Besteht für Mitarbeiter eine Bildungs- oder Weiterbildungspflicht?
Besteht für Mitarbeiter eine Bildungs- oder Weiterbildungspflicht?

Besteht für Mitarbeiter eine Bildungs- oder Weiterbildungspflicht?

Beitrag, Deutsch, Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH

Autor: Dr. Ulrich Brötzmann

Erscheinungsdatum: 26.11.2005

Quelle: FAZ vom 26.11.2005


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Der Ökonom Jagdish Bhagwati hat kürzlich zur Arbeitsmarktsituation in Deutschland in seiner direkten Art ausgeführt, dass sich Bewerber zukünftig eher vor oder bei der Einstellung für Weiterbildungsmöglichkeiten des neuen Arbeitgebers interessieren sollten als für Benefizien. Darin liegt ein Stück Wahrheit, denn angesichts des enormen Strukturwandels müssen sich Unternehmen immer schneller an Veränderungen anpassen und dabei müssen die Mitarbeiter mit entsprechenden Kenntnissen und Fähigkeiten helfen. Somit müssen diese Kenntnisse und Fähigkeiten ständig angepasst und erneuert werden. Wie ist aber das Thema Weiterbildung im vertraglichen Pflichtenkreis angesiedelt? Im Arbeitsleben wird hinlänglich zwischen der Pflicht zur Arbeitsleistung als Hauptpflicht und den darüber hinaus gehenden Pflichten eines Arbeitnehmers, also den Nebenpflichten differenziert. Zur Hauptleistungspflicht gehört, dass die übertragene Arbeit unter Anspannung der möglichen Fähigkeiten ordnungsgemäß verrichtet wird. Zu den Nebenpflichten gehören Unterlassungspflichten (Beispiel: Wettbewerbsverbot) einerseits, sowie Handlungs- und Förderpflichten (Beispiel: Schadensvermeidungspflicht) andererseits. Die die Weiterbildung betreffenden Pflichten können sich in diesem Rahmen einmal aus einer vertraglichen Vereinbarung oder auch aus der Art der Aufgabenstellung ( Fach- und Führungskraft) und der Höhe der Vergütung ergeben. Dabei ist naheliegend, dass die Tätigkeit eines Pharmazeuten, eines Juristen oder eines Ingenieurs besondere Fachkunde und entsprechende Fähigkeiten voraussetzt, während die qualitativen Anforderungen an einen Sachbearbeiter anders zu bewerten sein werden. D.h., zu den Fähigkeiten, die ein so qualifizierter Mitarbeiter bei der Erbringung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten vorzuzeigen hat, gehört, dass er sich auf dem aktuellen Stand seines Fachgebietes befindet. Mit dieser allgemeinen Formel kann auch beantwortet werden, welchen eigenen Weiterbildungsbeitrag ein Mitarbeiter aufzubringen hat und welche diesbezüglichen Pflichten einen Arbeitgeber treffen: Kommen die veränderten Anforderungen an einen Mitarbeiter sozusagen vom Arbeitsplatz, wird den Arbeitgeber eine Verpflichtung treffen, den Mitarbeiter durch Weiterbildungsmaßnahmen in die Lage zu versetzen, seine Arbeitsleistung auch zukünftig reibungslos zu erbringen. Tritt also ein Mitarbeiter im Bereich Warenwirtschaft in ein Unternehmen ein und wird das Warenwirtschaftssystem zukünftig mit einer neuen Software gesteuert, so wird die Schulung der Mitarbeiter auf diesem Bereich zweifellos eine Arbeitgeberaufgabe sein. Den Mitarbeiter wird die Verpflichtung treffen, an diesen Schulungen teilzunehmen, sonst riskiert er seinen Arbeitsplatz. Dafür muss das Unternehmen somit Zeit und Geld investieren. Wodurch es ja auch besondere Vorteile wiederum am Markt erhält. Gegebenenfalls kann sich hier der Arbeitgeber durch geeignete Bindungs- und Rückzahlungsvereinbarungen das so auf seine Kosten vermittelte Wissen für einen gewissen Zeitraum sichern, wenn dieses erweiterte Wissen des geförderten Mitarbeiters auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt messbar goutiert wird. Dem gegenüber ist jeder Mitarbeiter verpflichtet, seine Fähigkeiten, zu deren Verwertung der Arbeitgeber ihn ja eingestellt hat, auf dem neuesten „Stand der Technik“ zu erhalten. Hierzu muss der Mitarbeiter sicherlich auch in seiner Freizeit beispielsweise durch Literatur von Fachzeitschriften und privat finanzierte Seminare diese allgemeinen Fähigkeiten erhalten. Dies kann auch als Chance und nicht nur als Pflicht gesehen werden.

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