Spieltektonik
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Beitrag, Deutsch, 7 Seiten, Spieltektonik

Autor: Máren Kruse

Herausgeber / Co-Autor: Kruse/Dr. Stepken

Erscheinungsdatum: 2008

Seitenangabe: 1-7


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Spieltektonik

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Einführend ein einfaches Beispiel: Zwei Kinder, die um eine Tüte Haribo streiten und sich dabei heftig in die Haare geraten. Woran liegt's? In den meisten Fällen aus Mangel an Strategien, z.B. sozialen Teilungsregeln: „Einer teilt, der andere sucht aus!“ In diesem weisen Regelwerk stecken gleich mehrere spieltektonische Gestaltungselemente: Das „Prinzip Agonalität“, aus dem griech. Agône - „Der Wettstreit“ stammend- das letztendlich aus dem archaischen Ur-Instinkt des Futterneides entspringt. 
Dieses Gesetz ist der Ursprung des Streites der beiden Kinder. Das „Veto – Prinzip“ („Alle oder niemand“ - Prinzip), dem „Pareto-Prinzip“ ähnlich. Im plizite Logik ist nämlich, dass niemand die Haribo-Tüte anfasst, bevor nicht „gerecht“ geteilt wurde. Die Teilungsregel selber. Der Teilende bedient sich zuletzt. Er wird, sofern er unfair ge teilt hat, derjenige sein, der einen Nachteil zu erleiden hat. Daraus leitet sich auch eine Gastfreundschafts – Regel ab, die in allen Kulturen der Welt zuhause ist: Der Gastgeber bedient sich zuletzt, nachdem alle versorgt sind. Die „gerechte Wirkung“ dieser weisen Teilungsregel sorgt in Zukunft dafür, dass die bei den Kinder sich diesem Regelwerk freiwillig unterordnen werden, und zwar nicht aus Zwang, sondern aus der inneren Einsicht, der inneren Überzeugung, dass dieses Regelwerk - „erstrebenswert“ - ist. 
Das ist das, was Chinesen als TAO bezeichnen: „Die freiwillige Unterordnung unter die ge meinsame Sache.“ Weitere Dynamiken werden sich dem anschliessen. So z.B. das Wertegerüst, also das Ur teil über Verhaltensweisen anderer Menschen. Menschen, die keine „weisen“ Erzieher hatten, grapschen sich halt, was sie kriegen können, oder gehen oft leer aus. Soziales Miteinander basiert auf der allgemeinen Kenntnis von fairen Verhaltensregelwerken, sie machen die „Kultur“ aus. Was aber nun, wenn es 10 Kinder auf einem Kindergeburtstag sind, die sich einen Kuchen teilen sollen? Wer teilt, wer sucht aus? Wer die Teilung durch zwei verstanden hat, erkennt, dass sich dieses Regelwerk auch geringfügig verändern lässt. Einige der Regeln, der spieltektonschen Gestaltungselemente kann man wieder verwenden, so z.B. auch die Veto-Regel. Nur die Teilungsregel selber ist so nicht mehr anwendbar. Daher wird eine Person, die teilen muss, bestimmt. Diese legt das Messer an verschiebt es so weit, bis alle einverstanden sind, dass senkrecht herunter abgeschnitten wird. Danach wandert das Messer weiter, damit der Zweite sein Stück bekommt, u.s.w. Nachher kann niemand behaupten, er wäre ungerecht behandelt worden, da er ja jederzeit von seinem Veto-Recht hätte Gebrauch machen können. Die „impliziten Logiken“ des Veto-Rechtes sind hier schwierig zu durchschauen. Das Veto verbindet logisch die einzelnen Teilungsvorgänge miteinander, wo die Kinder gemeinsam schätzen müssen. Weiterhin bekommt niemand etwas vom Kuchen, sondern nicht alle ihr „OK“ geben. Einigen sie sich nicht, so schieben sie Hunger. Es lassen sich auf diese Art und Weise dutzende, neue und weise Teilungsregeln finden, und zwar immer durch eine geringfügige Variation der „impliziten Logiken“ obigen Regelwerkes, also durch Veränderung, Hinzufügen oder Weglassen von Regeln. Welche Dynamiken entstehen, ob nun kooperative, blockierende, eskalierende, deeskalierende, wohlwollende oder missgünstige - das liegt allein an den Regelwerken. Wer sich in Spieltheorie auskennt, wird hier eine Klasse von Spielen wiedererkannt haben: 2 – Personen/Nullsummen – Spiele. Nullsumme deswegen, weil der Vorteil des einen Kindes der Nachteil des anderen Kindes ist. Es können niemals beide gleichermassen profitieren. Im zweiten Beispiel wurden die Regelwerke des 2 - Personen – Spiels auf N-Personen-Spiele erweitert. Es gehört nun zu der Klasse der N-Personen/Nullsummen – Spiele. Und da alle „Mitspieler“ über alle Informationen verfügen, weil sie mit ihrer Nase ja direkt hautnah dabei sind, gehört dieses Spiel auch noch in die Klasse der Spiele mit „vollständiger Information“, wie z.B. Mühle, Dame, Schach ... Kartenspiele gehören in die Klasse der Spiele mit „unvollkommener Information“, weil man einander ja nicht in die Karten schauen kann, bzw. darf. Hier kommt noch zu Beginn ein „Zufallselement“ hinzu, was der Spieler bei der Selegierung seiner Strategien stets ja mit berücksichtigen muss – auch ein „spieltektonisches Gestaltungselement“. Bei dieser Klasse von Spiel lässt sich ein strategischer Vorteil verbuchen, wenn man z.B. über Informationen verfügt, die der Gegner nicht hat. Es lässt sich jedoch auch ein Vorteil verbuchen, wenn man aus Verhaltensweisen des Gegners in bestimmten Spielphasen gewisse Rückschlüsse auf dessen Blatt ziehen kann, wie z.B. beim Skat. Mitdenken füreinander bringt hier einen klaren Strategievorteil. Auch wieder ein spieltektonisches Gestaltungselement: „Mitdenken füreinander!“ Das, was ursprünglich ein Klassifizierungselement der Spieltheorie war, ist nun in der Spieltektonik ein Gestaltungselement geworden. Allerdings haben sich fast alle Strategien, die Mensch trainiert hat, die auf 2-Personen, Nullsummenspielen aufbauen, als in der Praxis für ein soziales Miteinander untauglich erwiesen: „Drei sind einer zuviel!“ - Warum, wann gilt das? Nun - immer dann, wenn zwei um die Gunst einer dritten Person buhlen. „Prinzip Agonalität“ - Manche Konstellationen funktionieren einfach nicht, aufgrund psychologischer Eigenheiten. „Mitdenken füreinander!“ ist ein Gestaltungselement, das überhaupt erst ein kooperatives Miteinander ohne Hierarchien ermöglicht.

