Wo bleibt die Elite?
Wo bleibt die Elite?

Wo bleibt die Elite?

Beitrag, Deutsch

Autor: Ulf D. Posé

Erscheinungsdatum: 2015


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Wo bleibt die Elite?
 
Kürzlich wurde eine junge Dame befragt, warum sie bei einem Event so aufgeregt darauf warte, einen Blick auf Kim Kardashian werfen zu können. „Ich finde Kim umwerfend.“ Der Reporter fragte zurück: „Warum finden Sie Kim Kardashian so umwerfend?“ Die Antwort war: „Weil sie so berühmt ist.“
Was für ein Argument. Die Like-Zahlen von Facebook oder die Follower bei Twitter oder whats app oder Instagramm sind heute Ausweis genug, zu einer besonderen Elite zu gehören. Die Elite der Berühmtheiten. Es fragt kaum noch jemand, was denn nun das Besondere an diesen Berühmtheiten ist, außer, dass sie bekannt sind. Mit Paris Hilton fing es einmal an. IT-Girl zu sein, war auf einmal etwas Besonderes, eine Auszeichnung, die nichts an Können, an Fähigkeiten repräsentierte, außer, man unterstellt, dass Berühmt-Sein eine besondere Fähigkeit darstellt.
Woher kommt das? Vielleicht liegt es daran, dass wir nicht mehr unterscheiden zwischen den Menschen, die etwas besonders gut können, und denen, die sich nur für etwas Besonderes halten. Das hat etwas mit dem Elitedenken zu tun.
Es gibt zwei Arten von Eliten. Die einen halten sich für etwas Besseres, die anderen sind die Besseren. Erstere wollen ihr Leben genießen und ihre Talente vergeuden, letztere wollen das Leben meistern und alle Kräfte für ihre persönliche Entwicklung einsetzen. Erstere brauchen wenig zu können, letztere wollen mehr leisten. Dieses Land benötigt Leistungseliten dringender denn je. Eliten, die permanent auf der Suche nach Spitzenleistungen sind. Und sich nicht mit dem Mittelmaß begnügen, das momentan noch erfolgreich ist.
Ich gebe es zu: Ich schäme mich, ich kann bestimmte Dinge besser als andere. Ich spiele besser Schach als mein bester Freund, ich kann schneller laufen als viele Menschen in meinem Alter, ich kann noch richtig Kopfrechnen ohne Taschenrechner! Das können Sie auch? Na wunderbar! Keine Frage: Wir sind oft besser als andere, erfolgreicher, weil wir stärker trainiert oder intensiver geschult sind. Würden wir uns aber deswegen gleich als Elite bezeichnen? Wahrscheinlich nicht. Fragt sich nur, warum eigentlich nicht?
Betrachten wir zunächst den aktuellen Mainstream. Es grassiert der »Küblböck-Effekt«. Erfolgreich wird der, der im Nichts- oder Schlecht-Können sein Talent beweist. Popularität wird erreicht, indem man beweist, dass man im Unterdurchschnittlichen besonders gut ist. Diese Unterdurchschnittlichkeit wird kompensiert durch Lautstärke. Wer „Hier“ ruft, ist schon im Fernsehen. Wer bei zwei Sätzen nur dreimal stolpert oder stottert, hat schon eine eigene Show. Zahlreich die Sendungen, die Menschen präsentieren, die entweder nichts auf die Reihe kriegen oder Begeisterungsstürme auslösen, weil sie so unterdurchschnittlich sind. Die Zuschauerzahlen beweisen dies. Allenfalls im Sport lassen wir uns von Höchstleistungen animieren.
Und so leben wir in einer Zeit, in der die Unterdurchschnittlichen in der ersten Reihe sitzen. Deshalb habe ich – ich gestehe es gern – wieder Sehnsucht nach Eliten. Mehr noch: Ich fordere geradezu ein Elitebewusstsein. Ich fordere das Elitedenken, ich fordere: Wir brauchen Eliten!
