Sonnenkönig-Management
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Sonnenkönig-Management

Beitrag, Deutsch, 2 Seiten, FINANCE

Autor: Klaus Schuster

Erscheinungsdatum: 12.11.2009


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Sonnenkönig-Management

Ich würde gerne behaupten, daß mich nichts mehr überraschen kann. Doch als dieser junge Filialleiter vor mir stand, war ich nicht schlecht überrascht. Der Vorstand hatte seine Verkaufszahlen drastisch erhöht (neue Eigentümer!). Um diese neuen Ziele zu erreichen, hatte er ihm weiter vorgegeben, die Hälfte seiner administrativen Mitarbeiter zu Verkäufern zu machen. Genau das hatte er auch getan. Ich fragte ihn, als ich seine Filiale besuchte:
„Haben Sie das denn vorher mit den betroffenen Mitarbeitern besprochen?“
„Klar, ich habe denen gesagt, daß sie ab morgen Verkäufer sind!“
„Haben Sie nachgeprüft, ob die das überhaupt können oder wollen?“
„Die müssen das können, dazu haben sie schließlich ihre Verkaufsziele!“
„Und wenn das einige nicht schaffen?“
„Dann werfe ich die raus!“

Ich habe dem Bankvorstand vorgeschlagen, nicht zu warten, bis der Filialleiter mit dem großen Rauswurf beginnt, sondern diesen vorher an ihm selbst zu praktizieren. Warum? Zum einen: Was der Junge da anrichtete, ist Sklavenhalter-Kapitalismus. Schlicht unmenschlich. Manager müssen manchmal hart sein, doch was der Youngster da anrichtete, ging zu weit. Zum anderen: Wenn der Filialleiter seine Mitarbeiter unmenschlich behandelt, behandeln diese ihre Kunden unmenschlich. Und mit unmenschlich behandelten Kunden lassen sich ehrgeizige Vertriebsziele nicht erreichen. Einmal ganz abgesehen davon, daß vorhersehbar war, wann die ersten frustrierten Mitarbeiter kündigen würden. Und wie will man mehr Geschäfte mit Kunden machen, deren Kundenbetreuer alle paar Monate wechselt – und die Kundenbasis binnen Monaten schwer beschädigt wird. Wie konnte dem Jungmanager bloß so eine Brutalität unterlaufen?

Brutal? Er doch nicht! Er war sich keiner Schuld bewußt. Im Gegenteil! Er fühlte sich unschuldig verfolgt. Immerhin führte er die Direktive seines Vorstands wortgetreu aus. Ohne nachzudenken. Das ist der springende Punkt. Wenn der Vorstand mir etwas vorgibt, dann kann ich das nicht einfach blind ausführen. Schließlich bin ich kein bloßer ausführender Mitarbeiter, sondern Manager. Ergo: Ich muß mitdenken. Ich muß mir überlegen: Wenn das meine Direktive ist – wie setze ich diese dann so um, daß die Erfolgswahrscheinlichkeit maximal ist? Und wenn die neue Direktive mit einigen meiner Mitarbeiter nicht hinhaut, muß ich zum Vorstand gehen und ihm meine eigenen Vorschläge unterbreiten. Tat der betreffende Filialleiter aber nicht. Er führte blindgehorsam aus – und hätte seinen Vorstand ins Messer laufen lassen. Denn dieser sah nur: 50 Prozent der Mitarbeiter sind nun Verkäufer. Alles scheinbar in Ordnung! Daß die Verkaufszahlen nicht aus dem Keller kommen, hätte er erst viel später gesehen. Zu spät. Warum? Weil der Vorstand nicht kontrollierte! Er sah nur: Alle Verkäufer sind schon da – erledigt. Es wurde nicht kontrolliert, wie der Filialleiter ausführte, was er ausführte. Erst als ich in der Filiale auftauchte und mich nicht von den Zahlen blenden ließ, sondern mit ihm und seinen (stinksauren) MitarbeiterInnen redete, flog die Sache auf. Leider kann ich nicht überall sein.

Ist auch nicht nötig. Ich kenne Vorstände der Best Practice, die sehr wohl verstanden haben, wie man kontrolliert. Nicht (nur) vom Schreibtisch aus. Die besuchen hin und wieder eine Filiale. Und schauen nicht (nur) die Zahlen an. Denn die Zahlen sagen: Alles in Ordnung – 50 Prozent der Mitarbeiter sind nun Verkäufer! Dasselbe hätte auch ein Revisor beim Blick aufs Organigramm gesehen: Direktive ausgeführt, alles i.O.! Ein guter Vorstand, der noch Management by Walking around beherrscht, läßt sich von Zahlen nicht täuschen. Er redet mit den FilialmitarbeiterInnen. Er hört heraus, daß Mitarbeiter, die seit 30 Jahren Administration machten und nun plötzlich verkaufen müssen, auf 180 sind – und die Kundenbasis binnen Monaten schwer beschädigen werden. Wenn das Filialnetz zu groß ist, um besucht zu werden, hat der Vorstand seine zuverlässigen Zuträger. Informanten in der Zentrale, die einen besonderen Draht „nach draußen“ haben und denen er vertrauen kann, daß sie keine wilden Gerüchte in Umlauf setzen, sondern das Gras in „ihren“ Filialen wachsen hören. Hört es auf zu wachsen, kann man immer noch einen Besuch abstatten und die Lage vor Ort sondieren. Warum wird das heute so selten gemacht?

Weil Vorstände heute leider viel zu sehr vom Schreibtisch aus managen. Wie unser Beispiel zeigt, endet das unvermeidlich in schwerem Realitätsverlust. Bankvorstände sind keine Sonnenkönige, die aus ihrem Versailles heraus die Welt regieren können. Wir wissen, wie das beim Sonnenkönig geendet hat. Ein guter Vorstand ist eher wie der alte Kaiser Franz-Josef, der sich nicht zu schade war, fernab vom Kaiserpalast auch mal in einer kleinen Garnison im Hinterland aufzutauchen und mit dem einfachen Kanonier ein Tratscherl zu halten.

Es reicht eben nicht, vom Vorstandstisch aus seine Zahlen zu kennen. Man muß auch wissen, wie sie in den Filialen zustande gekommen sind. Und nötigenfalls einen kleinen Sonnenkönig vor Ort zu Recht zu stutzen, wenn diesen der Hochmut reitet.

Klaus Schuster

SI, Ljubljana

Managementberater, Coach und Autor

Klaus Schuster Management Consulting

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