Ein Beispiel: Zwerge stehen früh auf, verlassen vor Sonnenaufgang ihre Höhle, greifen hierzu in eine Mützenkiste aus grünen und roten Mützen, die sie den ganzen Tag lang auf dem Kopf tragen, ohne zu wissen, welche Farbe. Zwerge kommunizieren auch niemals untereinander, sodass sie ihre Mützenfarbe nicht in Erfahrung bringen können. Mittags jedoch treffen sie sich zum Essen und sitzen da, nach alter Zwergentradition, geordnet nach roten und grünen Mützen. Es gibt jedoch keinen Zwerg, der ihnen irgendwie einen Platz zuweist. Sie wissen irgendwie instinktiv, wie sie sich zu ordnen haben, aber wie machen die das? Ähnlich den „weisen Teilungsregeln“ ist in der Zwergenwelt ein Selbstordnungssystem seit Generationen überliefert. Die Ersten zwei Zwerge stellen sich auf. Angenommen, es sind zwei rote Zwerge: R-R Nun kommt ein weiterer Zwerg mit grüner Mütze hinzu, der seine eigene Mützenfarbe nicht kennt, und stellt sich (irgendwo) daneben. RR-G Nun kommt wieder ein Zwerg, sagen wir mit roter Mütze. Ohne zu wissen, welche Mützenfarbe dieser selber hat, stellt er sich zielsicher - wohin? Richtig! - Genau in die Grenze zwischen Rot und Grün, weil - da steht er immer richtig. Und die anderen Zwerge rücken ein wenig auseinander: RR-R-G So folgen nun alle weiteren Zwerge: RRR-G-G, RRR-G-GG, RRR-R-GGG, RRRR-G-GGG, u.s.w. Zwerge kommunizieren also immer noch nicht untereinander, jedoch erkennen sie selber das Muster und wissen automatisch, wo ihr Platz ist. 
Es *bedarf* also keines Zwerges, der irgendwie einteilt. Die implizite Logik, die dieses Verfahren ermöglicht, ist die, dass jeder Zwerg ja gleichzeitig Beobachter, Handelnder, als auch - Beobachteter ist, und zwar - nachdem er sich eingereiht hat. Die Dynamiken der nachfolgenden Zwerge sind entscheidend davon abhängig, ob jeder Zwerg das System erkennt und „mitdenkt“. Versteht ein Zwerg das System nicht, so passiert Chaos - wie im Strassenverkehr oder Unternehmen: RR-G-RGGG Mit diesem Dummzwerg beginnt das Chaos im wohldurchdachten System der schönen, farblichen Ordnung. Und ab da müssen sich die Zwerge dann ein neues, kluges System überlegen, wie generell die falsche Handlung des Dummzwerges dann korrigiert werden kann. Welche zusätzliche Regel könnte man einführen, oder eine bestehende abändern, damit Dummzwerg selber erkennt, dass er mal wieder daneben lag und seine Handlung automatisch selber korrigiert, und zwar *ohne* dass irgendein Zwerg hier ordnend oder korrigierend eingreifen muss? Diese Antwort sei nun als *kleines* Rätsel aufgegeben. Ein weiteres Gestaltungselement das eine ganze Kette von weiteren Veränderungen der Auswahl der persönlichen Strategien aller nach sich zieht, ist folgender Satz: „Ich möchte allen danken, die Fehler begangen haben, aus denen wir lernen konnten!“ 
Es obliegt den Führungspersonen, Mitarbeitern die Angst vor Fehlern zu nehmen. Nicht wenige Fehler werden aus Angst vor Entdeckung vertuscht, und noch mehr widrige Dynamiken entstehen, wenn nicht offen und locker mit Fehlern umgegangen wird. Führungskompetenz bedeutet vor allem - Prozessgestaltungskompetenz! Kontrollsysteme führen nur diejenigen Führungspersönlichkeiten ein, die nicht über diese Art der Prozessgestaltungskompetenzen verfügen! 
Sie sind auch überwiegend Anhänger von „Zielvereinbarungssystemen“ - völlige Entmündigung der Mitarbeiter aufgrund eigener Inkompetenz! Siehe auch Arin Falk, „Distrust – The hidden cost of control“. Unmissverständlich muss hier signalisiert werden, dass Fehler passieren, jedoch muss eines klar sein - Doppelfehler sind zu vermeiden ;-) Diese aus dem Tennis entstammende Regel ist uralt. Ihre psychologische Tiefenwirkung jedoch in ihrer Reichweite weit unterschätzt. Gute Spielregelwerke verzeihen Fehler, geben Gelegenheit, die eigenen Fehler zu korrigieren, bevor ein Mitspieler diese ausnutzen und gegen einen verwenden kann, oder Systeme blockiert werden. Gute Unternehmenskulturen bestehen aus unzähligen dieser „weisen“ Regelwerke.

