Struktur und Kompetenzen der Staatsanwaltschaft der Ukraine

Durch die jüngsten Gerichtsverfahren gegen Angehörige der früheren Regierung
der Ukraine, allen voran gegen die ehemalige Ministerpräsidentin Tymoschenko,
geriet die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft der Ukraine (Prokuratura) 1 wiederholt
in den Fokus der Berichterstattung. Dabei wurde verschiedentlich auf eine politi-
sche Motivation der Anklage hingewiesen 2 . Unzweifelhaft kommt der Staats-
anwaltschaft eine bemerkenswerte Kompetenzfülle zu, die sie als eine entschei-
dende politische Kraft im ukrainischen Staatsaufbau auszeichnet. Zwar ist etwa
auch die deutsche Staatsanwaltschaft keineswegs die „ objektivste Behörde der
Welt “ 3 , sondern eine Justizbehörde, deren Beamte grundsätzlich weisungsgebun-
den agieren und die als selbständiges Organ der Rechtspflege weder der Exekuti-
ve noch der Judikative zuzuordnen ist 4 , doch gehen die Kompetenzen der Staats-
anwaltschaft der Ukraine in wesentlichen Punkten darüber hinaus. So beschränkt
sich ihre Rolle nicht lediglich auf den Strafprozess und reine Ermittlungs-, Ankla-
ge- und Vollstreckungstätigkeiten, sondern ihr kommt im Grundsatz eine all-
gemeine Rechtsaufsicht über die staatlichen Organe zu 5 . Dies erklärt sich durch
ihre historische Entwicklung aus der Prokuratura der Sowjetunion (UdSSR) und
des Russischen Kaiserreichs, die gleichsam als „ Hüterin des Rechts “ eine wesent-
lich andere Rolle im Staatsgefüge einnahm, als etwa die Staatsanwaltschaft in
Deutschland 6 .
Der vorliegende Aufsatz stellt die rechtlichen Grundlagen der ukrainischen
Staatsanwaltschaft vor. Dabei wird zunächst ihre historische Herkunft erläutert.
Sodann werden ihr Aufbau und ihre Kompetenzen aufgrund ihrer gesetzlichen
Grundlagen sowie ihre Stellung im ukrainischen Staat dargestellt. Schließlich
wird im Fazit auf aktuelle Reformbedürfnisse eingegangen.