Bedarfsorientierter Personaleinsatz im Schichtbetrieb
Bedarfsorientierter Personaleinsatz im Schichtbetrieb

Bedarfsorientierter Personaleinsatz im Schichtbetrieb

WIrtschaftlicher Nutzen und Beispiele

Beitrag, Deutsch, 4 Seiten, Lohn + Gehalt

Autor: Dr. Burkhard Scherf

Erscheinungsdatum: 01.10.2009

Quelle: Lohn+Gehalt 7/2009

Seitenangabe: 61-64


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Bedarfsorientierter Personaleinsatz im Schichtbetrieb – Wirtschaftlicher Nutzen und Beispiele

Gerade unter den Bedingungen eines Schichtbetriebs fördert ein systematisch betriebener bedarfsorientierter Personaleinsatz erhebliche wirtschaftliche Potentiale zu Tage. Nachfolgend werden die wichtigsten Potentialfelder beschrieben und mit Beispielen verdeutlicht. Jedes der angesprochenen Potentiale entspricht einem typischen Problem der wirtschaftlich sinnvollen Arbeitszeitgestaltung im Schichtbetrieb. Das wichtigste Ergebnis schon vorweg: In der Regel lassen sich durch die Umsetzung von Verfahren des bedarfs¬orientierten Personaleinsatzes Anteile von 5% oder mehr an den Personalkosten einsparen. Dazu ist häufig kein Stellenabbau erforderlich, vielmehr ergibt sich dieses Potential schon aus der Reduktion vermeidbarer Mehrarbeit sowie aus einem reduzierten Einsatz von Leiharbeitnehmern oder Aushilfen.


Erstes Nutzenpotential: Verbesserte Bedarfsprognose

Ein dem tatsächlichen Bedarf entsprechender Personaleinsatz setzt eine gute Kenntnis der zeitlichen Struktur des Personalbedarfs voraus. Ebenso ist eine zuverlässig funktionierende Prognosemethodik für den Personalbedarf erforderlich. Denn für eine wirtschaftlich gute Nutzung der Arbeitszeit müssen insbesondere Phasen eines geringeren Personalbedarfs möglichst früh erkannt werden, um in diesen Phasen Besetzungsstärken zu reduzieren oder Schichten zu verkürzen.

Besonders in einer auftragsorientierten Produktion oder in Logistikorganisationen stößt dies häufig auf Schwierigkeiten. „Unsere Kunden lassen sich nicht steuern“ oder „unser Bedarf entsteht täglich neu aus tausenden von Einzelpositionen, wie soll man das prognostizieren“ - das sind häufig in diesen Situationen gehörte Argumente. Gerade in den Fällen, in denen viele Einzelereignisse den Gesamtbedarf erzeugen, lässt sich aber in aller Regel aufgrund des Gesetzes der großen Zahl doch eine Regelmäßigkeit aus den Auftragsdaten extrahieren. Dies ist je nach Komplexität der zu verarbeitenden Daten über Excel-Sheets oder durch den Einsatz spezialisierter Software möglich, die als Werkzeug im Beratungsprozess eingesetzt wird. Wird dann die Schichtplanung an den so präzisierten Personalbedarf angepasst, werden Leerzeiten in bedarfsschwächeren Phasen vermieden und es entsteht „Luft“ auf den Zeitkonten, die in Phasen höheren Bedarfs genutzt werden kann, ohne dass hierbei Mehrarbeit entsteht.

Lösungsbeispiel: In einem Logistikbereich mit ca. 200 Mitarbeitern wurden die Mitarbeiter traditionell in täglich gleich stark besetzten Früh- und Spätschichten eingesetzt. Die Wochenarbeitszeit der Mitarbeiter wurde in diesen Schichten vollständig verplant. Jede unerwartete Erhöhung des Arbeitsvolumens eines Tages führte somit unweigerlich zu Mehrarbeit oder zum erhöhten Einsatz von Aushilfen. Durch systematische Auswertung der zeitlichen Verteilung der Auftragseingänge über den Zeitraum eines Jahres konnten Muster im Verlauf des Personalbedarfs erkannt werden. Damit wurde klar, dass an unterschiedlichen Tagen Schichten mit unterschiedlichen Besetzungsstärken und Längen erforderlich waren. Der geänderte Grundschichtplan benötigte deutlich weniger Arbeitsstunden als der alte Plan. Damit konnte der Einsatz von Leiharbeitnehmern deutlich reduziert werden.
Ergebnis: Das gleiche Leistungsvolumen wie im Vorjahr konnte mit ca. 11% geringerem Einsatz von Arbeitsstunden erzielt werden. Dauer von der Projektidee bis zum Ergebnis: ca. 6 Monate.


