Corporate Compliance: Aktuelle Rechtsprechung zur Organhaftung
Corporate Compliance: Aktuelle Rechtsprechung zur Organhaftung

Corporate Compliance: Aktuelle Rechtsprechung zur Organhaftung

Beitrag, Deutsch, 13 Seiten, Buse Heberer Fromm

Autor: Prof. Dr. Peter Fissenewert

Erscheinungsdatum: 2008


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Corporate Compliance: aktuelle Rechtsprechung zur Organhaftung

1.Persönliche Haftung des Aufsichtsrates
für sittenwidriges und
betrügerisches Verhalten des Vorstandes
einer Aktiengesellschaft
Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom
23.06.2008 (I-9 U 22/08) einem Aktienanleger
einen Schadenersatzanspruch
gegen den damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden
des Unternehmens zugesprochen.
Dem Aufsichtsrat ist nach diesem
Urteil Beihilfe zu sittenwidrigem und betrügerischem
Verhalten des Vorstandes
vorzuwerfen, wenn er von vornherein
nicht beabsichtigt hatte, die nötige Kontrolle
auszuüben, und deshalb konkreten
Verdachtsmomenten bewusst nicht
nachgegangen ist.
Die Aktiengesellschaft hatte zwischen
1999 und 2000 zehn Aktienemissionen
durchgeführt und an mehr als 6000 Anleger
außerbörslich Aktien veräußert. Insgesamt
wurden ca. 42 Mio. eingenommen.
Die Gelder wurden nicht in
werthaltige Anlagen investiert, sondern
überwiegend für Provisionszahlungen, luxuriöse
Repräsentationsaufwendungen
und Leasingfahrzeuge (BMW, Mercedes,
Ferrari) verwendet. Der Vorstandsvorsitzende
der inzwischen insolventen AG ist
vom LG Düsseldorf wegen Betruges und
Untreue zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe
verurteilt worden. Gegen den Aufsichtsratvorsitzenden
ermittelt die Staatsanwaltschaft
Düsseldorf.
Der klagende Anleger hatte im August
und Dezember 2000 über Telefonverkäufer
Aktien einer AG erworben und nach
deren Insolvenz den damaligen Aufsichtsratvorsitzenden
und den Vorstandsvorsitzenden
auf Schadenersatz verklagt.
Das Landgericht Düsseldorf hatte sowohl
den Aufsichtsrats- als auch den Vorstandsvorsitzenden
zur Zahlung von
Schadenersatz in Höhe von rund
6.300,00 verurteilt. Das Landgericht
vertrat die Ansicht, dass neben dem Vorstandsvorsitzenden
auch der Aufsichtsratvorsitzende
für die entstandenen Schäden
persönlich hafte, weil er seiner
Aufsichts- und Kontrollpflicht nicht nachgekommen
sei. Der Aufsichtsratvorsitzende
habe notwendige Nachforschungen
bewusst unterlassen und daher
zumindest bedingten Schädigungsvorsatz
hinsichtlich einer vorsätzlich sittenwidrigen
Schädigung des Klägers gehabt
(§ 826 BGB). Er habe sogar versäumt,
zum Zeitpunkt, als die Aufsichtsratsvergütungen
ausgeblieben sind und ihm die
Illiquidität der AG aufgefallen sei, Kontrollmaßnahmen
zu ergreifen.
Das OLG Düsseldorf hat die landgerichtliche
Entscheidung bestätigt und zur Begründung
ergänzend ausgeführt, dass
der Aufsichtsratvorsitzende jedenfalls den
dringenden Verdacht bezüglich betrügerischer
Verhaltensweisen des Vorstands
gehabt haben müsse. Der Aufsichtsratsvorsitzende
habe damit Beihilfe zum sittenwidrigen
und betrügerischen Verhalten
des Vorstandes geleistet. Das Urteil ist
rechtskräftig.
Hinweis für die Praxis:
Zwar ist nach ausdrücklicher Auffassung
der Düsseldorfer Richter der Aufsichtsrat
kein Garant für die Ordnungsmäßigkeit
der Unternehmensführung durch den
Vorstand. Zur persönlichen Haftung eines
Aufsichtsratsmitglieds kommt es aber
immer dann, wenn er ein strafbares oder
sittenwidriges Verhalten des Vorstandes
vorsätzlich veranlasst oder aktiv unterstützt.

