Mehr Gewicht den Emotionen
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Agenturchef René Heymann über die Inszenierung von Messen als Marke und die Versäumnisse der Veranstalter

Interview, Deutsch, 2 Seiten, W&V Werben und Verkaufen

Autor: Anna Hansen

Erscheinungsdatum: 02.07.2009

Seitenangabe: 46-47


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WERBUNG FÜR MESSEN FEHLT DER MUT ZUR MARKE Agenturchef René Heymann über die Inszenierung von Messen als Marke Die letzten Jahre brachten Rekordergebnisse für die Messebranche. Die AUMA (Ausstellungs- u. Messe-ausschuss der deutschen Wirtschaft e.V.) verweist auf drei Wachstumsjahre hintereinander. Doch die fetten Jahre sind vorbei. Die Finanz- und Wirtschaftskrise setzt auch Messebetreiber unter Druck: Im letzten Herbst wurde die Münchner Systems, die älteste Computermesse Deutschlands, für dieses Jahr abgesagt, die CeBIT verlor 2009 ein Viertel ihrer Aussteller und auch Messebetreiber von weniger Krisen geschüttelten Branchen spüren die Zurückhaltung von Ausstellern und Besuchern. Der Überzeugungsbedarf nimmt dementsprechend zu. Das weiß auch René Heymann, der mit seiner Werbeagentur seit über sechs Jahren internationale Messen bei ihrer Markenkommunikation unterstützt. Zu den aktuellen Kunden von HEYMANN BRANDT DE GELMINI zählen u.a. die Leitmessen IFA (Internationale Funkausstellung) und die internationale Grüne Woche. Seit kurzem auch die ITB (internationale Tourismus Börse), die HEYMANN BRANDT DE GELMINI gegen 15 Agenturen im Pitch gewann. Der Auftritt für die ITB 2010 wird aktuell gerade vorbereitet. Im nachfolgenden Interview erläutert der Agenturchef, wie man Messen zu Marken macht. Welchen Stellenwert hat Markenkommunikation bei Messeveranstaltern? Leider noch einen zu geringen. Messeveranstalter betreiben noch viel zu selten konsequente Markenkom-munikation. Um ihre Messe-Marke zu entwickeln und konsistent zu kommunizieren, müssten sie sich viel stärker mit der Identität und Philosophie ihrer Messe-Marke beschäftigen. Eine klare Positionierung fehlt oft. Das kommt im Alltag meist zu kurz. Wer schon mal an einem Pitch für eine Messe teilgenommen hat, weiß dass die Veranstalter auf die Frage nach dem Kern ihrer Marke oft keine präzise Antwort haben. Gerade bei der Frage nach dem Leistungsversprechen für die Zielgruppe der Privatbesucher geraten viele ins Straucheln. Was bedeutet das fehlende Markenbewusstsein für die Kommunikation? Bei der Analyse von Messekommunikation fällt auf, dass die Branche häufig nach dem Prinzip „one size fits all“ kommuniziert. Meistens handelt es sich um Announcement-Kampagnen, in denen das Event als solches angekündigt wird. Um möglichst alle Besuchergruppen auf einmal zu adressieren, werden dabei möglichst viele Inhalte in einem einzigen Motiv visualisiert. Das bedeutet automatisch einen Verzicht auf die Fokussierung konkreter Bedürfnisse einzelner Zielgruppensegmente. Aber wer alle Messemerkmale und alle Botschaften für alle Zielgruppensegmente unter einen Hut bringen will, geht ein hohes Risiko ein: Am Ende fühlt sich keiner richtig angesprochen. Es fehlt der aktivierende Benefit. Dabei müssten vor dem Hintergrund eines rückläufigen Marktes die Fach- und Privatbesucher viel individueller und überzeugender umworben werden. Denn bleiben die Messebesucher weg, ziehen sich bald danach die Aussteller zurück und umgekehrt. Wie findet man denn den „aktivierenden Benefit“ einer Messemarke? Indem man sich folgende einfache Fragen beantwortet: 1-Was bekommt der Privatbesucher nur auf meiner Messe geboten? Welches Angebot bekommt er auch außerhalb der Messe geboten? Warum soll er Eintritt bezahlen, Stress haben und Geld für den Besuch ausgeben? 