Buch - Fahreignung und Fahr(un-)sicherheit
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Buch - Fahreignung und Fahr(un-)sicherheit

Neue Untersuchungsansätze zu zwei Kernthemen der Verkehrssicherheit

Buch, Deutsch, 257 Seiten

Autor: Prof. Dr. Dieter Müller

Herausgeber / Co-Autor: René Biele, René Krohn

Erscheinungsdatum: 2008


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Preis: Kostenlos

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Vorwort

Dieter Müller


Die in diesem Themenband veröffentlichten Untersuchungen wurden in den beiden letzten Jahren von Aufstiegsbeamten aus dem mittleren Polizeivollzugsdienst und damit berufserfahrenen Diplomanden der Hochschule der Sächsischen Polizei verfasst. Sie wurden zwar vom Fachbereich Verkehrswissenschaften initiiert und betreut, stellen aber eine jeweils vollkommen eigenständige wissenschaftliche Arbeitsleistung der beiden Diplomanden dar. Die fachwissenschaftliche Betreuung der Arbeit von René Biele lag zudem in den Händen des Dresdener Verkehrspsychologen und Leiters der Begutachtungsstelle für Fahreignung der DEKRA-Niederlassung in Dresden, Herrn Dr. rer. nat. Thomas Wagner, der die wissenschaftliche Methodik und Auswertung der Arbeit maßgeblich steuernd und Rat gebend begleitete.

Beide Arbeiten bieten den Betrachtern einen interessanten Einblick in neue Gedanken der Verkehrssicherheitsarbeit auf polizeiwissenschaftlicher Basis. Die polizeiwissenschaftliche Qualität der vorliegenden Arbeiten ist daran messbar, dass beide Arbeiten als jeweils jahrgangsbeste Diplomarbeiten der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) prämiert werden konnten.

René Biele möchte mit der vorliegenden Diplomarbeit gleich mehrere Ziele erreichen. Einerseits möchte er eingangs seiner Arbeit die Gruppe der älteren Kraftfahrer im Hinblick auf die demografische Entwicklung in Deutschland deskriptiv erfassen. Andererseits möchte er die verschiedenen Aspekte des Fahrerlaubnis- und des Fahreignungsrechts in Bezug auf diese Gruppe näher beleuchten und dabei mögliche rechtspolitische Handlungsoptionen aufzeigen.
Für das Erreichen dieser beiden Ziele nutzt er u. a. auch ein auf persönliche Interviews basierendes repräsentatives Abbild von älteren Kraftfahrern, um deren Einstellungen in Bezug auf ihre Fahrtauglichkeit darzustellen. Dieses sechste Kapitel wird vom Verfasser mit Recht als der Schwerpunkt seiner Arbeit angesehen und dementsprechend auch inhaltlich tiefgehend gewürdigt.

Der Autor dieser ersten Diplomarbeit führt den Leser behutsam, aber bestimmt an die Kernthematik seiner Arbeit heran, indem er die derzeit geltenden rechtlichen Bestimmungen zum Fahrerlaubnisrecht in der Bundesrepublik mit erkennbaren demografischen Entwicklungstendenzen und dem verkehrsmedizinischen Erkenntnisstand abnehmender Leistungsmöglichkeiten älterer Menschen miteinander verknüpft. Konsequent beginnt der Verfasser zuvor mit wichtigen einleitenden Gedanken zur Gerontologie und beweist damit seinen für die Polizeiarbeit noch immer nicht typischen, aber zunehmend wachsenden interdisziplinären Arbeitsansatz.
Seine fachlichen Textteile belegt René Biele durchgängig durch einschlägiges Datenmaterial vom Deutschen Statistischen Bundesamt wie es von jedem interessierten Leser in deren Download-Angebot kostenfrei recherchiert werden kann.

Der Aufbau der Arbeit ist systematisch und fachlich konsequent, die fast 60 Fremdquellen sind aktuell und legen ein besonderes Augenmerk auf den wichtigen, ja überhaupt einzig denkbaren interdisziplinären Ansatz des Autors unter Berücksichtigung der Disziplinen Verkehrsmedizin, Verkehrspsychologie, Verwaltungsrecht, polizeilicher Verkehrsunfallaufnahme und Bearbeitung von Verkehrsunfallanzeigen.