2. Schwarze Kassen stets als
Untreue strafbar
Der Bundesgerichtshof hatmit Urteil vom
29.08.2008 (2 StR 587/07) entschieden,
das das Führen „schwarzer Kassen“ den
Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB) erfüllt.
Bereits mit dem Verschweigen der
Existenz der verdeckten Mittel ist die Untreue
zulasten des eigenen Unternehmens
vollendet. Wer seinem Unternehmen
Mittel vorenthält und in verdeckten
Kassen führt, entziehe ihm Vermögen
und schädige es – so der BGH. Diese
Grundsatzentscheidung traf der BGH im
Prozess um Schmiergeldzahlungen von
Siemens an den italienischen Stromversorger
Enel. Untreue könne auch dann
vorliegen, wenn die Unternehmensführung
die Handlungen dulde, denn maßgeblich
sei „allein der Wille der Anteilseigner“.
Es komme nicht darauf an, dass
der Mitarbeiter das Geld zugunsten des
Unternehmens einsetzen wollte (hier: um
einen Großauftrag zu erhalten). Auf die
Absicht, die Mittel zu einem späteren
Zeitpunkt nach eigenem Gutdünken wieder
zu Gunsten des Unternehmens zu
verwenden, kam es für die Frage einer
tatbestandsmäßigen Pflichtverletzung
nicht an.
Imkonkreten Fall lag zugleich ein Verstoß
gegen Compliance-Vorschriften des Unternehmens,
insbesondere gegen die arbeitsrechtlichen
Pflichten der leitenden
Mitarbeiter vor. Bereits durch die pflichtwidrige
Vorenthaltung der Geldmittel und
ihre Verwaltung in einemverdeckten Kontensystem
unter Verstoß gegen Buchführungs-
und Bilanzierungsrecht habe der
Angeklagte seiner Arbeitgeberin einen
Vermögensnachteil zugefügt. Auf den
Gewinn, den die Siemens AG aus dem
späteren Einsatz der Mittel als Schmiergelder
erwirtschaftete, kam es daher für
den Schuldspruch wegen Untreue nicht
mehr an.
Es spielt also keine Rolle, ob mit den
„schwarzen Kassen“ vielleicht Gewinn erwirtschaftet
wird oder nicht. Alleine das
„abschöpfen“ von Geldern um sie in
„schwarze Kassen“ fließen zu lassen,
reicht für die Erfüllung des Untreuetatbestandes
aus.
Hinweis für die Praxis:
Der BGH hat die Strafbarkeit für Manager
und Vorstände erheblich erweitert und bestätigt.
Die Bestrafung korrupter Mitarbeiter
wird damit bereits im Vorfeld etwaiger
Schmiergeldzahlungen die Regel. Der Abschied
von Bestechungskonten – für Geschäfte
im Ausland als nützliche Aufwendungen
früher sogar steuerlich begünstigt
– fällt offensichtlich schwer und wird doch
langsam schrittweise vollzogen – wie es
scheint, gegen die Beharrungstendenzen
(„gelebte Praxis“) in der Wirtschaft.
3. Haftung von Vorständen
für Falschangaben auf Werbeveranstaltung
Mit Urteil vom 02.06.2008 hat der
Bundesgerichtshof (II ZR 210/06) entschieden,
dass die Vorstände einer AG,
die auf einer Präsentationsveranstaltung
zum Einwerben der Mittel für eine Kapitalerhöhung
falsche Angaben zur Situation
der Gesellschaft machen, den Kapitalanlegern
gegenüber persönlich für die
Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit ihrer
Angaben haften.
Im Streitfall hatten die beklagten Vorstände
falsche Angaben zur finanziellen Situation
der Gesellschaft zum Teil auch unter
Bezugnahme auf einen Prospekt
gemacht und damit eine Reihe von Anlegern
zumErwerb von teilweise großen Aktienpaketen
veranlasst. Ein halbes Jahr
später wurde über das Vermögen der AG
das Insolvenzverfahren eröffnet. Der BGH
gab den Klagen der Kapitalanleger auf

Schadensersatz für die von ihnen investierten
Kapitalbeträge statt und führte
aus, dass die von einer aufklärungspflichtigen
Person (Garant) gegebenen
unrichtigen oder unvollständigen mündlichen
Informationen diesen als ein Verschulden
bei Vertragsschluss anzulasten
seien. Dies rechtfertige sich aus der Inanspruchnahme
eines „besonderen“
persönlichen Vertrauens:Wenn schon ein
durch einen Prospekt vermitteltes, typisiertes
und anonymes Vertrauen des Anlageinteressenten
eine persönliche Haftung
begründe, müsse dies erst recht
dann gelten, wenn Vorstände den Anlegern
bei Anbahnung des Vertrags einen
Prospekt oder sonstige Unterlagen mit
der Autorität ihres Amts bzw. ihrer besonderen
Sachkunde persönlich erläutern.

Prof. Dr. Peter Fissenewert

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