"Wahlverwandtschaften e.V.": Interview mit der brainGuide-Expertin Dr. Christine Wichert
"Wahlverwandtschaften e.V.": Interview mit der brainGuide-Expertin Dr. Christine Wichert

"Wahlverwandtschaften e.V.": Interview mit der brainGuide-Expertin Dr. Christine Wichert

Interview, Deutsch, Eine Seite, brainGuide AG

Erscheinungsdatum: 05.12.2014


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Die brainGuide-Markenexpertin Dr. Christine Wichert wurde in diesem Jahr als Preisträgerin der Goldenen BILD der Frau für ihr ehrenamtliches Projekt „Wahlverwandschaften e.V.“ ausgezeichnet.

Wir sprachen mit Frau Dr. Wichert über diesen gemeinnützigen Verein, seine positive Entwicklung aber auch über die Hürden auf dem Weg zum Erfolg:


Sehr geehrte Frau Dr. Wichert, im Rahmen einer großen Gala haben Sie in diesem Jahr einen Preis für Ihr Projekt „Wahlverwandtschaften e.V.“ erhalten. Was genau macht der Verein und wie sind Sie zu der Idee gekommen?

„Wahlverwandtschaften e.V.“ ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein im deutschsprachigen Raum mit Schwerpunkt Deutschland. Der Verein möchte Menschen, die sich alleine oder einsam fühlen, quasi-familiäre Verbindungen schaffen helfen und sieht sich selbst dabei als Katalysator. Die Verbindungen können generationsübergreifend sein, müssen aber nicht, wichtig ist der Anspruch einer verbindlichen Beziehung, der alle Lebensbereiche umfasst.

Hintergrund ist die zunehmende Vereinsamung sowie der Rückzug der traditionellen Familie. Die stetig wachsende Zahl der 1-Personen-Haushalte und „Singelisierung“, die Überalterung der Gesellschaft und steigende Mobilität führen bei immer mehr Personen zum Gefühl des Alleinseins bzw. als unangenehm empfundener Einsamkeit.

Auslöser war meine persönliche Geschichte: nachdem meine gesamte leibliche Familie gestorben war lernte ich 2001 in China zwei heute 85-jährige Kölnerinnen kennen, die zu meinen „Müttern“ wurden, und mir viel Geborgenheit schenkten. Daraus entstand schnell der Wunsch dieses Glück auch anderen zu ermöglichen und dem Zufall nachzuhelfen.

Wie läuft die tatsächliche Vermittlung ab? Und entwickeln sich erfahrungsgemäß immer langfristige Beziehungen daraus?

Der Verein bietet zwei Wege an, um diese Verbindungen zu ermöglichen

  •  Die online-Plattform wahlverwandtschaften.org mit derzeit knapp 900 registrierten, aber nicht zahlenden Mitgliedern. Hier tummeln sich derzeit Menschen von 18 bis 88 Jahren.
  • 6 Lokalorganisationen (Krefeld, Mönchengladbach, Dortmund, Stuttgart, Minden und Hamburg) und einige sind in Planung. Hier gibt es ca. 6-wöchentlich Begegnungsveranstaltungen und 1-2 Mal pro Monat informelle Stammtische und teilweise ein Aktivitätsprogramm während des Jahres.

Es gibt alles: Liebe „auf den ersten Blick“, „Wahlverwandtschaften“ nach mehreren Treffen mit gemeinsamen Urlauben, Festen & viel Lebensfreude, aber auch Menschen, die jahrelang glücklos bleiben.

Worin besteht der Unterschied zwischen „Wahlverwandtschaften“ und einer normalen Freundschaft?

Die Grenzen sind fließend - zu einem „Lebens-Busenfreund“ gibt es keinen großen Unterschied. Oft hat man Freunde aber nur einige Jahre bzw. für nur einige Themen (z.B. Sport) und die Wahlverwandten haben den Anspruch, sich „fürs Leben“ zu finden und bedingungslos füreinander da zu sein, breit alle Themen abzudecken. Wenngleich eine Trennung immer möglich sein muss und soll, deswegen das Wort WAHL ...

Wahlverwandtschaften stellen ja vornehmlich generationenübergreifende Beziehungen dar. Wie reagieren Freunde und Bekannte auf die neuen „Familienmitglieder“?

Ursprünglich hatten wir das Generationsübergreifende als Ziel, sehen jedoch in der Praxis, dass noch mehr „Schwestern“ gesucht werden bzw. das Generationsübergreifende nicht so sehr nachgefragt wird. Hier wollen wir zukünftig noch größere Anreize setzen.

Wie die Reaktionen sind haben wir ehrlich gesagt noch nicht gefragt. Wir wissen aber, dass viele vor dem „Outing“ Angst haben, dass verbliebene Familienmitglieder, zu denen eine schwierige Beziehung besteht, mit Unverständnis reagieren könnten.

Wie gut entwickelt sich der Verein?

Der Verein entwickelt sich gerade rasant, allerdings von einer kleinen Basis. Mit jeder medialen Aufmerksamkeit kriegen wir mehr Zulauf. Wir haben derzeit 5, bald 6 Lokalorganisationen und bald haben wir 1000 Community-Mitglieder auf unserer Plattform, vor einem Jahr waren es gerade mal 200.

Worin bestanden anfangs die größten Probleme?

Der größte Widerstand lag ursprünglich in der Anerkennung der Gemeinnützigkeit. In Deutschland ist es gar nicht so einfach, diese zu bekommen, gerade wenn man zwischen den Generationen vermitteln will. Wir hätten etwas für die Jungen tun können ODER für die Alten, nicht aber für beide. Unsere Idee fiel zwischen alle Paragraphen.

Der nächste Widerstand war die Erstellung der Homepage, einer Matching-Plattform, wo sich Menschen finden können. Wir vergaben ein studentisches Projekt an der Hochschule, doch leider konnte der Student das nach über einem halben Jahr nicht umsetzen. Wir haben nun ehrenamtliche Helfer, aber die IT ist mit reduzierten finanziellen Mitteln unsere ständige Herausforderung.

Eine weitere Herausforderung ist die Finanzierung, die bis heut mehr oder weniger bei den Gründern lag. Gerade haben wir natürlich durch das Preisgeld der Bild der Frau und durch Lilly Beckers Spende Glück, aber die Bereitschaft zu spenden oder zahlendes Mitglied zu werden ist sehr gering.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Was wir uns für die Zukunft wünschen: Die Vision ist, dass keiner mehr unerwünscht alleine sein muss und dass „Wahlverwandtschaften“ eine gesellschaftlich akzeptierte Alternative zur Blutsfamilie darstellt. Wir möchten in jeder größeren deutschen Stadt mit einer Lokalorganisation vertreten sein – dafür brauchen wir ehrenamtlich engagierte Mitarbeiter, Spenden und einen Fundraiser ☺.

Liebe Frau Dr. Wichert, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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