Zweites Nutzenpotential: Optimierung von Schichtzeiten und Besetzungsstärken

Häufig entsteht Ineffizienz in der Gestaltung der Arbeitszeiten durch das Festhalten an Schichtzeiten und Besetzungsstärken aus der Vergangenheit. Ein typisches Beispiel sind viele Zweischichtsysteme, die ganz überwiegend nach einem von zwei Strickmustern gewebt sind:
• Variante 1: Die „klassische Zweischicht“ mit Schichtzeiten von 6 bis 14 und 14 bis 22 Uhr (mit kleineren Variationen bzgl. Pausen und Übergabezeiten)
• Variante 2: Die überlappende Zweischicht, bei der in der Mittagszeit beide Schichten anwesend sind, z.B. Frühschicht von 6 bis 14 und Spätschicht von 12 bis 20 Uhr

Es gibt sicherlich Situationen, in denen genau eine solche Schichtgestaltung der Struktur des Personalbedarfs entspricht. Viel häufiger aber ist dies nicht der Fall. Wie kann man auch erwarten, dass in einer schnelllebigen Welt mit sich immer wieder verändernden Nachfrage¬situationen über Jahre hinweg täglich stets die gleiche Arbeitsmenge zu bewältigen ist mit einer stets gleichen Schichtbesetzung über genau 16 Stunden am Tag? Wie wahrscheinlich ist es, dass (wie in der Variante 2) es genau dem Bedarf entspricht, dass zwischen 12 und 14 Uhr die doppelte Personenzahl anwesend ist wie in der Zeit davor bzw. danach?

In sehr vielen Fällen zeigt schon eine schnelle und nur oberflächlich durchgeführte Analyse des Personalbedarfs, dass die Schichtzeiten und –besetzungen differenzierter gestaltet werden müssen, um eine optimale Nutzung der Arbeitszeiten zu erreichen. Wenn nun die tatsächlichen Bedarfsprofile (zu welchen Zeiten werden wie viele Mitarbeiter benötigt?) bekannt sind, stellt sich häufig die nicht triviale Frage, mit welchen Schichten diese Bedarfsprofile am besten abgedeckt werden können. Mit einer guten Antwort auf diese Frage können fast immer auf einen Schlag einige Prozent an Überbesetzungen vermieden, d.h. die Personalkosten im betreffenden Bereich um einige Prozent gesenkt werden. Dies lässt sich am besten an einem Beispiel demonstrieren.

Lösungsbeispiel: In einem Produktionsbereich mit knapp 70 Mitarbeitern wurde folgender Verlauf des Personalbedarfs für eine typische Arbeitswoche ermittelt:

Die Abdeckung der Spitzenzeit des Bedarfs (jeweils zwischen 10 und 16 Uhr) unter den Rand¬bedingungen einer 38,5 Stunden Woche bereitete Schwierigkeiten und führte immer wieder zu Überbesetzungen in der Zeit zwischen 15:00 und 17:00 Uhr. Durch Einsatz eines speziellen Berechnungstools für optimale Schichtzeiten und Besetzungen konnte eine nahezu perfekte Abdeckung dieses Bedarfsprofil ermittelt werden, die als Nebeneffekt die Anzahl der im Grundschichtplan verplanten Arbeitsstunden und Arbeitstage je Mitarbeiter reduzierte, so dass zusätzlich „Luft“ geschaffen wurde für die Vertretung von Mitarbeitern bei Abwesenheiten aufgrund von Krankheit oder Urlaub.

