In Sklaverei geboren (ZDF)
In Sklaverei geboren (ZDF)

In Sklaverei geboren (ZDF)

Mauretanien ist das Land mit dem höchsten Anteil an "traditionellen" Sklaven. Gespräch mit Thorsten Koch von Amnesty International Deutschland.

Interview, Deutsch, Eine Seite, ZDF - Zweites Deutsches Fernsehen

Autor: Thorsten Koch

Herausgeber / Co-Autor: ZDF

Erscheinungsdatum: 2003

Quelle: Zweites Deutsches Fernsehen

Seitenangabe: 2


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Résumé : Cet entretien par la deuxième chaîne de télévision publique allemande (ZDF) avec Thorsten Koch, expert de la Mauritanie auprès de la section allemande d'Amnestie Internationale, eut lieu en 2003, alors que la Mauritanie fut dirigé par Maaouiya Ould Sid'Ahmed Taya. Selon Koch, la caste d'exclaves est supérieure, en nombre, aux populations d'autres castes mauritaniens. Maintes Haratine - esclaves "maures noirs" mauritaniens, anciens esclaves et descendants d'esclaves - travaillent toujours en élevage et en tant que domestiques, "comme membres défavorisés de famille" incapables de surmonter leur dépendance socio-économique, leur approvisionnement dépendant du bon vouloir et de l'éducation des maîtres. L'asservissement initial des ancestres des actuels esclaves, en violation de principes des droits musulmanes, fut suivi de déclarations d'abolition, dont la dernière date de 1981, mais celle-ci est contrecarrée par une clause d'indemnisation en faveur des maîtres. Dès lors, une émancipation graduelle est en cours dans la capitale mauritanienne, Nouakchott, mais le gouvernement craint qu'un changement rapide pourrait menacer la paix sociale, et s'oppose à la discrimination positive.


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IN SKLAVEREI GEBOREN

Mauretanien ist das Land mit dem höchsten Anteil an "traditionellen" Sklaven. Gespräch mit Thorsten Koch von Amnesty International Deutschland.

von Judith Wienand ZDF, 23.08.2003*

"Die Sklavenkaste ist die zahlenmäßig größte Kaste in der maurischen Gesellschaft", sagt Thorsten Koch von Amnesty International. Er beschäftigt sich speziell mit Mauretanien. Obwohl 1981 Sklaverei in Mauretanien für abgeschafft erklärt wurde, verrichten noch immer unzählige schwarze Menschen Sklavenarbeit für ihre Herren arabisch-berberischer Abstammung. Denn das Gesetz ohne Durchführungsbestimmung enthielt einen Passus, wonach die Herren eines Sklaven für dessen Freilassung Entschädigung verlangen konnten.

Die Haratin, mauretanische Sklaven, ehemalige Sklaven und Nachkommen von Sklaven, sind für Hausarbeit genauso zuständig wie für Viehzucht. "Sie gehen zum Einkaufen auf den Markt, verrichten schwere Arbeiten. Die Herren machen sich die Hände nicht schmutzig", sagt Koch. "Auch den Tee würden sie in der Regel nicht selbst zubereiten." Die Sklaven zählen für die Mauretanier laut Koch zur Familie, allerdings als unterprivilegierter Familienteil. Die Herren versorgen ihre Diener mit Essen und Trinken und geben ihnen ein Dach über dem Kopf. Wie ernst sie es mit der Versorgung ihrer Sklaven nehmen, liegt allerdings in ihrem eigenen Ermessen. Es ist eine Frage von "Stolz, Bildung und Persönlichkeit des Herren", so Koch. Statistiken darüber gebe es keine.

Grundlegende Rechte verwehrt
Nach der Sunna, der islamischen vorbildlichen Lebensführung, ist die Versklavung anderer Muslime verboten. Die Vorfahren der heutigen Sklaven waren vor ihrer Versklavung bekehrt worden, sollten somit unter den Schutz der islamischen Gesetze fallen. Doch die privilegierten mauretanischen Kasten nahmen darauf keine Rücksicht . . .

Die Tatsache, dass die Sklaven von ihren Herren wenigstens mit dem Nötigsten verpflegt werden, führen heute einige als Grund für den Fortbestand der Abhängigkeit an. Befürworter sagen laut Koch, man könne die Sklaven "aus sozialen Gründen nicht von ihren Stämmen und Familien trennen".

Rechtlich frei und doch gebunden
"Es werden hier keine Menschen mehr neu versklavt", so Koch. "Bei den heutigen Sklaven handelt es sich um die Nachkommen von vor ewigen Zeiten versklavten Menschen." Rechtlich gesehen sind sie keine Sklaven mehr, aber praktisch ist es für sie schwer, sich aus der vererbten Abhängigkeit zu lösen.

"Möchte eine Sklavin ihren Herren verlassen, kommt es vor, dass der sagt: 'Wir waren doch verheiratet. Die Kinder sind auch meine Kinder', weiß Koch. [In ländlichen Gebieten] entscheidet dann der Dorfrichter, der oft auf der Seite des Herren steht. Will sich die Frau nicht von ihren Kindern trennen, muss sie bleiben.

Regierung forciert Hilfe nicht
Vor allem auf dem Land trauen sich die meisten Sklaven nicht, für ihre Freiheit zu kämpfen. In der Hauptstadt gibt es nach Angaben Kochs eine "schleichende Emanzipation". Sie wird aber nicht von der Regierung forciert. Koch: "Die Regierung fürchtet, dass durch eine schnelle Emanzipierung ein zu starker Wandel in der Gesellschaft ausgelöst würde, der den sozialen Frieden gefährden könnte." Da wartet man lieber und lässt es langsam angehen. Politisches Engagement für die Sache der Haratin sei nicht gerne gesehen.

Visumsanträge, die Amnesty International gestellt hat, um die Sklavenberichte offiziell zu untersuchen, sind nicht beantwortet worden. Gespräche mit dem mauretanischen Botschafter in Berlin sind laut Koch nie zustande gekommen, da der sich verleugnen ließe. Berichte, die Amnesty International zur Lage in Mauretanien verfasst hat, basieren auf Augenzeugenberichten und Berichten von Organisationen außerhalb der Regierung.

"Konflikt an den Wurzeln angehen"
Solange die Regierung nicht die nötigen Schritte einleitet, bleibe es schwer, sinnvoll gegen die Sklaverei vorzugehen. Spendenaktionen, wie sie beispielsweise Christian Solidarity International betreibt und durch die Verschleppte im Südsudan freigekauft werden sollen, unterstützt Koch übrigens nicht: Es bestehe die Gefahr, dass damit der Handel erst richtig in Schwung gebracht werde. "Es ist jedenfalls keine nachhaltige Lösung. Man muss auch diesen Konflikt an seinen Wurzeln angehen."

* korrigierte und gekürzte Fassung des ursprünglich veröffentlichten Textes.


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Mots-clés : Mauritanie, esclavage, Thorsten Koch, Section allemande d'Amneste Internationale, ZDF, Ould Taya, maures noirs , Haratine, caste, maîtres, élevage, domestiques, défavorisation, asservissement anti-islamique, abolition, clause d'indemnisation, émancipation graduelle, Nouakchott, discrimination positive

Thorsten Koch

DE, Ippenschied

Journalism, Research, Security

Thorsten Koch, Mauretanien-Experte

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