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Deutschland besteuert Singles und Doppelverdiener am höchsten

Deutschland gehört innerhalb der Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) laut der Studie „Taxing Wages“, die seit zwei  Jahrzehnten jährlich erstellt wird, zu den Ländern mit den höchsten Steuern und Abgaben für Arbeitnehmer. Auch Steuererleichterungen für Alleinerziehende und Zuwendungen wie der Kinderbonus von 300 Euro konnten nicht dafür sorgen, dass Deutschland bei der Besteuerung von Alleinstehenden und Doppelverdienern seine Spitzenposition unter den Hochsteuerländern verlässt. Verantwortlich dafür ist laut Experten der Steuerberater Solingen vor allem, dass auch andere Länder in den vergangenen Jahren entsprechende Maßnahmen eingeführt haben, die verhindern, dass Deutschland im internationalen Vergleich seine Position verbessern kann.

Hohe Steuern für Alleinstehende und Familien mit Doppelverdienern in Deutschland

Gemessen am Bruttoeinkommen werden Doppelverdiener und Alleinstehende im Vergleich zu den übrigen OECD-Mitgliedsländern besonders stark belastet. Ein Alleinstehender ohne Kinder mit einem Jahresbruttoeinkommen von 61.200 Euro muss in Deutschland laut der OECD 38,9 Prozent seines Einkommens entrichten. 18,8 Prozent davon entfallen auf die Einkommenssteuer, 20,1 Prozent auf die Sozialabgaben. In Ländern mit ähnlicher wirtschaftlicher Situation wie Frankreich und Österreich liegen diese signifikant niedriger.

Auch bei der Belastung von Familien mit Doppelverdienern gehört Deutschland innerhalb der OECD zu den Spitzenreitern. Obwohl Zuschüsse wie Kindergeld in der Studie der OECD gegengerechnet werden, ist die Belastung durch Steuern und Sozialabgaben für diese Bevölkerungsgruppe nur in Dänemark noch höher.

Platz 9. bei Steuern für Familien mit Alleinverdiener

Lediglich bei Steuern und Sozialabgaben für Familien mit einem Alleinverdiener liegt Deutschland außerhalb der Spitzengruppe. „Der Hauptgrund ist das Ehegatten-Splitting, das die Steuerbelastung senkt“, erklärt Michelle Harding, Steuerexpertin bei der OECD. Im Modellfall der Studie und unter Berücksichtigung der Arbeitgeber-Sozialabgaben liegt Deutschland mit einer Belastungsquote von knapp 33 Prozent auf dem neunten Platz. Der OECD-Durchschnitt liegt aber mit 24,4 Prozent noch deutlich niedriger. Positiv merkt die OECD an, dass die Durchschnittsquote im vergangenen Jahr um 1,1 Prozentpunkte gesunken ist. Es handelt sich dabei um die stärkste Minderung, seitdem Beginn der Messungen vor zwei Jahrzehnten. Die Belastungssenkung in Deutschland in dieser Kategorie übertrifft damit auch den Durchschnitt der OECD-Mitgliedsstaaten.

Steuerkeil in Deutschland leicht gesunken

Auch der von der OECD berücksichtigte Steuerkeil ist im vergangenen Jahr in Deutschland um 0,28 Prozent leicht gesunken. Es handelt sich dabei um eine Metrik, die die Kosten, die ein Arbeitgeber für einen Angestellten (Bruttogehalt und Arbeitgeber-Sozialabgaben) tragen muss, ins Verhältnis mit den Steuer- und Abgabenzahlungen der Arbeitnehmer setzt. Bei alleinstehenden Arbeitnehmer errechnet sich der Steuerkeil aus dem Durchschnittslohn und wie viele Einnahmen der Fiskus und die Sozialkassen aus einem Arbeitsplatz erzielen. Die OECD berechnet so die monetären Hürden für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen in einem Land.

Innerhalb der OECD Mitgliedsstaaten liegt Deutschland mit einem Steuerkeil von 49 Prozent auf dem zweiten Platz. Nur in Belgien ist die Belastung noch höher. Im Mittel liegt der Steuerkeil innerhalb der OECD bei 34,6 Prozent. Dies sind 0,39 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Studie zeigt überdies, dass der Steuerkeil in Deutschland seit Beginn der Studie vor zwei Jahrzehnten kaum gesunken ist. Vor 20 Jahren lag die Belastungsquote in Deutschland noch bei 52,9 Prozent.

Covid-19-Pandemie sorgt für geringere Steuern

Im Durchschnitt hat die Covid-19-Pandemie innerhalb der OECD zum größten Rückgang der Steuer- und Abgabenlast auf Arbeitseinkommen seit der Finanzkrise (2008/2009) geführt. Besonders die Steuern und Sozialabgaben für Familien ist signifikant zurückgegangen, weil sich in den meisten Mitgliedsstaaten die Regierungen bemühten, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie durch Konjunkturpakete und geringere Belastungen abzumildern. Gleichzeitig sorgten aber auch die bei vielen Personen geringeren Einkommen dafür, dass ihre absolute und relative Abgabenlast im vergangenen Jahr deutlich sank.

Laut Kritikern der Studie fokussiert sich die OECD bei der Berechnung der Belastung zu stark auf die Einkommenssteuer und die Sozialabgaben. Nutzt man als Betrachtungsbasis hingegen alle Steuern und Sozialabgaben im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung in Form des Bruttoinlandsproduktes (BIP), liegt Dänemark (46,3 %) und Frankreich (45,4 %) deutlich vor Deutschland (38,8 %), dessen Belastungsquote bei dieser Berechnung innerhalb der OECD nur auf dem elften Platz liegt.