Es ist Aufgabe der Geschäftsführung, Mitarbeiter in Führungspositionen diese Regelwerke zu „vererben“, bzw. diese darin unterrichten zu lassen. Wenn Sie eine gute Führungsperson sind, wissen Sie mit Regelwerken zu jonglieren und haben direkt erkannt, welche Regel den Fehler eines Dummzwerges in dem Selbstorganisationsprozess automatisch korrigiert, bevor die Zwerge wütend über den Dummzweg herfallen oder diesen mobben, oder wohlmöglich alle verhungern, weil sie nicht mit dem Mittagessen beginnen können, wenn nicht jeder sauber geordnet sitzt. Spieltektonik ist die Wissenschaft der Gestaltung von kooperativen, nichtblockierenden Spieldynamiken, auch wieder eine Klasse von N-Personen-Spielen, mal „spieltheoretisch“ gesprochen. Spiele, wo Einzelne andere oder wohlmöglich alle in ihren Handlungen blockieren können, und Spiele, die „fehlertolerant“ sind. Und hier unterscheiden sich die unterschiedlichen Kulturen und Systeme. Dort, wo *weise* Regelwerke zum Einsatz kommen, sind Blockaden oder widrige Steigerungsdynamiken unbekannt. Dort, wo die Regelwerke nicht „rund“ sind, kommt es immer wieder zu Streit und Ausgrenzungsdynamiken, sprich „Mobbing“. Die Spieltektonik baut als neue Wissenschaft nicht nur auf der Spieltheorie auf, sondern bedient sich auch der Erkenntnisse der psycho-logischen Eigenschaften, also der Psychologie, aber auch der Soziologie, Pädagogik, Kybernetik, Biologie. Ziel: Entwicklung von „Spielen“, die Freude machen, viel Dynamik freisetzen, auf der dann weitere Spiele und Dynamiken aufsetzen können.

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Máren Kruse

DE, Berlin

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