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Was der Fachkräftemangel für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bedeutet

Trotz Pandemie expandieren momentan viele deutsche Unternehmen. Die Digitalisierung ist für viele Betriebe im Moment wichtiger als je zuvor und dementsprechend groß fallen viele Investitionen aus. Schließlich will niemand während der Industrie 4.0 abgehängt werden. Doch, obwohl das Kapital für große Investitionen in vielen Firmen vorhanden ist, kommt der digitale Wandel in der Industrie nur sehr langsam voran. Der Grund ist das Fehlen von Fachkräften.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) stellt mit „Digital Jetzt“ ein Konjunkturpaket für die Digitalisierung von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) zur Verfügung. 2021 ist das Paket 114 Millionen Euro groß, bis 2024 soll es knapp 250 Millionen Euro für die Digitalisierung von KMUs bereitstellen. Das sind prinzipiell gute Aussichten für die gesamte Industrie. Denn, während kleine Unternehmen durch die Hilfe der Bundesregierung auf moderne Standards gebracht werden, digitalisieren sich größere Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern größtenteils von allein. Und wenn die Industrie 4.0 erst einmal die gesamte Wirtschaft einschließt, kann jedes Unternehmen, egal wie groß, von moderner B2B-Kommunikation und Kooperationen profitieren.

Doch während genug Kapital für Investitionen vorhanden ist, fehlt es an Kompetenz. Die wenigen künftigen Arbeitnehmer, die momentan kurz vor einem schulischen Abschluss stehen, müssen sich daher keine Sorge um zu wenig Jobangebote machen, sondern einfach einem verzweifelten Personalmanager ihre Bewerbungsmappe vorlegen. Auf viele Arbeitgeber kommen jedoch schwierige Zeiten zu.

82.000 freie Stellen für Informationstechniker

Denn um von moderner Technik profitieren zu können, braucht es selbstverständlich Fachkräfte, die diese Technik einrichten, damit umgehen und sie warten können. Doch an solchen Fachkräften fehlt es zunehmend. Das Hautproblem hierbei ist die Pandemie: Viele Unternehmen, die vorhatten, sich in den nächsten Jahren zu digitalisieren, haben dieses Vorhaben weit vorgezogen und investieren schon jetzt stark in neue Technologien. Oftmals werden sie dabei auch mit Subventionen von der Regierung unterstützt. Denn, wer während der mehrerer Lockdowns nicht über die nötige Technik verfügt, um Homeoffice und standortunabhängiges Arbeiten für seine Mitarbeiter zu organisieren, hat schon verloren und wird die Pandemie höchstwahrscheinlich nicht überleben. Zudem sind digitale Investitionen bereits seit Jahren überfällig und der durch die Pandemie initiierte Digitalisierungs-Zwang wird die deutsche Industrie endlich auf das Level anderer Industrieländer bringen.

Doch das teilweise Chaos der Pandemie hat auch dafür gesorgt, dass viele Schüler und Studenten die letzten Monate zu Hause statt in der (Hoch)-Schule verbracht haben. Insgesamt kam es dadurch zu schlechteren Schulleistungen, weniger neuen Studenten und weniger Abschlüssen. Auch konnten kaum berufsbildende Maßnahmen durchgeführt werden. Diese sind besonders in MINT-Berufen wichtig, um jedes Jahr auch zahlreiche Frauen für mathematische, informatische, naturwissenschaftliche oder technische Berufe zu begeistern. Allein in der IT-Branche sind momentan 82.000 Stellen frei. Bis all diese besetzt sind, wird es noch Jahre dauern.

Die Pandemie führt also zu einer Situation, in der mehr Fachkräfte für Digitalisierung und Forschung benötigt werden als je zuvor, verringert aber gleichzeitig die Zahl neuer Absolventen, die die Lücken füllen könnten. Das Ergebnis ist ein schwerwiegender Fachkräftemangel, der die Entwicklung der gesamten Wirtschaft erheblich verlangsamt. Denn auch das Umschulen von Arbeitnehmern ohne die nötigen Qualifikationen dauert seine Zeit. Und Quereinsteiger sind nur eine temporäre Lösung. Doch welche Alternativen gibt es?

400.000 Zuwanderer pro Jahr notwendig

Laut Detlef Scheele, dem Chef der Bundesagentur für Arbeit, sind Zuwanderer die einzig logische Lösung, um den Fachkräftemangel auszugleichen. Etwa 400.000 Zuwanderer pro Jahr sind nötig, um die Lücken auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu schließen. Besonders Pfleger, Klimatechniker und Logistiker aus dem Ausland würden momentan dringend gebraucht werden, da es hierzulande zu wenig qualifiziertes Personal in diesen Bereichen gibt. Auch Akademiker insgesamt sind willkommen. Doch damit hochqualifizierte Menschen aus dem Ausland hierherkommen, muss Deutschland weitaus attraktiver für Zuwanderer werden.

Für mehr Geld ins Ausland

Laut dem Statistischen Bundesamt zogen 2020 rund eine Million Menschen ins Ausland. 2019 waren es noch 1,2 Millionen gewesen. 1,2 Millionen Menschen zogen nach Deutschland, 2019 waren es noch 1,6 Millionen. Der Rückgang bei der Migration im letzten Jahr ist eine Folge der Reisebeschränkungen durch die Pandemie, weshalb viele Menschen ihre Pläne für einen Umzug temporär pausierten. Insgesamt kamen 220.000 Menschen mehr nach Deutschland, als wegzogen. Das Problem ist allerdings, dass nur sehr wenige Fachkräfte nach Deutschland zogen, aber viele Fachkräfte Deutschland verließen. Besonders in die Schweiz, Österreich, Großbritannien und die USA verschlug es Auswanderer.

Eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) ergab, dass deutsche Auswanderer meist jung und alleinstehend sind und drei Viertel von ihnen ein Studium abgeschlossen haben. Im Ausland verdienen sie etwa 65 % mehr als hierzulande, empfinden ihren neuen Lebensstandard als besser und bewerten ihre Wohngegend als attraktiver. Wenn dieser Trend auch in Zukunft anhält, werden Deutschland auf lange Zeit die Fachkräfte ausgehen. Ziel der Einwanderungspolitik muss es deshalb sein, gezielter ausländische Fachkräfte nach Deutschland zu holen, damit diese die Wirtschaft hierzulande unterstützen können.