2-Welchen Grund hat der Fachbesucher, auf eine Messe zu gehen? Und wo bekommt er dieses Angebot außerhalb der Messe geboten? 3-Warum sollte der Handel auf die Messe gehen? Was kann er hier erreichen, was er nicht anderswo auch erreichen kann? 4-Warum sollte der Anbieter ausstellen? Welches Alternativangebot hat er? Wer sich mit diesen Fragen intensiv und kritisch auseinandersetzt, kann die richtigen Botschaften entwickeln und fokussiert Begehrlichkeiten bei allen Zielgruppen – Aussteller, Handel, Fachbesucher und Privatbesucher – wecken. Welche Rolle spielt das Event für die Kommunikation? Messen sind Erlebnisse – Events der Sinne: Nur hier können die Besucher Produkte testen, Maschinen in Aktion sehen, Materialien anfassen und Nahrungsmittel schmecken und riechen. Messen sind mehrdimensionale Markenerlebnisse. In der Markenkommunikation für Messen sollte die emotionale Ansprache viel stärker an Bedeutung gewinnen. Wenn man sich jedoch die Messen in Deutschland betrachtet, dominiert in der Praxis leider oft die trockene Sachinformation. Welche Rolle spielt die Kreativität bei der Kommunikation aus Ihrer Sicht? Kreativität ist neben Kontinuität auf dem Weg zur Marke ein wichtiger Baustein. Hier fehlt es den meisten Messen an Mut. Bei unserer Kampagne für die Internationale Grüne Woche 2009 hat die Messe Berlin bewiesen, wie es funktionieren kann: Das Management war bereit, einen neuen Weg zu gehen, radikal mit den bisherigen Standards der Messekommunikation zu brechen und statt dessen auf die Mechanismen der klassischen Markenführung zu setzen. Die Planung der Kampagne erfolgte in vier Phasen: Schritt 1: Isolierung relevanter Benefits und darstellbarer Unterscheidungsmerkmale. Schritt 2: Definition EINER Kernzielgruppe. Schritt 3: Vereinfachen und Reduzieren der Botschaften, Konzentration auf EINE Kernbotschaft und auf die Essenz der Marke. Schritt 4: Entwicklung einer markenbildenden Kampagne, die mittel- und langfristig tragbar ist. Das zentrale Versprechen für den Besuch der Veranstaltung lautet „Alles auf einmal erleben“ – eine Aussage, die in dieser selbstbewussten Absolutheit tatsächlich nur die Internationale Grüne Woche als weltweit größte Verbrauchermesse für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau für sich reklamieren kann. Die Kampagne stützt und verstärkt diese Kernbotschaft und bringt sie in der visuellen Umsetzung auf den Punkt. Gleitzeitig tut sie noch mehr: Der plakative und reduzierte Bildaufbau sowie der einfache und doch intelligente visuelle Bruch schaffen Aufmerksamkeit, provozieren und stärken damit Merkfähigkeit und das Involvement. Wie ist die Grüne Woche-Kampagne bei den Messebesuchern angekommen? Das Feedback war extrem positiv. Bei der Besucherbefragung mit einer Stichprobe von 2.674 Messebesuchern ab 14 Jahren ergab, dass 66% die Kampagne gut bis sehr gut fanden. Das Motiv mit dem Apfel ist besonders in der jüngeren Altersgruppe der bis 30-Jährigen beliebt. (37%) Ob der Apfel mit Kuhfell, die Birne mit Entenschnabel, die Walnuss mit Kükenbeinchen oder die Paprika mit Stierhörnern – die Bildsprache