Cash Pooling
Petra Korts,
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, MBA
Partnerin Korts Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Köln
(www.korts.de)
-Verborgene Risiken für Geschäftsführer und Gesellschafter-
Mit der Einführung des EURO hat eine Form des Liquidationsmanagements an Aktualität
gewonnen, welche bisher ihre Vorteile aufgrund der unterschiedlichen Währungen in Europa
nicht voll ausspielen konnte: das Cash Pooling.
Die sich eröffnenden neuen Möglichkeiten, sollten jedoch nicht die Probleme verdecken die
sich in der Praxis bei der Durchführung dieses Modells ergeben können. Besonders das Urteil
des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Haftung der Geschäftsführer der beteiligten Unternehmen
im Krisenfall und die Vorgänge um den Erwerb der Klöckner Gruppe durch die englische
Balli Gruppe haben exemplarisch die Schwächen und Gefahren dieses Modells vorgeführt.
Die Idee des Cash Pooling ist so einfach, wie seine tatsächliche Umsetzung schwierig ist:
Mehrere Unternehmen, zumeist eine Muttergesellschaft und ihre abhängigen
Tochtergesellschaften, führen ihre gesamte Liquidität auf einem Master Account zusammen,
um so die Liquidität aller Unternehmen zentral, kostengünstig und wirtschaftlich verwalten zu
können. Gesellschaften deren Konto im Minus sind, erhalten von dem Master Account einen
Ausgleich und müssen so keine teuren Fremdkredite aufnehmen. Der Master Account wird
von der Muttergesellschaft geführte oder bei der ausgelagerten Treasury. Selbstverständlich
ist das eingezahlte Geld für die Gesellschaften nicht verloren, an die Stelle des bisherigen
Auszahlungsanspruch gegen die Bank (Konto) tritt ein Rückzahlungsanspruch gegen die
Muttergesellschaft bzw. gegen die Treasury. Der Rückzahlungsanspruch kann jedoch erst bei
Austritt aus dem Cash Pooling-System geltend gemacht werden.
Gegen dieses System ist grundsätzlich nichts einzuwenden – doch wie überall, kommen die
wahren Probleme erst in der (finanziellen) Krise zum Vorschein. Über einen solchen Fall hat
kürzlich der BGH in einem Grundsatzurteil entschieden. In diesem Fall hatte die
Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaften verpflichtet dem unternehmensweiten Cash
Pooling-System beizutreten. Einige Tochtergesellschaften lagen in Ostdeutschland und
erhielten staatliche Beihilfen im Umfang von mehreren hundert Millionen Deutsche Mark, die
nur für diese Unternehmen verwendet werden durften. Dieses Geld floß jedoch automatisch in
den Cash Pool ein und wurde zum Großteil für die defizitären Tochtergesellschaften in
Westdeutschland verwendet. Irgendwann stand fest, dass der Master Account niemals die
eingezahlten Beträge an die ostdeutschen Tochtergesellschaften würde zurückzahlen können.
Der Master Account musste daraufhin Konkurs anmelden.
In den nachfolgenden Rechtstreitigkeiten wurden die einzelnen Herren Vorstände der
Muttergesellschaft persönlich auf Zahlungen in Höhe von jeweils DM 9,7 Mio. DM verklagt.
Nachdem die Gerichte der unteren Instanzen die Klage abwiesen, entschied der BGH als
letzte Instanz, dass grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch gegen die Vorstände bestehen
könne und hob die erstinstanzlichen Urteile auf.
Der BGH nahm das Urteil zum Anlaß, sich grundsätzlich zu Pflichten und Haftung der
Geschäfsführer und Gesellschafter der Mutter- und Tochtergesellschaften in solchen Fällen
von Unternehmenskrisen zu äußern – mit erheblichen Konsequenzen für diesen
Personenkreis.
