Das AGG, eine Belastung für die Branche Zeitarbeit
Das AGG, eine Belastung für die Branche Zeitarbeit

Das AGG, eine Belastung für die Branche Zeitarbeit

Beitrag, Deutsch, 3 Seiten, BD Blickpunkt Dienstleistung

Autor: Klaus Spazier

Erscheinungsdatum: 01.10.2006

Seitenangabe: 1-3


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Das AGG, eine Belastung für die Branche Zeitarbeit

 

Viele Rechtsvertreter sind der Meinung, dass mit dem neuen Gleichbehandlungsgesetz ein bürokratisches Monster geschaffen wurde, das zudem überflüssig ist, wie ein Kropf, da bereits bestehende Gesetze weitestgehend vor Diskriminierung jeglicher Art schützen.

 

Jammern hilft aber nicht mehr, das Gesetz ist in Kraft getreten und wird künftig neben dem privaten Geschäftsverkehr alle Bereiche der betrieblichen Personalarbeit beeinflussen. Da in der Personalüberlassung die Fluktuation der Arbeitnehmer höher anzusetzen ist als in jeder anderen Branche, ist auch die Gefahr von Sanktionen, die durch das Gesetz entstehen können, für die Zeitarbeit um ein vielfaches größer.

 

Im Bereich Arbeit und Beruf verbietet das AGG jegliche Benachteiligung wegen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Bei Verstößen drohen drastische Sanktionen. Der Betroffene kann Unterlassung, Schadenersatz und sogar Schmerzensgeld verlangen. Reagiert der Arbeitgeber nicht auf das Beschwerderecht eines Mitarbeiters, hat dieser sogar ein Leistungsverweigerungsrecht.

 

An erster Stelle ist grundsätzlich der Arbeitgeber von dem Gesetz betroffen. Er haftet in jedem Fall für das Fehlverhalten seiner Mitarbeiter. Da das gesamte Arbeitsrecht dem AGG unterstellt ist, drohen haftungsrechtliche Fallstricke von der Stellenausschreibung bis zu dem Zeitpunkt nach der Entlassung eines Mitarbeiters. Mit der Einbeziehung der Personalverantwortlichen ist aber der Kreis der betroffenen Personen bei weitem noch nicht vollständig. Da Benachteiligungen grundsätzlich verhindert und geahndet werden sollen, ist in einer Zeitarbeitfirma der Vertrieb mit den Bereichen Kundengewinnung, -beratung und –betreuung genau so betroffen. Das Tüpfelchen auf dem i ist dann noch die Verantwortung der Zeitarbeitfirma für die Diskriminierungen, die gegebenenfalls in den Entleihfirmen stattfinden.

 

Der Umgang mit diesem Gesetz, in dem zahlreiche Rechtsbegriffe vage und unbestimmt formuliert sind, wird nicht einfach werden. Wahrscheinlich wird die Rechtsprechung Jahre benötigen, bis einigermaßen fest stehen wird, was nach diesem Gesetz verboten und was erlaubt ist. Ein Regel-Ausnahme-Labyrinth und verschiedenen Spezialregelungen machen es nahezu unmöglich, verlässlich zwischen zulässiger und unzulässiger Benachteiligung zu unterscheiden. Fest steht schon jetzt, dass dieses Gesetz künftig viele der reichlich vorhandenen Rechtsvertreter in unserem Lande in Lohn und Brot bringen wird.

 

Sofortmaßnahmen in der Zeitarbeitfirma

 

Das Gesetz verlangt vom Arbeitgeber die Information bzw. Schulung aller betroffenen Arbeitnehmer im Betrieb.

 

Das AGG und der § 61b ArbGG (Klagefrist) sind im Betrieb auszuhängen. Eine  „Beschwerdestelle“ ist einzurichten und ebenfalls durch Aushang bzw. Rundschreiben bekannt zu machen. In diesem Rundschreiben ist auf die Unzulässigkeit von Benachteiligungen und auf die Folgen daraus (Umsetzung, Abmahnung, Kündigung) hinzuweisen. Bei einer Einstellung sollte der Empfang dieses Schreibens durch Unterschrift quittiert und der Beleg in der Personalakte abgelegt werden. Zu prüfen sind auch die Inhalte von Verträgen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Hierbei gilt zu bedenken, dass nicht nur die normalen Mitarbeiter und Personalverantwortlichen vom AGG erfasst werden. Auch der Umgang mit Kunden bedarf einer Sensibilisierung, da auch hier haftungsrechtliche Fallstricke drohen.

 

Natürlich muss man darauf hinweisen, dass angesichts der offenen Rechtslage eine präzise „Gebrauchsanweisung“ zum jetzigen Zeitpunkt sehr schwierig ist, trotzdem sollten alle Betroffenen bemüht sein, das Haftungsrisiko weitestgehend zu reduzieren.

 

Dies bedingt, dass unternehmerische Entscheidungen in jedem nur möglichen Fall ausgiebig dokumentiert werden müssen. Ein vermeintlich Benachteiligter braucht lediglich Indizien für seine Benachteiligung zu beweisen. Der Unternehmer muss dann den schwierigeren Gegenbeweis antreten.

