Wirtschaftsfaktor Americas Cup
Wirtschaftsfaktor Americas Cup

Wirtschaftsfaktor Americas Cup

Beitrag, Deutsch, 116 Seiten, Gruner + Jahr GmbH & Co KG


Autor: Andreas Jung

Herausgeber / Co-Autor: Deutsche Lufthansa AG

Erscheinungsdatum: 01.07.2006

Quelle: Lufthansa exclusive

Seitenangabe: 20-32


Aufrufe gesamt: 818, letzte 30 Tage: 2

Kontakt

Verlag

Gruner + Jahr GmbH & Co KG
 Druck- und Verlagshaus

Telefon: +49-40-3703-0

Telefax: +49-40-3703-6000

Preis: Kostenlos

PDF herunterladen

Wirtschaftsfaktor America?s Cup Vorspann: Beim prestigeträchtigsten Segelrennen der Welt geht es vor allem um eines: viel Geld. Im Juli 2007 spülen sich in der spanischen Stadt Valencia die Sieger das Salzwasser mit Champagner ab. Bis dahin werden Teilnehmer, Sponsoren, Besucher und Veranstalter mehrere Milliarden Euro ausgegeben haben ? für ein paar Wettfahrten von Segelbooten. Text: Wenn Architekten über die Großen ihres Fachs reden, fällt meistens der Name von Renzo Piano. Der Italiener hat das Pariser Centre Pompidou entworfen, den Kansai International Airport in Osaka (Japan), den London Bridge Tower und er leitete die Rekonstruktion des Potsdamer Platzes in Berlin. Eines von Pianos jüngsten Werken ist eine Bootshalle. Ein karrieremäßiger Abstieg? Mitnichten. Der dreistöckige Funktionsbau im spanischen Valencia vereint Boxengasse, Werkstatt, Fitnesscenter, Ersatzteillager, Veranstaltungszentrum, Kantine, Büro, Ausstellungsraum, Fan-Shop und VIP-Lounge des italienischen Profi-Segelteams ?Luna Rossa.? Die Werksmannschaft des italienischen Modelabels Prada ist angetreten, im Juli 2007 die prestigeträchtigste Regatta der Welt zu gewinnen ? den America?s Cup (AC). Die Fassade der Team-Basis schimmert edel und anthrazitfarben. Sie sieht aus, als bestehe sie aus den Kevlar- und Kohlefaser-Segeln der Hightech-Racer. Sie sieht nicht nur so aus, sie ist es auch: Renzo Piano ließ die 3100 große Außenfläche der Team-Basis mit mehr als 50 der riesigen Tücher verkleiden. Neu kosten diese Segel schon einmal 100.000 Euro ? pro Stück. Die längste Zeit seiner 157-jährigen Geschichte galt der AC als feuchte Duell-Variante für superreiche Schnösel und fand weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Heute ist er Big Business, vergleichbar mit der Formel 1. ?Wir schätzen den ökonomischen Faktor für die Stadt Valencia und für die Region auf 1,5 Milliarden Euro ?, sagt José Salinas, Direktor des Valencia Tourism Convention Bureaus (TVBC). ?Insgesamt werden hier durch den America?s Cup rund 10.000 neue Arbeitsplätze entstehen, vor allem in der Bauwirtschaft und im Tourismus?, prophezeit der Jurist. Tatsächlich bewegen Teilnehmer und Veranstalter gewaltige Summen: Allein das Budget der zwölf Segel-Rennställe beträgt insgesamt etwa 600 Millionen Euro. Auf 210 Millionen Euro beläuft sich der Etat der Veranstaltungsgesellschaft ?America?s Cup Management? (ACM). Und fürs Dabeisein verjubeln hunderte von Sponsoren einen Großteil ihrer Marketing-Kasse. So kostet dem Unternehmen United Internet aus dem rheinland-pfälzischen Montabaur der Status eines Namensgebers selbst für das chancenlose deutsche Team rund 50 Millionen Euro. Der AC ist nichts für Krämerseelen. Doch was macht ihn wirtschaftlich so bedeutsam? Wo bleibt das viele Geld? Ein Vermögen verschlingen allein die Kosten der Teams. ?Geld bedeutet Geschwindigkeit?, sagt Dennis Conner (63), vierfacher Gewinner des America?s Cups. Wer mit hundert Millionen US-Dollar antrete, kann seiner Meinung nach unter sportlichen Gesichtspunkten zu Hause bleiben. ?Zum Siegen braucht?s heute etwa das Dreifache?, schätzt die Segel-Ikone. So beschäftigen die Rennställe über Jahre rund 30 Profi-Segler, die kaum weniger verdienen als Fußballspieler. Die besten Skipper und Strategen erhalten hohe sechsstellige Jahresgehälter. Für Top-Stars wurden gerüchteweise schon Ablösesummen in zweistelliger Millionenhöhe gezahlt. Hinzu kommen die Gehälter für 60 bis 