Zukunft denken - Wandel gestalten.

Zukunft denken – Wandel gestalten
Daniela Riess-Beger: Vorwort zum Tagungsband des Kongresses der deutschen Gesellschaft für Transaktionsanalyse

‚Die Zukunft kommt auch immer schneller.’ So oder so ähnlich könnte der bayrische Poet und Komödiant Karl Valentin unsere Gegenwart beschreiben.
Beschleunigung, Digitalisierung, Globalisierung – unsere Gesellschaft geht durch einen tiefgreifenden Wandel. Mediale Kommunikation prägt die Arbeits- und Privatwelt, formt neue Konsumgewohnheiten, modifiziert soziales Leben und gestaltet persönliche Beziehungswelten um. Das Internet verknüpft uns mit der ganzen Welt – und umgekehrt haben Weltereignisse immer stärkere Auswirkungen auf unser individuelles Er-Leben. Zukunftsstudien bestätigen diesen Eindruck: Globalisierung und Digitalisierung haben einen Transformationsprozess in unserer Gesellschaft in Gang gesetzt, der auf vielen verschiedenen Ebenen spürbar wird.  
 
Konnektivität und Globalisierung beeinflussen den Alltag in vielen Bereichen: Komplexität nimmt zu – in allen Feldern der Gesellschaft. In der Arbeitswelt sind die Verflechtungen der Problemstellungen häufig so komplex, dass unter unsicheren, oft nicht mehr eindeutig klärbaren Bedingungen entschieden werden muss. Zugleich schreitet die Individualisierung in der Gesellschaft voran; das wirkt ein auf Freundschaftsbeziehungen ebenso wie auf familiäre Beziehungen. Berufsverläufe werden unsicherer, Beziehungsmöglichkeiten vielfältiger. Freiheit und Wahlmöglichkeiten steigen und damit der Entscheidungs-Druck auf jeden Einzelnen.
 
Globalisierung internationalisiert auch gesellschaftliche Konfliktlinien zwischen Arm und Reich – Migration ist eine Folge davon. Wir erleben, welche Herausforderung es für eine Gesellschaft sein kann, Flüchtlinge und Migranten gut zu integrieren.
 
In Deutschland gehört in dieses Bild des gegenwärtigen gesellschaftlichen Wandels zwingend die veränderte Altersstruktur unserer Gesellschaft: „Silver Society“ mit aktiven „Senioren“ einerseits, neue Altersarmut und Pflegenotstand andererseits kennzeichnen die Situation. Das hat immense Auswirkungen auf individuelle Leben und auf Familienthematiken, und auch auf die Arbeitswelt  mit Themen wie z.B. Fachkräftemangel, Generationendiversität oder Generation Y.
 
Wandel wird häufig als Krise erlebt und beinhaltet oft Risiken und meist auch Chancen. Menschen, ob individuell oder in Gruppen, benötigen in solchen Phasen verstärkt Selbst- und Beziehungskompetenzen sowie Reflexionsräume, um die Situation und ihre Optionen zu überdenken, zu bestehen und möglicherweise für sich fruchtbar zu machen. Die Transaktionsanalyse ist hier gefragter denn je. Sie stellt differenzierte Konzepte zur Verfügung, um Reflexion und neue Blickwinkel zu ermöglichen, und sie bietet praktische und griffige Methoden, um Menschen in Übergängen produktiv zu begleiten.
 
Wie konkret sich Wandel also auswirkt im Leben von Einzelnen, bei Paaren, in Familien, in Lernkontexten oder in Organisationen und Unternehmen – und wie professionelle Unterstützung in Veränderungsprozessen wirksam sein kann, damit befasste sich der 36. Kongress der deutschen Gesellschaft für Transaktionsanalyse.
 
Die Beiträge im vorliegenden Band nehmen dabei verschiedene Perspektiven ein.
 
Im ersten Abschnitt geht es um den Blick ‚aufs Ganze’: Die Autorinnen und Autoren reflektieren die gesellschaftlichen Transformationsprozesse und ihre Auswirkungen  auf der Basis von TA-Konzepten. Sie beschreiben Notwendigkeiten für eine zukunftsfähige Ethik und stellen vor, wie gute beziehungsorientierte  Autorität für die Zukunft aussehen und entwickelt werden kann.  Und sie skizzieren zugleich Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Transaktionsanalyse.
 
Im zweiten Teil stellen Autorinnen und Autoren vor, wie sie – unter Hinzuziehung von Transaktionsanalysekonzepten – Organisationen begleiten in Changesituationen. Neben Praxisberichten über organisationale Maßnahmen geht es hier stark um die Frage, welche Herausforderungen auf Führungskräfte zukommen. Was hilft Führungskräften, die oben geschilderten Herausforderungen zu bewältigen und zugleich innovativ zu sein und kreative Lösungen für bisher unbekannte Probleme zu finden? 
Das dritte Kapitel schließlich rückt methodische und konzeptionelle Fragen in den Vordergrund:  Dabei geht es um den Dialog als Basis aller Arbeit mit Menschen sowie um Methoden der Transaktionsanalyse als auch um Erweiterungen und Anreicherungen dieser Methoden -  vor allem aus ressourcen- und lösungsorientierter Perspektive: Wie kann ich meine Ressourcen finden, meine Resilienz stärken und so meine Gesundheit erhalten und ausbauen, ist hier eine wichtige Frage. Ein weiterer Fokus wird die TA-basierte Mediationsausbildung und Praxis sein.
Der Band rundet sich schließlich mit Fallbeispielen und Praxisberichten – einige ebenfalls auf der Basis von Methodenbeschreibungen. Mehrere Beiträge befassen sich ganz praktisch mit der Verknüpfung von Körperarbeit und Transaktionsanalyse und deren Wirkung. Transaktionsanalytische Psychotherapie und Beratung wird vorgestellt anhand verschiedener Fallbeispiele -   in der Arbeit mit Kindern, in der Entwicklungsarbeit mit Einzelnen, mit Paaren und mit Familien.
Die Autoren dieses Bandes zeigen Ihnen also vielfältige Perspektiven auf den Umgang mit Veränderungsprozessen und auf die Arbeit mit Transaktionsanalyse.