Leistungseliten fördern.
Was ist an Eliten schlecht? Nichts! Aber nur dann, wenn ich weiß, was Eliten eigentlich bedeuten. Denn auch an dieser Stelle begegnen uns Dummheit und Ignoranz. Die Wenigsten wissen, was Eliten ausmacht und dass es davon zwei gibt.
Es gibt Menschen, die halten sich für Eliten, obwohl sie keine sind. Das sind die ideologischen Eliten. Sie meinen, nur weil sie über eine bestimmte Herkunft verfügen, über einen bestimmten Bekanntheitsgrad, seien sie etwas Besonderes. Manche meinen gar, sie seien ein besonderes oder eventuell ein auserwähltes Volk. Die Zugehörigkeit zum Hochadel macht mich nicht zur Elite. Selbst wenn ich davon überzeugt bin. Geburt und Abstammung als Eliteausweis ist schon recht komisch.
Nein, ich meine keine Eliten, die den Beweis für ihr Elite-Sein schuldig bleiben müssen. Hier wird etwas verwechselt. Die Zugehörigkeit zu einem Volk, einer Kaste, einer Berufsgruppe ist keine besondere Tat, sondern ein Wert. Und die Zugehörigkeit zu einer Familie ist ganz sicher kein Verdienst, sondern ein Zufall. Sich nur für Elite zu halten, ist kein Beweis für Elite.
Die Eliten, die ich meine, haben nichts mit Werten, sondern mit Fähigkeiten zu tun. Ich meine die Leistungseliten, die Experten. Ein Experte im Unterschied zum Laien verfügt über Qualitäten im Wissen im Können, nicht unbedingt über Quantitäten. Darüber kann auch ein Laie verfügen. Der Experte zeichnet sich also qualitativ aus. Das macht ihn zur Elite. Experten zeichnet ein besonderes Können aus. Geschulte Fähigkeiten machen Eliten aus. Denn merke: In einer Sache besser zu sein ist etwas ganz anderes, als sich für besser zu halten. Verschiedene Untersuchungen haben ergeben, dass derjenige einen Expertenstatus erreicht, der einen Lernprozess von wenigstens 10.000 Stunden hinter sich hat. So entsteht Elite. Wenn wir zwischen ideologischer Elite und Leistungselite endlich wieder unterscheiden würden, dann könnten wir uns wieder dem sinnvollen, für eine Wirtschaft, eine Politik, eine Philosophie, eine Kultur förderlichen Elitebewusstsein widmen.
Die persönliche Entwicklung fördern.
Schauen wir einmal ehrlich hin: Uns fehlen die Eliten in Wirtschaft, Politik, und Kultur. Und warum? Weil wir sie nicht fördern, sondern diffamieren. Wie macht man heutzutage Karriere? Zum Beispiel in der Politik. Der große Österreicher Schumpeter, dem der berühmte Spruch „Eher legt ein Hund einen Wurstvorrat an, als eine demokratische Regierung eine Haushaltsreserve“, zugesprochen wird, meinte einmal, dass die Beschäftigung mit politischen Fragen den Geist verdummt. Dem kann ich nur zustimmen, wenn ich weiß, wie viele Politiker oder Funktionäre Karriere machen. Nicht wenige vernachlässigen als erstes ihr Studium oder ihre Ausbildung, um vor die Fabriktore zu gehen und dort Zettel oder Kaffee zu verteilen. Dann entwickeln sie eine gehörige Portion Opportunismus, damit sie in den Landesverband gewählt werden. Zum Schluss verkommt der geistige Input zum Lesen der Überschriften in der ‚BILD‘. Populismus ist der Grundstein zum politischen Erfolg. Und manchem Politiker ist so mancher Hintern nie klein genug, um nicht doch noch hinein zu kriechen. Kein Wunder, dass wir unter Politikern kaum Leistungseliten mehr finden.
