teil 1)
Risikopublizität in der Krise (Teil 1)

Risikopublizität in der Krise (Teil 1)

Problemfelder der gegenwärtigen Offenlegungspraxis

Beitrag, Deutsch, 8 Seiten

Autor: Dieter Weber

Erscheinungsdatum: 14.10.2010

Seitenangabe: 1, 10-19


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Seit dem Inkrafttreten der neuen Transparenzregeln der IFRS und von Basel II im Jahr 2007 hat die externe Risikoberichterstattung von Kreditinstituten, deren Anforderungen in Deutschland erstmals bereits im Jahr 2000 mit dem DRS 5-10 konkretisiert worden sind, eine erhebliche Aufwertung erfahren.

Mit dem Stichtag 31. Dezember 2007 sind mittlerweile drei Jahresberichtszyklen abgeschlossen, in denen die Kreditinstitute IFRS-Risikoberichte und aufsichtsrechtliche Risikoberichte vorzulegen hatten, die sich an den neuen Mindestanforderungen an die Risikopublizität messen lassen müssen. Bei den bisher vorgelegten Berichten reicht die Spannweite von der partiellen Nichterfüllung der Offenlegungsregeln über vollständige Compliance bis hin zu einer exzellenten Berichterstattung, die sich durch umfassende Nutzung bestehender gesetzlicher Gestaltungsspielräume auszeichnet und über die Mindestanforderungen hinaus geht.

In der Öffentlichkeit stehen die Regulierungsbemühungen von Gesetzgeber und Standardsetzern hinsichtlich der Risikopublizität und der Status quo der Berichterstattung in der Kritik. Angesichts der in vielen Fällen inkonsistenten und meist komplexen Transparenzanforderungen, die seit dem Jahr 2007 zu beachten sind, ist von einem Disclosure Jungle die Rede. Die fortlaufende Aufschichtung neuer Angabepflichten, teilweise als Reaktion auf 2007 und der sich daran anschließenden Finanzkrise konzipiert, trägt nicht zur Komplexitätsreduktion bei. Doch sind es nicht nur exogen induzierte Ineffizienzen, die zu Kritik Anlass geben, auch eine Reihe hausgemachter Defizite begründen den problematischen Status der Offenlegung. Beklagt werden jedenfalls Umfang und Gestaltung der Risikoberichte, die – gemessen an dem zentralen Gütekriterium der Entscheidungsnützlichkeit – den von Gesetzgeber und Standardsetzern, aber auch von den Instituten selbst intendierten Zielsetzungen oft nicht gerecht werden. Die beabsichtigte Disziplinierung der Banken über die Mechanismen der Märkte läuft ins Leere. Die oft in unstrukturierter Form bereitgestellte Informationsfülle, so die Kritik, verstellt den Zugang auf die wirklich wesentlichen Informationen. Bereits der schiere Umfang der einzelnen Berichte wirkt abschreckend. Zudem haben sich die Investoren und sonstigen Stakeholder von Kreditinstituten seit dem Inkrafttreten von Basel II über den neben dem schon bekannten Risikolagebericht, der neben den Angaben gemäß § 315 HGB i. V. m. dem Deutschen Rechnungslegungs Standard Nr. 5-10 „Risikoberichterstattung von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten“ (DRS 5-10) oftmals auch die risiko bezogenen Angaben des IFRS 7 und des IAS 1 beinhaltet, mit einem zweiten Berichtsdokument, dem aufsichtsrechtlichen Risikobericht (häufig auch als Säule 3-Risikobericht bzw. als Offenlegungsbericht bezeichnet) auseinanderzusetzen. Oft genug stehen beide Reports unverknüpft und kaum vergleichbar nebeneinander, obwohl sie doch die gleichen Grundtatbestände – die Merkmale des Risikomanagements und die Risikoexponiertheit einer Bank – zum Gegenstand haben.

Insgesamt erscheinen diese Befunde angesichts der zentralen volkswirtschaftlichen Bedeutung der Kreditwirtschaft als Finanz- und Risikointermediär bedenklich. Es ist daher zu fragen, ob insbesondere die mit Regulierung von Kreditinstituten erwünschten gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtseffekte der nachhaltigen Stabilitätssicherung des internationalen und nationalen Finanzsystems tatsächlich realisiert werden können, wenn die Offenlegung als ein Teilbereich der Bankenaufsicht signifikante Dysfunktionalitäten aufweist. Auch für die aktuell geltenden risikobezogenen IFRS-Transparenzregeln erscheint fraglich, ob sie in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung wirklich in der Lage sind, die Informationsasymmetrien zwischen Management und Kapitalmarkt zu verringern und damit die Voraussetzungen zu schaffen, damit sachgerechte Investitionsentscheidungen in einem einzelwirtschaftlichen Nutzenkalkül getroffen werden können.

