Interview mit Herrn Günter Polhede
Interview mit Günter Polhede zu zentralen Fragen der Zukunft im ökonomischen Umfeld
brainGuide: Herr Polhede, wie kann die Zukunft gefährdende Ressourcenverknappung verhindert werden?
Günter Polhede: Preis und Markt: Der Markt reguliert den Ressourcenverbrauch über den Preis. In dieser Logik werden Ressourcen so lange großzügig eingesetzt, bis sie knapper und teurer werden.
Reparatur von Maschinerie in Ländern mit geringem Arbeitslohn und Kostenniveau: In Ländern mit geringem Arbeitslohn und Kostenniveau kann durch die Reparatur von importierter, gebrauchter Maschinerie der Einsatz von Rohstoffen für neue Maschinerie gemindert werden.
Zeitzentrierte Ökonomie: In ökonomisch konservativen Ländern wird die Zeit als Ressource behandelt. Durch zunehmende Zeitzentrierung der Abläufe und deren Verdichtung werden Wachstumserfolge vergrößert. Beteiligte Menschen erreichen in der für sie begrenzten Lebensdauer zunehmend größeren ökonomischen Wohlstand. Nach einer ökonomischen Wachstumsphase und bei relativer Marktsättigung zeigen sich Polarisierungsphänomene, wie Arbeitslosigkeit mit abnehmender Konsumkraft einerseits und Burn-out-Syndrom andererseits. Sie lassen das Erscheinungsbild der Wachstumserfolge differenziert erscheinen.
Energiezentrierte Ökonomie: Vor diesem Hintergrund wird es spannend, alternativ zu der ökonomischen Ressource „Zeit“ über andere zentrale Ressourcen nachzudenken, an denen sich die Ökonomie zumindest teilweise ausrichten könnte. Beispielhaft bietet sich für Länder mit langer Sonnenscheindauer die elektrische Solarenergie an, mit der ohne Energiezwischenspeicherung immer dann Halbfertigprodukte hergestellt werden könnten, wenn die Sonne scheint. In Zeiten risikoreicher Anlagen auf Finanzmärkten könnte es für Investoren interessant sein, in solche Alternativen zu investieren. Damit könnte die Energie- und Ressourcenverknappung gemindert werden. Die Attraktivität solcher Alternativen würde zunehmen, wenn in ökonomisch konservativen Regionen bei relativer Marktsättigung die Preise für Ressourcen und die Risiken auf Finanzmärkten steigen.
Wie kann verhindert werden, dass Staaten durch Überschuldung zahlungsunfähig werden, als Handelspartner ausfallen und gesellschaftlich instabil werden oder bleiben?
Staatsinsolvenz: Es erscheint ratsam, überstaatliche Insolvenzregeln zu diskutieren, um Staatsinsolvenzen zu ermöglichen. Bei einer solchen Insolvenz müssten Bereitsteller finanzieller Mittel damit rechnen, dass ihr Geldeinsatz an Substanz verliert. Das könnte sie daran hindern, die Überschuldung von Staaten in Kauf zu nehmen. Da in der Folge von Staatsinsolvenz auch der innere Frieden eines Landes gefährdet sein kann, könnte diese Gefahr gemindert werden, wenn der Anreiz für eine Staatsinsolvenz kleiner wird.
Wie kann bei mangelndem ökonomischem Wachstum gesellschaftliche Polarisierung und Destabilisierung verhindert werden?
Marktwirtschaft und Umverteilung: In Phasen von ausreichend ökonomischem Wachstum dient Umverteilung zu Gunsten Benachteiligter dem ökonomischen Wachstum, weil dieses umverteilte Geld schnell wieder dem Konsum und damit dem realwirtschaftlichen Kreislauf zugeführt wird. Damit wird Sparen gedrosselt, welches dem realwirtschaftlichen Kreislauf zu viel Geld entziehen könnte.
Polarisierung auf dem Arbeitsmarkt und Umverteilung: Wenn bedingt durch Automatisierung und Rationalisierung Menschen keine Arbeit finden, zeigt sich im Zusammenhang mit mangelndem ökonomischem Wachstum eine Polarisierung auf dem Arbeitsmarkt. Dann erscheint es folgerichtig, der obigen Logik zu folgen und dem realwirtschaftlichen Kreislauf durch Umverteilung finanzielle Mittel zuzuführen. In der Folge ist es bedenkenswert, für den Empfang umverteilten Geldes gemeinnützige Arbeit zu verlangen.
Polarisierung bei den finanziellen Mitteln und deren prozentuale Verteilung: Die ökonomische Polarisierung zu Zeiten mangelnden ökonomischen Wachstums findet auch bei der Aufteilung finanzieller Mittel statt. Sie wird durch den oft verwendeten prozentualen Schlüssel unterstützt. Somit bietet sich der Gedanke an, Lohn- und Gehaltserhöhungen in einem wesentlich geringeren Teil prozentual vorzunehmen, um den unteren Empfängergruppen eine größere Konsumkraft zu geben, die dem realwirtschaftlichen Kreislauf dient.