Vergessen wir dabei nicht: die Deutschen sind recht gläubig. Ich darf das sagen, bin selber Deutscher. Immerhin glauben heute noch im Jahre 2015 sechzehn Prozent aller Deutschen, die Sonne drehe sich um die Erde (also auch 16 Prozent der Politiker)! Wir werden immer dümmer, hat eine Allensbach-Studie festgestellt. Wir sind nicht mehr daran interessiert, das Leben zu meistern, alle Kräfte für die persönliche Entwicklung einzusetzen. Uns selbst zu erkunden, zu verbessern, um unsere Fähigkeiten voll zur Entfaltung zu bringen. Unsere favorisierte Lebenseinstellung hingegen scheint zu lauten: „Ich will mein Leben genießen.“
Die Schlauen fördern.
In der Wirtschaft verhält es sich ähnlich. Von Eliten keine Spur. Mit der Ausnahme: Hier reagiert wenigstens der Markt mit dem Entzug von Aufträgen. Wie wenig Elite bewusst wir sind, zeigt unter anderem das internationale Absinken der Bedeutung der Pressefreiheit in Deutschland. Wir liegen auf Platz 17, direkt vor Costa Rica. Unsere Nachbarn, die Niederlande liegen auf Platz 2.
Dort, wo Eliten zu finden sein sollten, auf Universitäten, schneiden wir internationale auch nicht so gut ab. Platz 29 für die beste deutsche Uni in München. Danach kommt lang nix. Erst an 79. Stelle rangiert eine weitere deutsche Uni.
Wer ein Klima fördert oder gar erzeugt, in dem eine Spitzenleistung nicht mehr anerkannt, ja diffamiert wird, der darf sich über mangelndes Elitebewusstsein nicht wundern, und damit über sinkende Produktivität und absinkende internationale Bedeutung. Österreich befindet sich in manchen Bereichen im permanenten Sinkflug. Wir machen eine Leistung, die außergewöhnlich ist, schlecht. Sobald jemand etwas Außergewöhnliches vollbringt, suchen wir das Haar in der Suppe. Bloß nicht anerkennen, dass jemand etwas wirklich gut gemacht hat. Der berühmte Shit-storm bei Facebook zum Beispiel zeigt, dass wir viel lieber über jemanden herziehen, als bereit zu sein, etwas anzuerkennen. Mancher Bestleister wird in Unternehmen ausgebremst mit Hinweisen wie: „Du machst den Schnitt kaputt, jetzt mach mal halblang!“ Wir neigen dazu, Leistungsträger für blöde zu halten. Wir fördern nicht die Schlauen, Klugen, Begabten, um sie noch schlauer, noch klüger werden zu lassen, nein, wir fördern stattdessen die Dummen, die Unbegabten. In der Schule sollen alle mitkommen, und dabei bleiben die Begabten auf der Strecke. Ich habe nichts gegen das Fördern von Unbegabten oder sogar Dummen, nein, ich habe etwas gegen das „Stattdessen". Gleichzeitig sollen die Bestleister sich schämen. Was fällt ihnen ein, den Elitestatus für sich in Anspruch zu nehmen? Sobald jemand das Wort ‚Elite‘ in den Mund nimmt, wird dagegen opponiert. Das darf man nicht. Das Wort Elite wurde zum Tabu.
Dann darf man sich nicht wundern, wenn sich immer mehr das Mittelmaß durchsetzt. Heute kann man fast schon behaupten: „Um erfolgreich zu sein, bin ich nicht mittelmäßig genug.“ Hören wir auf mit der Neid geprägten Gleichmacherei. Sie ist der Tod der herausragenden Leistung. Und so fordere ich erneut: Wir sollten Eliten wieder belohnen, das Bewusstsein zu Leistungseliten wieder fördern. So haben wir die Chance, statt auf der Suche nach außergewöhnlichen Leistungen auf der Strecke zu bleiben, diese selbst wieder zu zeigen.
 
 

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