Vertragsschluss im Internet
Vertragsschluss im Internet

Vertragsschluss im Internet

Unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsentwicklung in der Europäischen Union und des internationalen Verbrauchervertrages

Buch, Deutsch, 198 Seiten

Autor: Dr. Christoph Glatt, LL.M.

Erscheinungsdatum: 2002

ISBN: 9783789078941


Aufrufe gesamt: 590, letzte 30 Tage: 2

Kontakt

Verlag

keine Angaben

Referenzeintrag

Weitere Informationen über:

Dr. iur. Christoph Glatt, LL.M.:

Kontakt

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit Problemen des Zustandekommens von Verträgen und des anwendbaren Vertragsrechts, die entstehen, wenn die Parteien vertragliche Willenserklärungen über das Internet austauschen. Einbezogen wird dabei die EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (E-Commerce-Richtlinie) und deren geplante Umsetzung im deutschen Recht. Kollisionsrechtlichen Fragen geht die Untersuchung am Beispiel grenzüberschreitender Verbraucherverträge nach. Dabei werden auch mögliche Konsequenzen einer Reform des Internationalen Vertragsrechts nach Vorbild der EU-Verordnung Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit erörtert.

Ausgangspunkt ist zunächst eine Darstellung der wesentlichen technischen Grundlagen bei der Kommunikation via Internet. Als besondere Merkmale, die das Internet in ihrer Summe von anderen Medien unterscheiden, werden dabei die Digitalisierung von Information, die Interaktion zwischen den Nutzern, die dezentrale Speicherung und Verteilung von Daten sowie der von nationalen Grenzen völlig unabhängige Informationsaustausch herausgearbeitet.

Das anschließende Kapitel zum Vertragsschluss behandelt zunächst den Austausch von Angebot und Annahme nach derzeit geltendem deutschem Recht. Schwerpunkte bilden dabei die besonders kontrovers diskutierten Fragen der Abgrenzung von Antrag und invitatio ad offerendum bei Warenpräsentationen im Internet und der elektronischen Übermittlung von Willenserklärungen. Am Beispiel von Bestellsystemen auf interaktiven Websites werden die bekannten Argumente für eine vom Anbieter ausgehende invitatio ad offerendum untersucht. Dabei wird nachgewiesen, dass diese Argumente, entgegen verbreiteter Ansicht in der Literatur, gerade beim besonders häufig auftretenden Geschäftsfall des Downloading digitaler Produkte nicht greifen. Öfter als beim Einsatz herkömmlicher Medien, so das Ergebnis, wird deshalb bei einer Warenpräsentation über eine interaktive Website der Vertragsantrag bereits vom Anbieter ausgehen.

Anhand einer kritischen Analyse der jüngsten Rechtsprechung werden dann Antrag und Annahme bei Internetauktionen behandelt. Es zeigt sich, dass § 156 BGB auf sogenannte Langzeitauktionen wegen ihres gegenüber herkömmlichen Versteigerungen grundlegend anderen Ablaufs nicht anwendbar ist. Eine Überlegung, die – hier erstmals konsequent weiterentwickelt – zur Folge hat, dass regelmäßig bereits in der Freischaltung einer Auktionsseite ein verbindlicher Vertragsantrag zu sehen ist.

Die Übermittlung von Vertragserklärungen im Internet in das System der Rechtsgeschäftslehre einzuordnen, erweist sich dort als besonders schwierig, wo eine dialogartige Kommunikation stattfindet, ohne dass es zu einem unmittelbaren Kontakt zwischen den Parteien kommt, also etwa beim Internet-Chat, beim automatisierten E-Mail-Empfang und beim Dialogverkehr über interaktive Websites. Letztlich können aber auch diese Fälle mit dem bestehenden Instrumentarium des deutschen Vertragsrechts zufrieden stellend gelöst werden. Neu ist dabei der hier durchgehend verfolgte Ansatz, Erklärungen, die auf Seiten des Empfängers sofort maschinell weiterverarbeitet werden, immer – also etwa auch beim automatisierten E-Mail-Empfang – unmittelbar nach Eingang wirksam werden zu lassen, obwohl es sich um Erklärungen unter Abwesenden handelt. Bereits in die Untersuchung mit einbezogen wird der neue 147 I 2 BGB. Es zeigt sich, dass diese Vorschrift in erster Linie klarstellende Funktion hat und die Anwendung von 147 II oder 147 I auch beim automatisierten Dialogverkehr im Ergebnis nicht zu praxisrelevanten Unterschieden führt.

Im Anschluss an die Erörterung zum deutschen Vertragsrecht folgt eine Darstellung der Grundbegriffe und vertragsrelevanten Regelungen der sogenannten E-Commerce-Richtlinie. Dabei wird anhand der Materialien zur Richtlinie nachgewiesen, dass deren Artikel 9 bis 11 – entgegen der zum Teil in der Literatur vertretenen Ansicht – keinen Eingriff in nationale Regeln zum Zustandekommen von Verträgen enthalten. Vielmehr werden lediglich Vorgaben für Informationspflichten des Diensteanbieters geschaffen, der dem Nutzer überdies geeignete Mittel zur Fehlerkorrektur zur Verfügung stellen muss. Ein Verstoß gegen diese Pflichten lässt folglich den Vertragsschluss als solchen unberührt, kann aber beispielsweise Schadenersatzansprüche auslösen. Erstmals wird hier auch ausführlich diskutiert, wann eine „individuelle Kommunikation“ im Sinne von Art. 10 IV und Art. 11 III vorliegt, auf welche Weise die Pflicht zur Übersendung einer Empfangsbestätigung nach Art. 11 I erster Spiegelstrich erfüllt werden kann und wie Rechtsnatur und Auswirkungen der Zugangsfiktion des Art. 11 I zweiter Spiegelstrich zu beurteilen sind.