Der verkehrsjuristische Schwerpunkt der Arbeit liegt im dritten Kapitel und umfasst eine spezifische Darstellung des Fahrerlaubnis- und Fahreignungsrechts.
Inhaltlich besonders gelungen ist das fünfte Kapitel, das sich sehr ausführlich und einfühlsam beschreibend der Thematik der unterschiedlich ausgeprägten Leistungsmöglichkeiten älterer Menschen widmet.

Vor diesem Hintergrund gelingen dem Verfasser sämtliche Arbeitsschritte der vorliegenden Diplomarbeit in ihrer Entwicklung und Darstellung sehr gut, wobei seine Schlussfolgerungen in jeder Hinsicht sachlich angemessen und gut vertretbar aus den Ergebnissen seiner Forschungsarbeit abgeleitet werden. Sichtbar wird auch, dass der Autor die wissenschaftliche Arbeitsweise bestens beherrscht, was insbesondere an seiner einschlägigen Quellenauswahl, und -bearbeitung deutlich hervortritt. Sein überdurchschnittlicher Fleiß wird daran deutlich, dass er die in Form von mehr als 100 Interviews sehr zahlreichen erhobenen Daten schlüssig und nachvollziehbar auswertet. Interessant sind dabei insbesondere die praxisnahen Fragestellungen sowie der deutlich hervortretende vertrauensvolle Umgang mit den Befragten. Der Verfasser erkennt zutreffend, dass auf seine Untersuchung aufbauend, der Forschungsbedarf bestehen bleibt und schlägt zielsicher eine Erweiterung seiner Untersuchung vor.

Seine Denkansätze in Richtung Mobilitätserhaltung sind zukunftsweisend nicht nur für die sächsische Polizei, sondern ebenfalls für die Fahrerlaubnisbehörden. Durch seinen umfassenden Arbeitsansatz bleiben zwar – wie auch vom Autor selbst erkannt – noch einige Fragen offen, diese Quintessenz ist aber gut vertretbar, da das Thema derart vielschichtig und komplex ist, dass die wissenschaftliche Bearbeitung der Gesamtthematik noch Stoff für zahlreiche weitere wissenschaftlichen Arbeiten bietet.

Mit seiner Arbeit leistet Biele – nicht nur bezogen auf die Polizei – einen wichtigen Beitrag zur besseren Einordnung der Problematik älterer Kraftfahrer und ihrer Leistungseinschränkungen im Straßenverkehr. Dem Diplomanden gelingt es auf eine erfrischende Art und Weise, sein gewähltes Thema insbesondere auf die Belange der Polizei hin passgenau darzustellen und zusätzlich gelingt es ihm ebenfalls, die weiterführenden Aspekte des komplexen Themas nicht aus den Augen zu verlieren. René Biele bleibt nicht in einer bloß deskriptiven Darstellung der erhobenen Daten, stecken, sondern widmet sich in einem eigenen Kapitel auch den verschiedenen Konsequenzen, die aus seiner Erhebung abgeleitet werden können. Maßnahmen zur Unterstützung älterer Autofahrer und ihrer Mobilitätsalternativen diskutiert er in diesem Rahmen vielschichtig und mit Durchblick. Seine fachliche Kritik ist nie destruktiv, sondern es gelingt dem Autor, konstruktiv mit der Thematik und ihren Problemen umzugehen. Verbesserungsansätze werden erkannt und schlüssig abgeleitet. Die polizeiliche Verkehrssicherheitsarbeit wird auf die Erkenntnisse des Autors zukünftig nicht verzichten können.

In der Zusammenfassung seiner Arbeitsergebnisse kommt der Verfasser zu der Schlussfolgerung, dass die derzeitigen gesetzlichen Regelungen im Prinzip beibehalten werden sollten, jedoch würden aus seiner Sicht auch zahlreiche Argumente dafür sprechen, die Einführung einer regelmäßigen medizinischen Untersuchung zu überdenken. Dem Autor ist bei dieser besonderen Schlussfolgerung durchaus bewusst, dass die Einführung periodischer Überwachungsmaßnahmen zu zahlreichen Verwicklungen rechtspolitischer und juristischer Art führen könnte.