Disclosure Excellence – Chance eines professionellen Kapitalmarktauftritts
Best Practice-Institute begreifen die Offenlegungspflichten augenscheinlich als Chance, mit einer zielorientierten und aktiv gesteuerten Kapitalmarktkommunikation, die eng mit dem internen Management Reporting verknüpft ist, gerade in Zeiten eines turbulenten Marktumfelds bei den Anlegern und dem sonstigen Publikum zu punkten. Denn die angemessene Transparenz über eingegangene Risiken einer Bank und deren Fähigkeit, die Risiken zu absorbieren stellt zweifelsohne einen bedeutenden Wettbewerbsfaktor in der externen Unternehmenskommunikation dar, mit dem das Vertrauen von Anteilseignern, Kapitalmarkt und Kunden gestärkt werden können. Zudem erleichtert ein auch in formaler Hinsicht professioneller und durchdachter externer Auftritt den Zugang zu den Stakeholdern eines Kreditinstituts und ist nicht zuletzt Ausdruck des Respekts gegenüber den legitimen Informationsbedürfnissen von Anlegern und Geschäftspartnern. So verstandene Disclosure Excellence führt zu einer hochwertigen, adressatenbezogenen und wirtschaftlich durchführbaren Risikoberichterstattung und stellt die Voraussetzung für eine effiziente Inanspruchnahme des Kapitalmarkts als Finanzierungsquelle dar. Notwendige Bedingung für die Erzielung von Disclosure Excellence ist zweifelsohne eine adäquate Disclosure Governance, die auf einer funktionierenden Risk Governance aufbaut. Damit liegt die Schaffung der Voraussetzungen für eine
hochwertige Kapitalmarktkommunikation zunächst in der Verantwortung der Kreditinstitute. Gleichwohl sind Banken bei der Gestaltung ihrer Offenlegung in hohem Maße abhängig von den exogen vorgegebenen Faktoren des Regulierungsumfelds, das den Aktionsraum für Kreditinstitute determiniert. Limitationen der Funktionalität von Transparenzregeln – insbesondere solche, die Abweichungen von der Sicht der Unternehmensleitung in der Offenlegung erzwingen – und widersprüchliche Angabepflichten stellen für Banken nicht
überwindbare Hürden auf dem Weg zu einem exzellenten Reporting dar.

Die Prärequisiten für Disclosure Excellence können wie folgt zusammengefasst
werden:

• Optimale regulatorischen Rahmenbedingungen hinsichtlich institutioneller
Strukturen und Prozesse der Aufsichtsbehörden sowie der Ausgestaltung der
Offenlegungsanforderungen.

• Optimale unternehmensinterne Rahmenbedingungen. Dies beinhaltet die
in den Kreditinstituten vorzufindenden Strukturen, Prozesse und IT-Systeme
der externen Risikoberichterstattung, die Einbindung der Risikopublizität in eine ganzheitliche Unternehmenskommunikation und die Bereitschaft, den erforderlichen Grenzbeitrag, der über die reine Erfüllung der Offenlegungsnormen hinausgeht, zu leisten. Eine notwendige Bedingung zu Erzielung einer wettbewerbsfähigen Risikopublizität ist darüber hinaus die Existenz eines Risikomanagementsystems, das den aktuellen Stand der betriebswirtschaftlichen Forschung und Praxis reflektiert.

Gang der Untersuchung
Der Diskurs zur Risikoberichterstattung wird seit geraumer Zeit von den Auswirkungen der Finanzkrise bestimmt. Dadurch werden strukturelle Problemlagen überdeckt, die sich bereits seit der Einführung von IFRS 7 und der Baseler Säule 3 im Jahr 2007 abzeichneten. Vor diesem Hintergrund fokussiert der vorliegende Beitrag auf die originären Problemfelder der Risikopublizität, die nicht unmittelbar mit den aktuellen Marktturbulenzen in Verbindung stehen. Zu diesem Zweck wird in dem vorliegenden ersten Teil der dreiteiligen Aufsatzreihe
die Praxis der Risikoberichterstattung kapitalmarktorientierter Bankenkonzerne
unter Zugrundelegung eines ganzheitlichen Verständnisses der handelsrechtlichen und aufsichtsrechtlichen Offenlegungspflichten beleuchtet.

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Dieter Weber

DE, Gießen

Prokurist

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