Schichtplan vor Optimierung:
Überdeckung: 4,35%
Schichten pro Woche: 5,00





Schichtplan nach Optimierung:
Überdeckung: 0,37%
Schichten pro Woche: 4,76




Ergebnis: Reduktion der planmäßigen Besetzungen (und damit der Personalkosten) um ca. 4%, zusätzlich Reduktion des Bedarfs an Aushilfen für Urlaubs- oder Krankheitsvertretung um ca. 2% (bezogen auf den Gesamtpersonalbedarf)


Drittes Nutzenpotential: Flexible Vertretung von Abwesenheiten

Häufig wird in Schichtplänen keine systematische Vorsorge für die Vertretung von Mitarbeitern getroffen, die aufgrund von Urlaub, Krankheit o.ä. abwesend sind. Dies ist immer schon dann der Fall, wenn die volle Wochenarbeitszeit der Mitarbeiter im Schichtplan verplant ist. In diesem Fall ist keine Arbeitszeitkapazität für die Vertretung vorhanden. In voll- oder teilkontinuierlichen Plänen mit Nachtschichten, teilweise aber auch in Zweischicht-Systemen kommt das Problem hinzu, dass Mitarbeiter nur dann beispielsweise einen in der Frühschicht fehlenden Mitarbeiter vertreten können, wenn für sie selbst am aktuellen Tag keine Schicht geplant ist und sie am Vortag keine Spät- oder Nachtschicht leisten mussten – denn sonst würde die gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit verletzt.

Vertretung fehlender Mitarbeiter in einem Schichtplan durch andere Kollegen ist nur dann möglich, wenn bereits bei der Erstellung des Plans systematisch Vorsorge dafür getroffen wurde. Ist dies nicht der Fall, bleibt nur noch die Wahl, die einzelnen Schichtgruppen systematisch überzubesetzen in der Hoffnung, dass damit automatisch immer genügend Mitarbeiter je Schicht zur Verfügung stehen. Ein Teil des Problems kann evtl. noch über Leiharbeitnehmer gelöst werden, wenn diese in der benötigten Qualifikation kurzfristig und flexibel verfügbar sind.

Lösungsbeispiel: In einer vollkontinuierlichen Produktion sollen pro Schicht (Früh-, Spät- und Nachtschicht) jeweils 10 Mitarbeiter eingesetzt werden. Aufgrund der Urlaubsansprüche, Krankheitsquote etc. besteht ein Reservebedarf von gut 20%. Um diesen Bedarf decken zu können, werden in einem Vierschichtsystem 13 Mitarbeiter je Schichtgruppe eingesetzt. Zehn Mitarbeiter werden pro Schicht faktisch benötigt, bis zu 3 Mitarbeiter stehen als Ersatz für Abwesende zur Verfügung. Diese 3 zusätzlichen Mitarbeiter werden in diesem Schichtsystem auch minimal benötigt, da jeweils 3 Mitarbeiter je Schichtgruppe während der Sommerferien parallel Urlaub nehmen dürfen. Der tatsächliche Personalbedarf von 50,4 Mitarbeitern ist also um ca. 3,2% überbesetzt. Dennoch sind Schichten häufig unterbesetzt, was zu Problemen im Produktionsbetrieb führt, weil auch während der Sommerferien Mitarbeiter krank werden und während der typischen Grippewellen teilweise ebenfalls mehr als 3 Mitarbeiter aus einer Schicht¬gruppe abwesend sind. Zu anderen Zeiten des Jahres sind auch regelmäßig 12 oder 13 Mitarbeiter in einer Schichtgruppe anwesend, obwohl die Anlagen auch mit zehn Mitar¬bei¬tern ausreichend besetzt wären.

Die Lösung für diese Problematik bestand in einem Fünfschicht-System, in dem fünf Gruppen zu je zehn Mitarbeitern aktiv sind. Jeweils eine der fünf Schichtgruppen steht als Reserve zur Verfügung, um abwesende Mitarbeiter flexibel zu ersetzen. Während der Sommerferien werden zusätzlich Leiharbeitnehmer eingesetzt, um möglichst vielen Mitarbeitern Urlaub in dieser Zeit zu ermöglichen und die rechnerische Unterbesetzung (50 Mitarbeiter bei einem Bedarf von 50,4) zu kompensieren.


Beispiel: Vollkontinuierlicher Schichtplan mit fünf Schichtgruppen und flexibler Reserve

Ergebnis: Reduktion des Personalbedarfs um ca. 3,2%, Reduktion der Störungen im Betrieb aufgrund von Schicht-Unterbesetzungen nahezu auf Null, verbesserte Ergonomie des Schichtplans


Viertes Nutzenpotential: Controlling und Feinsteuerung

Ein wesentlicher Hebel des bedarfsorientierten Personaleinsatzes besteht in der Feinsteue¬rung. Dabei kommt es darauf an, Abweichungen vom geplanten Bedarf zu erkennen und in geeigneter Weise darauf zu reagieren. Meistens ist es weniger problematisch zu erkennen, wenn mehr Personal benötigt wird als erwartet wurde: Das „Mehr“ an Arbeit macht sich immer bemerkbar, jeder spürt die steigende Arbeitslast und in der Regel finden sich „Freiwillige“, die bereit sind noch eine Stunde an die geplante Schicht anzuhängen oder eine Schichtbesetzung zu verstärken.