Nach der Entscheidung trifft die beherrschende Muttergesellschaft eine zweistufige
Vermögensbetreuungspflicht. In der ersten Stufe hat die Muttergesellschaft beim Betrieb des
Cash Poolings darauf zu achten dass der Tochtergesellschaft immer und zu jeder Zeit die zu
Deckung des Stammkapitals erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen. Es ist also jederzeit
ein Betrag vorzuhalten, der das Ergebnis der Subtraktion „Aktiva der Tochtergesellschaft
abzüglich Verbindlichkeiten“ bis zum festgesetzten Stammkapital auffüllt. In der zweiten
Stufe hat die Muttergesellschaft das Vermögen der Tochtergesellschaft insoweit zu betreuen,
als sie bei ihren Dispositionen über Vermögenswerte der Tochtergesellschaft darauf zu achten
hat, dass die Tochtergesellschaft die fälligen Verbindlichkeiten bedienen kann. Das heißt
praktisch, dass trotz Cash Pooling die Tochtergesellschaft über die notwendige Liquidität
verfügen muss um nicht zahlungsunfähig zu werden. Der BGH spricht in diesem
Zusammenhang von „existenzvernichtenden Eingriffen“ der Muttergesellschaft. Sollte diese
Pflicht nicht beachtet werden, so haften die Gesellschafter für die Nachteile die dadurch
entstehen, dass der Gesellschaft Vermögen entzogen wird, das sie eigentlich zur Erfüllung
ihrer Verbindlichkeiten benötigt. Denn ein solches Verhalten stellt einen Mißbrauch der
Gesellschaftsformen dar, welche eine Beschränkung der persönlichen Haftung ermöglichen.
Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang, dass nicht nur die Gesellschafter haften, welche
die Rückzahlung erhalten haben, sondern auch die Gesellschafter die durch ihr Einverständnis
an dem Vermögensabfluß mitgewirkt haben.
Der BGH urteilte weiter zu den Pflichten der Geschäftsführung der Muttergesellschaft. Diese
haben die Tochtergesellschaften im Falle von eigenen Krisen oder Krisen anderer
Tochtergesellschaften zu informieren, soweit durch die Krise die Rückzahlungsansprüche der
Tochtergesellschaft gegen den Master Account/Treasury gefährdet sind. Ein Unterlassen
dieses Hinweises hat der BGH als Täuschung durch Unterlassen im Sinne § 263 Abs. 1
Strafgesetzbuch (Betrug) durch die Geschäftsführer der Muttergesellschaft gewertet. Aus der
strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Geschäftsführer folgt dann zusätzlich noch deren
persönliche zivilrechtliche Haftung.
Weiter sind die Geschäftsführer der Tochtergesellschaft Pflichten unterworfen, deren
Nichtbeachtung zur unmittelbaren unbeschränkten persönlichen Haftung führt. Er haftet nach
den Kapitalerhaltungsvorschriften persönlich dafür, dass nicht die Beträge an die
Gesellschafter zurückgezahlt werden, welche die Gesellschafter als Stammkapital eingezahlt
haben. Im Falle von Cash Pool besteht jedoch typischerweise diese Gefahr. Besonders
gefährlich ist diese Handlung, wenn der Rückzahlungsanspruch an den Master
Account/Treasury nicht mehr werthaltig ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die
Muttergesellschaft oder andere Tochtergesellschaften in die Krise geraten. Sollte dies
geschehen, so trifft den Geschäftsführer einen weitere Pflicht: eine Widerstandspflicht gegen
Anweisungen der Gesellschafter! Im Falle der Krise der Muttergesellschaft hat der
Geschäftsführer der Tochtergesellschaft die Pflicht unverzüglich die eingezahlten Gelder von
dem Master Account/Treasury zurück zu fordern. Anders lautenden Anweisungen der
Gesellschafter der Tochtergesellschaft hat er nicht zu beachten. Für den Geschäftsführer der
Tochtergesellschaft heißt dies, dass er im Fall der Krise jede neue Anweisung der
Gesellschafter und die laufenden Vereinbarungen mit der Muttergesellschaft auf ihre
wirtschaftlichen Folgen hin untersuchen muß.
Dabei muß zusätzlich beachtet werden, dass ein Geschäftsführer im Falle der
Zahlungsunfähigkeit seiner Gesellschaft zur Beantragung der Insolvenz verpflichtet ist. Ein
Verstoß gegen diese Verpflichtung ist eine Straftat und führt ebenfalls zu einer persönlichen
unbeschränkten Haftung des Geschäftsführers.
Die Risiken und Gefahren die mit der Einführung und der Praxis des Cash Pooling verbunden
sind, bedürfen auf jeder Ebene der Gestaltung daher unabdingbar einer erfahrenen
anwaltlichen Hilfe. Insbesondere der in Deutschland tätige Geschäftsführer eines Konzerns
muss das Maß seines persönlichen Risikos genau abschätzen.