Öffentlichkeit: In der heranwachsenden Generation sehen wir einen relativ offenen Umgang mit Informationen und privaten Daten. Wie die folgenden Beispiele „Schwarzarbeit / Niedriglöhne“ zeigen, könnte dadurch bisher geheimes Wissen als Basis für Wettbewerbsvorteile und Akkumulation durch Vorteilsnehmer als Ursache für ökonomische Polarisierung seinen Deckmantel verlieren.
Schwarzarbeit und Belohnung: Insbesondere in Zeiten der Polarisierung auf dem Arbeitsmarkt erscheint es sinnvoll, Schwarzarbeit möglichst zu unterbinden. Zu diesem Zwecke könnte man darüber nachdenken Arbeitnehmer zu belohnen, die nachweisen, dass ihr Arbeitgeber Schwarzarbeit in erheblichem Umfang gefördert hat.
Niedriglöhne und Moral: In Zeiten, da minimal entlohnte Arbeit einen erheblichen Anteil ausmacht, gibt es einerseits moralische Empörung, andererseits ziehen viele Konsumenten aus den resultierenden niedrigen Preisen ihren verdeckten Vorteil. Vor diesem Hintergrund könnte man darüber nachdenken, dass eine Gruppe von Unternehmen der typischen Niedriglohnbranchen in einer konzertierten Aktion ihre Gehaltsstruktur offen legt, dadurch gesellschaftlich moralischen Druck gegenüber anderen aufbaut, und sich selbst Akzeptanzvorteile im Wettbewerb schafft. So könnten sich qualitative, moralische Vorstellungen als Teil einer Wettbewerbsökonomie etablieren.
Staatsverschuldung: Mit Hilfe von Staatsverschuldung wird versucht, auf der Investitions- und Konsumseite wachstumswirksam zu intervenieren. Die Realität zeigt keine nachhaltige Wirksamkeit. Vorteilsnehmer der ökonomischen Entwicklung stellen finanzielle Mittel für die Staatsverschuldung zur Verfügung, verdienen daran und verstärken damit die ökonomische Polarisierung. Der Staat gefährdet über die Verschuldungsaktivitäten seine Handlungsfähigkeit. Deshalb gilt es Staatsverschuldung abzubauen, um eingesparte Zinsen für staatliche Aufgaben verwenden zu können. Der Abbau sollte aus den Mitteln erfolgen, die die Polarisierung fördern, insbesondere aus den spekulativen Anteilen.
Wie kann die Gefährdung der primären Realwirtschaft, verursacht durch die primäre Finanzwirtschaft, verhindert werden?
Trennung von Realwirtschaft und rein spekulativer Finanzwirtschaft: Bei mangelhaftem realwirtschaftlichem Wachstum nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass finanzielle Mittel nicht in ausreichendem Umfang dazu verwendet werden, die Realwirtschaft funktionsfähig zu erhalten, Investitionen zu finanzieren, durch Sparen den Kauf größerer Anschaffungen vorzubereiten oder auch Altersvorsorge zu betreiben. Dann lauert die Versuchung, Geldanlagen im spekulativen Bereich vorzunehmen. Dabei erhöht sich die ökonomische Geschwindigkeit in der Abfolge der finanzwirtschaftlichen Aktivitäten und bringt die Gefahr von Systeminstabilität mit sich. Wenn finanzwirtschaftliche Akteure zahlungsunfähig werden, müssen eventuell realwirtschaftliche Akteure haften. Deshalb erscheint es notwendig, realwirtschaftliche und rein finanzwirtschaftlich spekulative Kreisläufe zu trennen.
Investition in ökonomische Autonomie: Um den Gefahren obiger Haftungsproblematik zu entgehen, können Konsumenten dem ökonomischen Kreislauf finanzielle Mittel entziehen und z. B. in technische Einrichtungen wie Energieeigenversorgung investieren, um zukünftige Ausgaben zu mindern. Damit erhöhen sie ihre ökonomische Autonomie.
Änderungsbewegungen: Änderungsbewegungen könnten aus der liberalen Denkwelt hervorgehen, die bei mangelndem ökonomischem Wachstum die Lebensqualität durch zunehmende Ökonomisierung bedrängt sieht. Änderungsbewegungen könnten aber auch aus der zukünftigen Verantwortungsgeneration kommen, die eine politische Sperrminorität bildet und die Besitzstandsmentalität der vorhergehenden Vorteilnehmergeneration auf den Prüfstand stellt. So könnte es zu einem Wandel durch punktuelle Änderungen kommen, der Polarisierung und Systemgefährdung - hervorgerufen durch zwanghafte Wachstumsvorstellungen - in erforderlichem Umfang Stück für Stück abbaut.