Schwieriger ist es mit den Abweichungen nach unten. Es besteht eine gewisse Neigung, diese zunächst durch Verlangsamung des Arbeitstempos auszugleichen. Und bis sie dann erkannt wurden und eine Führungskraft reagiert hat, hat sich die Sache vielleicht schon wieder erledigt. Aber es sind dann bereits Leerzeiten angefallen, der Produktionsverlust und die damit einhergehenden Mehrkosten sind nicht mehr auszugleichen.

Hier sind die Führungskräfte gefordert, Abweichungen zu erkennen und mit Reduktion der Besetzungsstärken oder Schichtverkürzungen zu reagieren. Aber dies ist in doppelter Hinsicht schwierig: Man macht sich als Führungskraft nicht beliebt damit und muss bereit sein, auch Konfliktgespräche mit Mitarbeitern zu führen. Gleichzeitig werden die meisten Mitarbeiter bewusst oder unbewusst dagegen argumentieren und Gründe finden, warum doch eigentlich immer noch genug zu tun ist. Wie kann die Führungskraft auf solche Einwände sachgerecht reagieren? Sie braucht Daten und Fakten, auf die sie sich stützen kann. Und die bekommt sie durch geeignete Controlling-Maßnahmen.

Lösungsbeispiel: In einem Logistikbereich mit ca. 300 Mitarbeitern wurden aus den Auftrags¬eingängen der Vergangenheit nicht nur die typischen Muster des Bedarfsverlaufs extrahiert, sondern auch Grenzwerte festgelegt, die ein Verlassen des „normalen“ Tagesverlaufs darstellen. Wenn z.B. an einem typischen Dienstag an einer Anlage bis 14:00 Uhr ca. 1.200 Auftragspositionen als Arbeitsvorrat eingehen, könnte der „normale“ Bereich als 1.100 bis 1.300 Auftrags¬positionen definiert werden. Wird der Normalbereich unterschritten, ist die Führungskraft gefordert, Maßnahmen zur Reduktion des Arbeitszeitvolumens für die Spätschicht vorzubereiten (analog bei Überschreitung des Normalbereichs). Außerdem wird für jeden Tag eine Produktivitätskennziffer ausgewertet, die Zahl und Komplexität der Aufträge jedes Arbeitsbereichs in Relation setzt zu den dafür eingesetzten Arbeitsstunden. Der Vergleich der Produktivitätskennziffern je Tag lässt dann schnell die Tage erkennen, an denen die Produktivität überdurchschnittlich gut oder schlecht war. Abweichungen von der Erwartung können so schnell thematisiert und Lehren daraus gezogen werden.


Beispiel: Verfolgung der Arbeitszeit-Produktivität über eine Kennzahl

Ergebnis: Durch die Maßnahmen in den Bereichen Controlling und Feinsteuerung sowie die regelmäßige Thematisierung der Ergebnisse in den Teams wurde die durchschnittliche Produktivität innerhalb von 6 Monaten um mehr als 10% gesteigert.


Fazit

Gerade im Schichtbetrieb (allerdings nicht beschränkt darauf) können durch Maßnahmen zur Steuerung des Personaleinsatzes in kurzer Zeit signifikante Kostenpotentiale aktiviert werden. Interessant daran ist, dass dazu meist kein Stellenabbau erforderlich ist. Die wirtschaftliche Effizienz wird also nicht durch den Verlust qualifizierter Mitarbeiter erkauft, die beim nächsten Konjunkturaufschwung wieder schmerzlich vermisst werden. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine nachhaltige Methodik, die dazu führt, auch langfristig den Personaleinsatz wirksam an den jeweiligen Bedarf anzupassen.

Dr. Burkhard Scherf

DE, Uedem

Geschäftsführender Partner, SSZ Beratung

Dr. Scherf Schütt & Zander GmbH

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