Kapitalanlage: Vertrag unterschrieben ohne ihn zu lesen – trotzdem Schadensersatzanspruch
Kapitalanlage: Vertrag unterschrieben ohne ihn zu lesen – trotzdem Schadensersatzanspruch

Kapitalanlage: Vertrag unterschrieben ohne ihn zu lesen – trotzdem Schadensersatzanspruch

Pressemitteilung, Deutsch, BERND Rechtsanwälte

Autor: Holger Bernd

Herausgeber / Co-Autor: Bernd Rechtsanwalts GmbH

Erscheinungsdatum: 2018


Aufrufe gesamt: 16, letzte 30 Tage: 2

Kontakt

Verlag

BERND Rechtsanwälte

Telefon: +49-551-495669-0

Telefax: +49-551-495669-19

Referenzeintrag

Weitere Informationen über:

Holger Bernd:

Kontakt

BERND Rechtsanwälte:

Kontakt

Mit dem Versäumnisurteil vom 23.03.2017 (Az.: III ZR 93/16) bezieht der Bundesgerichtshof (BGH) klar Stellung zur grob fahrlässigen Unkenntnis bei blinder Unterschrift eines Zeichnungsscheins: „Zwar handelt es sich bei der Zeichnung der Beteiligung um rechtsverbindliche Willenserklärung. Dies reicht aber für sich allein nicht aus, um zum Nachteil des Anlegers automatisch den Vorwurf grober Fahrlässigkeit bei unterlassener Lektüre des kleingedruckten Inhalts der Zeichnungsscheine zu rechtfertigen. Vielmehr darf insoweit der Kontext, in dem es zu den Zeichnungen gekommen ist, nicht ausgeblendet werden“.
Schadensersatzanspruch: Schaden entstanden bei Kapitalanlage - Vertrag blind unterschrieben
Im Streitfall hatte eine Anlegerin Schadensersatzansprüche gegen eine Beraterin wegen Beratungspflichtverletzung im Zusammenhang mit der Zeichnung von Genussrechtsbeteiligungen an einer, zum Klagezeitpunkt bereits insolventen, GmbH geltend gemacht. Nach dem Beratungsgespräch hatte die Klägerin den Zeichnungsschein unterschrieben, ohne vorher das Kleingedruckte zu lesen. Das Landgericht (LG) Darmstadt hatte der Klage am 3.6.2014 (Az.: 13 O 324/13) in erster Instanz stattgegeben, da die Beratung nicht anlegergerecht gewesen sei: Die Beraterin habe „die Beteiligungen als risikolos empfohlen, obwohl es sich um ein spekulatives Anlageprodukt mit bestehendem und sich vorliegend auch realisiertem Totalverlustrisiko gehandelt habe“. Die beklagte Beraterin ging erfolgreich in Berufung: Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt lehnt die Klage ab (Az.: 24 U 156/14). Zur Begründung gaben die Richter an, dass sich in den Scheinen Hinweise auf die Risiken der Anlage als Unternehmensbeteiligung gefunden hätten: „Das Unterschreiben der Zeichnungsscheine ohne vorherige Lektüre des Inhalts“ sei „grob fahrlässig“. Bei grob fahrlässigem Verhalten beträgt die Verjährungsfrist nur 3 Jahre und nicht, wie sonst, 10 Jahre. Ein Schadensersatzanspruch sei daher bereits verjährt und somit ausgeschlossen.
Kleingedrucktes nicht gelesen: Schadensersatzanspruch kann trotzdem geltend gemacht werden
Hiergegen urteilte der BGH zugunsten der Klägerin: „Der Anleger darf grundsätzlich auf die Ratschläge, Auskünfte und Mitteilungen, die der Berater ihm in der persönlichen Besprechung unterbreitet, vertrauen. Er muss regelmäßig nicht damit rechnen, dass er aus dem Text eines Zeichnungsscheins, der ihm nach Abschluss der Beratung zum (formalen) Vollzug der bereits getroffenen Anlageentscheidung vorgelegt wird, substantielle Hinweise auf Eigenschaften und Risiken der Kapitalanlage erhält. Erst recht muss er nicht davon ausgehen, dass von ihm zur Vermeidung des Vorwurfs grober Fahrlässigkeit erwartet wird, den Text durchzulesen, um die erfolgte Beratung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen“. Im vorliegenden Fall habe das Landgericht unter anderem festgestellt, dass die Beklagte vor Unterzeichnung keinen ausdrücklichen Hinweis darauf gegeben hatte, dass die Klägerin sich den gesamten Text in Hinblick auf etwaige Risiken der Beteiligung, sorgsam durchlesen soll. Auch habe die Klägerin auf dem Zeichnungsschein keine gesonderten Warnhinweise zusätzlich unterschreiben müssen. Die Beklagte habe hingegen „im Anschluss an das Beratungsgespräch und die bereits getroffenen Anlageentscheidung jeweils den Zeichnungsschein ausgefüllt und ihn der Klägerin dann nur noch zur Unterschrift vorgelegt“. Weitere Hinweise oder „Erörterungen inhaltlicher Art“ haben nicht mehr stattgefunden. Der Klägerin könne somit keine grobe fahrlässig wegen blinder Unterschrift vorgeworfen werden, womit eine vorzeitige Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche nicht vorliege.
Fazit: Blind unterschreiben ist nicht zwangsläufig grob fahrlässig – Schadensersatzanspruch möglich
Der BGH urteilt bezüglich der blinden Unterzeichnung eines Zeichnungsscheins anlegerfreundlich: „Wird … der Schein nur kurz zur Unterschrift und nicht länger zur eingehenden Lektüre vorgelegt, kann im Kontext der Zeichnung nicht von grober Fahrlässigkeit gesprochen werden“. Einem Anleger, dem durch die Verletzung von Beratungspflichten ein Schaden entsteht, kann somit Schadensersatzansprüche geltend machen auch wenn er das Kleingedruckte der Beteiligung vor Unterzeichnung nicht gelesen hat.
 

Fachthemen

Holger Bernd

DE, Göttingen

Geschäftsführer

BERND Rechtsanwälte

Publikationen: 35

Aufrufe seit 08/2015: 87
Aufrufe letzte 30 Tage: 1