 

Einige Handlungsempfehlungen:

 

Vor der Einstellung

 

·         Für jede zu besetzende Stelle ist ein ausführliches Profil zu erstellen. Dies kann später eventuell die Argumentation einer Entscheidungsfindung belegen.

·         Vorsicht bei diskriminierenden Vorgaben von Kunden.

·         Die Stellenausschreibung hat wie schon bisher geschlechtsneutral zu erfolgen. Die Anforderung von Fotos eines Bewerbers sollte genauso unterbleiben wie Fragen nach Alter, Geschlecht oder Geburtsort. Selbst Zeugnisse sollten nicht angefordert werden, da sie zu eventuellen Diskriminierungen die Grundlage liefern könnten. Die pauschale Aufforderung „aussagekräftige Bewerbungsunterlagen“ einzureichen muss genügen. Alle Informationen, die dann der Bewerber aus freien Stücken liefert, können unbedenklich verwertet werden.

 

Ausnahmen

 

Eine spezielle unterschiedliche Behandlung ist erlaubt, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Es kann Bedingungen geben, die für eine auszuübende Tätigkeit wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen stellen. Sind diese Fakten eindeutig, ist eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt.

 

Beispiele hierzu:

 

a)     Gerüstbauer und Dachdecker mit schwerer körperliche Behinderung sind für die Ausübung dieses Berufes nicht denkbar,

b)     „eine körperlich anspruchsvolle Tätigkeit“ signalisiert, dass Bewerber mit körperlichen Einschränkungen diese ausgeschriebene Tätigkeit offensichtlich nicht ausüben können,

c)     für die konkrete Tätigkeit eines weiblichen Modells für Modeaufnahmen wird die Benachteiligung von Männern akzeptiert,

d)     „fließend deutsch in Wort und Schrift“ kann nur dann verlangt werden, wenn diese Voraussetzungen zwingend zur Ausübung der Tätigkeit notwendig sind,

e)     „schwerbehinderte Menschen werden bei gleicher Qualifikation bevorzugt“. Als positive Maßnahme ist diese Aussage zulässig, obwohl sie Bewerber ohne Behinderung benachteiligt,

f)       „für Berufsanfänger geeignet“. Das Benachteiligungsmerkmal Alter wird umgangen, indem man mit dieser Umschreibung geringere Verdienstmöglichkeiten in Aussicht stellt,

g)     „Berufserfahrung erforderlich“ gibt zu erkennen, dass junge Bewerber nicht erwünscht sind.

 

Das Vorstellungsgespräch

 

Dieses Gespräch ist künftig sehr ausführlich zu dokumentieren. Wünschenswert wäre eine weitere Person eventuell als „Protokollführer/in“. Die bisherigen Bewerbungsbogen sind inhaltlich zu überarbeiten. Alle Fragen, die auch nur im geringsten Spekulationen auf irgendwelche Behinderungen zulassen würden, sind zu vermeiden. Alle Informationen, die ein/e Bewerber/in von sich aus unaufgefordert gibt, sind ohne Einschränkung zu verwenden.

 

Fällt die Entscheidung gegen einen Bewerber/in, ist sie beweissicher schriftlich zuzustellen. Auf Begründungen sollte verzichtet werden. Eventuelle telefonische Anfragen sollten nicht beantwortet werden. Verständlich ist sicher, wenn hier der Hinweis kommt, dass Mitarbeiter, die mit solchen Aufgaben betraut sind, entsprechend geschult sein sollten. Übrigens die dokumentierte Ablehnung eines Bewerbers sollte zwei Monate (Klagefrist) aufbewahrt werden.

 

Nach der Einstellung

 

Allen in einem Betrieb muss klar sein, dass keine Ungleichbehandlung geduldet wird. Die einzurichtende Beschwerdestelle ist erster Ansprechpartner für die, die sich benachteiligt fühlen. Berechtigten Beschwerden muss von der Geschäftsleitung nachgegangen werden. Wenn der Verleiher von Benachteiligungen im Kundenbetrieb erfährt, ist er, da er rechtlich in diesem Falle mithaftet, ebenfalls verpflichtet, gegen diese Benachteiligungen entsprechende Schritte zu ergreifen. Fingerspitzengefühl ist notwendig, da Kundenbeziehungen nicht gerne aufgegeben werden.

 

Kommt es dann irgendwann einmal zur Entlassung eines Mitarbeiters, so ist laut AGG das Kündigungsschutzgesetz dafür zuständig. Da man nach europäischem Recht der Meinung ist, dass dies nicht korrekt ist, ist abzuwarten, wie sich in diesem Punkt die Inhalte entwickeln. Vorsicht ist auf jeden Fall empfohlen.

 

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an den Autor

 

Klaus Spazier

inprogress – Service für Zeitarbeit

Telefon 04941 982400

Klaus Spazier

DE, Südbrookmerland

Geschäftsführer

inprogress - Service für Zeitarbeit

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