Als Ziele seiner Diplomarbeit benennt der zweite Autor dieses Bandes, René Krohn, zutreffend, den Lesern einen Einblick in das polizeiliche Problemgebiet der Bewertung der alkoholbedingten relativen Fahruntüchtigkeit zu verschaffen. Praktische Probleme tauchen in der polizeilichen Arbeit oft aus dem Grund auf, weil gerade jungen, unerfahrenen Polizeibeamten noch die notwendigen Erkenntnisgrundlagen fehlen, um die Bedeutung und Struktur der einschlägigen Alkoholdelikte im Straßenverkehr korrekt würdigen zu können. Bereits die Literaturrecherche des Autors zu dieser Rechtsthematik ist umfassend und zeigt neben dem guten Gespür für die Thematik auch eine hervorragende inhaltliche Tiefe. Der große Arbeitseifer auch dieses Verfassers ist die gesamte Arbeit hindurch spürbar.

Die besondere Praxisnähe der Arbeit wird daran deutlich, dass René Krohn mehr als 100 teilweise umfangreiche Straf- und Bußgeldakten ausgewertet und in seine Arbeit konsequent einbezogen hat. Dabei mussten zahlreiche interne Hürden überwunden werden, um unter Beachtung aller datenschutzrechtlichen Belange an das für diese Untersuchung notwendige Datenmaterial gelangen zu können. Die statistische Auswertung der Praxisfälle konnte allerdings aus Gründen des Datenschutzes nur in allgemeiner Form und nicht in Fallbeispielen in diese Druckausgabe aufgenommen werden, was der Qualität der Arbeit jedoch keinen Abbruch tut.

Der Teil I der Arbeit beschäftigt sich grundlegend mit der Theorie des Alkohols im Straßenverkehr sowie einem Überblick über die einschlägigen Delikte und deren prozessual beweissicherem Nachweis. Insbesondere die verständliche Erklärung der Abgrenzung zwischen absoluter Fahruntüchtigkeit und relativer Fahruntüchtigkeit gelingt bestens und wird durch zahlreiche einschlägige Zitate fleißig belegt. Durch die ständige Aktualität der Thematik, die sich auch – durch die besondere politische Bedeutung des staatlich geförderten legalen Alkoholkonsums in Deutschland – in den nächsten Jahrzehnten nicht verändern wird, entsteht auch ein Stück Ausbildungsliteratur für nachfolgende Polizeigenerationen.

Der Teil II der Arbeit befasst sich tiefgründig mit der relativen Fahruntüchtigkeit in der Rechtsprechung und zeigt die große Bandbreite der alkoholtypischen Beweisanzeichen sehr gut auf. Diese schwierige Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der relativen Fahruntüchtigkeit bildet den Kern der verkehrsjuristischen Auslegung in dieser Diplomarbeit und ist in dieser Tiefe allenfalls in der einschlägigen juristischen Fachliteratur von Autoren des Formats eines Peter Hentschel (†) zu finden.

Der Teil III der Arbeit befasst sich mit der relativen Fahruntüchtigkeit in der polizeilichen Arbeitspraxis und bildet gleichzeitig den polizeipraktischen Kern der Arbeit. In diesem umfangreich gestalteten Kapitel wertet der Autor seine fleißig zusammengetragenen Fälle sehr praxisnah aus und gelangt zu wichtigen Schlüssen für die Zukunft der polizeilichen Ermittlungsarbeit im Bereich der Alkoholdelikte im Straßenverkehr. Es wird an vielen Stellen dieses Teiles der Arbeit deutlich, dass sich der Verfasser in juristischer Theorie und polizeilicher Arbeitspraxis sehr gut in der Materie auskennt.

Der Verfasser leistet mit seiner Arbeit einen hervorragenden Beitrag zur besseren Einordnung der Bewertung alkoholbedingter relativer Fahruntüchtigkeit in der polizeilichen Arbeit. Es gelingt ihm vorzüglich, die inhaltliche Wichtigkeit dieses Themas gerade im Rahmen der anderen Aufgaben der Polizei darzustellen und dabei auf bekannte juristische Problemstellungen eindeutig und engagiert hinzuweisen. Seine fachliche Kritik ist jedoch – wie die des ersten Autors in diesem Themenband – nie destruktiv, sondern weist vielmehr eindeutig konstruktive Verbesserungsansätze auf, die in der Zukunft polizeilicher Ermittlungsarbeit der einschlägigen Alkoholdelikte der §§ 316, 315 c Abs. 1 Nr. 1a StGB beachtet werden sollten.

Prof. Dr. Dieter Müller

DE, Bautzen

Hochschullehrer

Institut für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten IVV Bautzen GbR

Publikationen: 238

Veranstaltungen: 5

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