Der Umsetzungsbedarf der Richtlinienvorgaben im deutschen Recht wird geprüft und die geplante Umsetzung durch das Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (EGG) und den neuen § 312e BGB einer ersten kritischen Würdigung unterzogen. Am Ende steht das Ergebnis, dass die Gesetzesvorhaben grundsätzlich zur Umsetzung der Richtlinienvorgaben geeignet sind, einige Unklarheiten und Defizite aber durch eine richtlinienkonforme Auslegung ausgeglichen werden müssen und können.

Im Mittelpunkt des dritten Kapitels der Arbeit steht Art. 29 EGBGB, dessen Anwendung auf Vertragsabschlüsse im Internet sich als besonders problematisch erweist. Die Untersuchung des persönlichen Anwendungsbereichs ergibt, dass die Vorschrift nur eingreift, wenn die Verbrauchereigenschaft aus Sicht des Anbieters objektiv erkennbar ist. Diese Regel kann für Bestellungen über interaktive Websites aber nur gelten, wenn der Kunde überhaupt die Möglichkeit hat, sich als Verbraucher zu identifizieren. Ist dies nicht der Fall, gehen Zweifel über die Verbrauchereigenschaft – nach dem hier neu entwickelten Ansatz – ausnahmsweise zu Lasten des Anbieters. Beim sachlichen Anwendungsbereich des Art. 29 werden das Downloading digitalisierter Produkte und die Erbringung von Providerleistungen als internetspezifische Probleme identifiziert. In beiden Fällen wird eine Anwendung von Art. 29 im Ergebnis bejaht und der Nachweis geführt, dass dies entgegen der allgemeinen Meinung in Deutschland auch für solche Provider-Leistungen gelten muss, bei denen eine Gebrauchsüberlassung im Vordergrund steht. Gerade im Internet, so ergibt die weitere Untersuchung, sind territoriale Bezugspunkte zu bestimmten Staatsgebieten, auf die es für den räumlichen Anwendungsbereich des Art. 29 entscheidend ankommt, nur schwer herzustellen. Als entscheidend erweist sich letztlich, ob Daten, die eine Werbung oder ein Angebot enthalten, vor Vertragsschluss in den Aufenthaltsstaat des Verbrauchers übertragen worden sind. Ist dies der Fall, muss regelmäßig auch eine Ausrichtung auf diesen Staat bejaht werden. In Einzelfällen können sich hieraus indes Zufälligkeiten ergeben, die zu schwer nachvollziehbaren Ergebnissen führen, auch Beweisschwierigkeiten sind denkbar.

Vor dem Hintergrund des Art. 29 EGBGB erfolgt dann eine Analyse des aufgrund der EU-Fernabsatzrichtlinie neu geschaffenen Art. 29a EGBGB. Erstmals wird dabei herausgearbeitet, welche Konsequenzen für den Internetbereich sich aus der teilweisen Aufgabe einer marktbezogenen Anknüpfung ergeben. Im Einzelfall kann dies zu unangemessenen Ergebnissen führen, weshalb eine Korrektur über das Merkmal des „engen Zusammenhangs“ vorgeschlagen wird.

Es schließt sich eine Darstellung des durch die E-Commerce-Richtlinie eingeführten Herkunftslandprinzips und seiner Auswirkungen auf das Internationale Vertragsrecht an. Dabei wird deutlich, dass mit dem Herkunftslandprinzip – entgegen der teilweise hierzu vertretenen Ansicht – keine zusätzliche IPR-Regel entsteht, die im Bereich des E-Commerce das EVÜ ablöst. Praxisrelevante Änderungen sind allenfalls bei Business-to-Business-Verträgen denkbar, wenn keine Rechtswahl getroffen wurde. Für solche Verträge zwingt die Richtlinie, nach dem mit der vorliegenden Arbeit entwickelten Ansatz, zur Einführung eines Günstigkeitsvergleichs, der im Einzelfall zu einer Korrektur des anwendbaren Rechts zu Gunsten des Diensteanbieters führen kann.
Den Schlusspunkt der Arbeit bildet eine Untersuchung des Art. 15 der EU-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Dabei werden gravierende Änderungen gegenüber dem bisherigen Art. 13 EuGVÜ aufgezeigt. Insbesondere die völlige Abkehr vom Marktortprinzip zwingt, wie hier erstmals ausführlich dargelegt wird, zu Korrekturen im Einzelfall. Der abschließende Ausblick auf die Konsequenzen der von der EU geplanten Anpassung des Art. 5 EVÜ an den neuen Art. 15 der Verordnung zeigt, dass damit keineswegs alle Zweifelsfälle beim räumlichen Anwendungsbereich beseitigt würden. Die im Hinblick auf neue Kommunikationsformen notwendige Flexibilität wäre, so die hier vertretene Einschätzung, durch eine Generalklausel ähnlich Art. 29a EGBGB besser erreichbar.

Dr. Christoph Glatt, LL.M.

DE, Mannheim

Glatt Rechtsberatung

Publikationen: 6

Aufrufe seit 01/2008: 1716
Aufrufe letzte 30 Tage: 3