Mobber hinter Gittern?
Mobber hinter Gittern?

Mobber hinter Gittern?

Rezension, Deutsch, 4 Seiten, Rechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Frank Sievert

Autor: Dr. Frank Sievert

Erscheinungsdatum: 23.02.2007


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Besprechung der Dissertation: „Mobbing am Arbeitsplatz - Strafbarkeitsrisiko oder Strafrechtslücke“ von Dr. Christiane Mühe. Erschienen im Verlag Duncker & Humblot Berlin,  ISBN 3-428-12208-9. Preis: 84,00 Euro.

Die Autorin, Dr. Christiane Mühe, hat  als Thema ihrer Dissertation die Strafbarkeit des Mobbings unter aktueller Rechtslage bei gleichzeitiger Unterbreitung eines Gesetzgebungsvorschlages gewählt. Der anspruchsvolle Untertitel lautet dann auch: „Eine Betrachtung aus gegenwärtiger und zukunftsorientierter Perspektive“.  Zum Inhalt:


In der Vergangenheit sind  durch umfangreiche Forschung auf dem Gebiet des Mobbings und entsprechende Fachpublikationen die arbeits- und sozialrechtlichen Aspekte des Mobbings wissenschaftlich untersucht worden.  Eine fundierte Auseinandersetzung mit den strafrechtlichen Folgen der Mobbinghandlungen fand sich bisher in der einschlägigen Fachliteratur  nicht. Diese Lücke wird durch das besprochene Werk geschlossen.

Wurde, wenn überhaupt, bisher die Strafbarkeit des Mobbingverhaltens lediglich auf der Grundlage der einzelnen in Betracht kommenden Delikte untersucht, so findet sich   in der hier besprochenen Dissertation ein übergreifender, rechtspolitischer Ansatz. Die Autorin definiert in einem mehrstufigen Verfahren zuerst den Begriff Mobbing, um dann auf der Basis des bestehenden Strafrechts die Probleme bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs aufzuzeigen.  Im Anschluss an die differenzierte Darstellung des Status Quo wird, unter Hinweis auf die Rechtslage in  unseren Nachbarländern, der Entwurf eines eigenständigen strafrechtlichen  Mobbingtatbestandes unterbreitet.

Gegliedert in vier Kapitel befasst sich die Autorin nacheinander mit der Definition des Begriffes Mobbing, dem strafrechtlichen „Status quo“, Vorschlägen zur Verbesserung des Opferschutzes, sowie der Darstellung eines eigenständigen Straftatbestandes. 

Das erste Kapitel handelt, mit anschaulichen Beispielen aus der bundesdeutschen Rechtspraxis angereichert, neben den sattsam bekannten Mobbingdefinitionen die arbeitsrechtlichen und sozialen Folgen des Mobbings für die Betroffenen ab. Hierbei wird bewusst eine geraffte Darstellung gewählt. Auf  eine theoretische Auseinandersetzung mit den verschiedenen soziologischen und arbeitsrechtlichen Mobbingdefinitionen wird verzichtet.

Den  praktischen juristischen Schwerpunkt des Buches  bilden die in den Kapiteln zwei und drei niedergelegten Darstellungen des strafrechtlichen Status quo sowie  differenzierte Überlegungen zu einem eigenständigen Mobbingtatbestand als Ergänzung des bestehenden Strafrechts. Schon der Umfang dieser Kapitel, die fast zwei Drittel des Gesamtvolumens der Abhandlung  ausmachen, verdeutlicht dies eindrucksvoll.

Genau diese Kapitel sind es, die zum Weiterlesen animieren sollen.

Abweichend vom sonst üblichen Vorgehen versucht die Autorin einen Leitfaden für den Leser zur strafrechtlichen Verfolgung von Mobbing  zu entwickeln. Auch für den juristischen Laien ist nach Lektüre des Buches eine  strafrechtliche Einschätzung der gegen ihn gerichteten Handlungen möglich. Das zu besprechende Buch ermöglicht es selbst dem strafrechtlich unerfahrenen Leser, seine eigenen Mobbingerfahrungen unter dem Gesichtspunkt der Strafverfolgung zu beurteilen.

Dass Beleidigungen gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten strafbar sind, ist für die meisten Vorgesetzen ebenso einsichtig, wie die Strafbarkeit eigener körperlicher Übergriffe gegenüber Mitarbeitern und Kollegen. Auf leider weit verbreitetes Unwissen stößt indes die Strafbarkeit durch Unterlassen. Der hier zu besprechenden Arbeit ist es zu verdanken, dass dieses, den Nichtjuristen kaum geläufige, aber enorm praxisrelevante  Problem,  in  allgemein verständlicher Sprache abgehandelt wird.