ist klar, die Botschaft verständlich und der Auftritt einheitlich. Die Kampagne ermöglicht zudem die gezielte Ansprache von unterschiedlichen Zielgruppensegmenten. Darüber hinaus legt sie durch ein schier unerschöpfliches Potenzial an Folgemotiven den Grundstein für eine stringente Markenführung in den kommenden Jahren. Wie groß ist der Einfluss der Kommunikation auf die Marke? Kommunikation kann immer nur unterstützen. Die Markenbildung erfolgt auf vielen Ebenen: Inhalte, Aussteller, Publikum, Standort... alles muss stimmig sein und ineinander greifen. In Berlin konnte man das bei der Berlinale in den letzten Jahren gut beobachten. Nach Jahren harscher Kritik genießt die Berlinale heute wieder einen sehr guten Ruf. Dieter Kosslick hat sie zu einem international anerkannten Event gemacht. Die integrierte Filmmesse European Film Market (EFM) hat sich zu einem der wichtigsten Business-Events in der internationalen Filmbranche entwickelt. Wettbewerb und EFM, Festival und Filmmarkt zahlen alle auf ein gemeinsames Konto ein. Weitere Erfolgsfaktoren sind der Standort und das Berliner Publikum. Im Fall der Berlinale muss man sagen, funktioniert die Markenbildung eher trotz der begleitenden Werbekampagne. Dies zeigt aber umso mehr wie wichtig der Faktor Glamour bzw. Entertainment für Großveranstaltungen wie auch für Messen ist. Wie könnten Messeveranstalter ihre Kommunikation verbessern? Wer seine Marke profilieren will, muss sich klar positionieren. Sich fokussieren heißt, sich entscheiden. Hier fehlt es oft an Mut. Darüber hinaus sollten Messeveranstalter einen längeren Atem bei der Kommunikation beweisen und mehr Stringenz in ihren Auftritt bringen. Es ist kontraproduktiv und oft viel teurer und unsinnig, jährlich eine neue Markenbotschaft zu entwickeln. Zudem verliert die Marke an Relevanz. Dabei macht es der Handel vor, wie es gehen kann. Das Markenversprechen z.B.: „Ich bin doch nicht blöd“ (Media Markt), wird quartalweise mit neuen Ideen der Agentur untermauert und somit verstetigt. Somit bekommt die Zielgruppe immer mehr Argumente an die Hand warum die Markenbotschaft: „Ich bin doch nicht blöd“ immer mehr Relevanz und damit Begehrlichkeit erzeugt. Dies ist umso interessanter, als dass der Handel in diesem Beispiel den indirekten Wettbewerb zur Messe darstellt. Der erkennbare und echte USP dabei ist für alle Zielgruppen übergreifend der Erlebnisfaktor Messe. Denn nur hier kann ich die Marken und Unternehmen dreidimensional erleben und erfassen. Und nur hier habe ich die Informationsunabhängigkeit. Beides ist im Handel so nicht darstellbar. Damit sind hier schon drei wesentliche Merkmale definiert, die alle Messen eint: Entertainment, Erlebnis und unabhängige Information. Ich finde dafür lohnt sich ein Messebesuch allemal. Kurzinfo zur Agentur: Die HEYMANN BRANDT DE GELMINI Werbeagentur AG ist am 1.1.2009 aus der Wiedervereinigung von Heymann Schnell und Brandt & de Gelmini entstanden. Unter dem Claim „Du sollst nicht langweilen“ betreut die Agentur seit 22 Jahren internationale und nationale Kunden wie ALBA BERLIN Basketballteam, Eisbären Berlin, Europastadt Görlitz, Fleurop, Fläminger Jagd, Grüne Woche, IFA, ITB, InterContinental Hotels & Resorts (Central & East Europe), Yeni Raki, Q-Cells, Vattenfall und Terre des Femmes. Mehr unter: www.du-sollst-nicht-langweilen.de

Anna Hansen

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