Auf den ersten Blick erstaunt es die Nichtjuristen, dass jemand sich dadurch strafbar machen kann, dass er „nichts tut“. Der besprochenen Arbeit ist es zu verdanken, dass für Entscheidungsträger aus Firmen und Behörden deren eigenes Strafrisiko offen gelegt wurde. Die weit verbreitete Auffassung der Vorgesetzten beim Mobbing durch oder zwischen Mitarbeitern die regelmäßig lautet „das geht mich nichts an, regelt eure Streitigkeiten allein“ kann sich als trügerisches „Aus der Verantwortung ziehen“ herausstellen. Entgegen der weit verbreiteten Auffassung ist derjenige, der wegsieht, eben nicht „aus dem Schneider“.

Wer als Vorgesetzter das für ihn ersichtlich strafbewehrte Verhalten seiner Mitarbeiter gegenüber einem anderen Kollegen nicht unterbindet, der kann sich unvermittelt selbst auf der Anklagebank wieder finden. Der Verfasserin gebührt es, als erste in einer auch für den Laien verständlichen Form dieses Kernproblem für Vorgesetzte und Entscheidungsträger dargestellt zu haben.

Der strafrechtliche  Ansatz dieses Werkes bringt dem Leser Erkennen und Verfolgen von Mobbingdelikten  näher, wobei der Schwerpunkt auf Darstellung der bestehenden Tatbestände und deren praktischer Verwertbarkeit zur Verfolgung von Mobbingdelikten liegt. Verdienstvoll an dieser Stelle ist die umfangreiche Analyse der strafrechtlichen Theorien, die unter anderem das Problem der Strafbarkeit durch Unterlassen  in allgemein-verständliche Formen kleidet.

Weiterhin gelingt es erstmals überzeugend, den Bedarf für einen eigenständigen Mobbingtatbestand aufzuzeigen. Exemplarisch für die bisherigen Probleme bei der strafrechtlichen Verfolgung von Mobbing werden im zweiten Kapitel die Beweisschwierigkeiten im bestehenden Strafrecht analysiert.

Nie versäumt die Autorin hierbei den Blick auf die Rechtslage in unseren Nachbarländern.

In Schweden und Frankreich wurden die Überlegungen zur Strafbarkeitslücke bei Mobbingdelikten bereits in konkrete Gesetze umgesetzt. Während in Schweden, der skandinavischen Tradition folgend, der Schwerpunkt auf Vermeidung des Mobbings gelegt wurde, findet sich in Frankreich der Schwerpunkt im repressiven Bereich. Hier wurde ein eigener Straftatbestand geschaffen. Bemerkenswert an der französischen Lösung ist, dass der mobbende  Mitarbeiter neben einer Geldstrafe auch mit einer Freiheitsstrafe belegt werden kann.

Der Höhepunkt der Arbeit ist dann auch der Ausblick auf eine zu schaffende  zukünftige eigenständige Strafnorm im vierten  Kapitel.

Unter Einbeziehung der bereits in Frankreich und Schweden geschaffenen arbeits- und strafrechtlichen Mobbingtatbestände entwirft die Verfasserin im  vierten Kapitel  einen in sich stimmigen strafrechtlichen Tatbestand.  Der vorgeschlagene Tatbestand könnte, das ist das besondere Verdienst der Autorin, ohne Änderungen  in das Strafgesetzbuch übernommen werden.

Wer eigene Strafbarkeit vermeiden oder fremde Strafbarkeit im Zusammenhang mit Mobbing nachweisen will, der kommt an der hier besprochenen Dissertation nicht vorbei. 

Auch der Unternehmer, in dessen Firma Vorgesetzte Untergebene schikanieren, vermag direkten Nutzen zu ziehen. Allein  der Hinweis an die mobbenden Kollegen und Vorgesetzten, dass das Verhalten strafbar ist, wird manchen Konflikt zu beenden helfen. Denn den allermeisten Mitarbeitern ist bewusst, dass strafbare Handlungen gegen das Unternehmen oder die Mitarbeiter die Kündigung nach sich ziehen können.  Mithin wird von der Autorin ein Buch geliefert, dass das Wissen der Juristen um den für den praktischen
Erfolg so wesentlichen strafrechtlichen  Hintergrund erweitert.

Alle  Mobbingbetroffenen als auch strafrechtlich tätige Anwälte, Entscheidungsträger mit Personalverantwortung sowie leitende Mitarbeiter  sollten sich mit dem Buch näher auseinandersetzen. Denn nur wer Mobbing in seiner Komplexität aus soziologischen, wirtschaftlichen, psychologischen und juristischen, insbesondere strafrechtlichen  Komponenten  erfasst, kann wirksam dagegen vorgehen.

Dr. Frank Sievert

DE, Hamburg

Rechtsanwalt

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