80 angestellte Boots- und Mastenbauer, Designer, Segelmacher, Meteorologen, Fitnesstrainer, Psychologen, Logistikexperten, Motorbootfahrer, Wartungspersonal, Juristen, Marketingleute und Verwaltungsangestellte. Millionen müssen die Teams auch für ihre Sportgeräte aus ultraleichten Hightech-Materialien wie Karbon, Kevlar, Mylar oder Titan investieren. Deren Bau dauert mindestens 20.000 Arbeitsstunden ? umgerechnet 2500 Manntage. Dadurch entstehen Herstellungskosten in Höhe von etwa vier Millionen Euro pro Yacht, von denen die meisten Teams zwei Stück besitzen. Noch höher sind die Ausgaben für Forschung und Entwicklung. So sind Berechnungen für eine optimale Bootsform weit aufwendiger als für einem Rennwagen. Konstruktionsbedingte Verbesserungen des Bootsspeeds um 0,1 Prozent gelten bereits als ambitioniert, kosten aber Millionen. Wohl nicht zufällig werden die wohlhabendsten Teams als heiße Favoriten gehandelt: Titelverteidiger ?Team Alinghi? aus der Schweiz verfügt schätzungsweise über mehr als hundert Millionen Euro. Dem US-Herausforderer ?BMW Oracle Racing? unterstellen Insider nahezu unbegrenzte finanzielle Möglichkeiten. ?Das ist doch eine billige Sache?, tönt Oracle-Gründer Larry Ellison, mit 18,4 Milliarden Dollar Privatvermögen einer der zehn reichsten Menschen der Welt. Um ein maximal schnelles Schiff zu konstruieren, steckte das 40-köpfige Design-Team von ?BMW Oracle Racing? 200.000 Arbeitsstunden in Forschung und Entwicklung. Vier Milliarden Rennen ließen die Spezialisten am Computer simulieren. Von herkömmlichen PCs sind solche Aufgaben nicht mehr zu bewältigen. Zur Entwicklung der Yacht vom südafrikanischen ?Team Shosholoza? stellte Sponsor T-Systems daher einen Super-Computer zur Verfügung, der sonst für die Entwicklung von Flugzeugen eingesetzt wird. ?United Internet Team Germany? sicherte sich die Unterstützung des Hochleistungs-Modell ?SX-8? vom japanischen Computerkonzerns NEC. Das Gerät gilt mit 65 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde (?Teraflop?) als schnellster Vektorrechner der Welt. Für die Sponsoren scheint sich solches Engagement vielfach Fällen zu rechnen. So wurde die schweizerische Investmentbank UBS von der Wirtschaftswoche jüngst zur besten Finanzmarke des Jahres 2006 gekürt. Zu verdanken hat UBS das vor allem seinem 20-Millionen-Euro-Investment als Sponsor von ?Team Alinghi?. ?Davon haben wir sehr profitiert?, sagt Bernhard Eggli, verantwortlich für die UBS-Markenführung. Der Segelsport habe zu einem erheblichen Imagetransfer in Bezug auf Parallelen wie Ausdauer, strategische Kompetenz und Professionalität geführt. Was für Finanzdienstleister funktioniert, klappt auch in anderen Branchen: Die Liste der Förderer reicht von Autobauern wie BMW, Ford oder Toyota über IT-Unternehmen wie Alcatel, Oracle, T-Systems, Telekom Italia, United Internet, bis hin zu Energieversorgern wie Endesa oder Areva. Aber auch Konsum- und Luxusgüterunternehmen wie Louis Vuitton, TAG Heuer, Nestlé, Coca Cola oder eben Prada setzen auf den AC. Kein Wunder: Die Assoziationen, die sich mit dem AC verbinden, sind so vielfältig wie positiv. Hightech gehört dazu, Exklusivität, Internationalität, coole Typen, Emotionen, sauberer Sport, Jet Set, Legenden und Tradition. ?Der America?s Cup übt eine ganz besondere Faszination aus. Dieser Spirit überträgt sich auf unsere Kunden?, sagt Jan-Christiaan Koenders, Leiter Markenkommunikation bei BMW. Die Geldmaschine funktioniert vor allem, weil hunderte Medien weltweit über den Cup berichten. Beim letzten AC 2003 in Neuseeland hatten sich 2350 Journalisten aus 49 Nationen akkreditiert. 520 Fernsehstationen berichteten in 3369 Beiträgen insgesamt 4610 Stunden und erreichten rund zwei Milliarden Privathaushalte. Es erschienen knapp 45.000 Printartikel. Die Websites des Veranstalters wurden 235 Millionen Mal aufgerufen. Solche Zahlen lassen die Herzen von Marketingexperten schneller schlagen. Häufig noch wichtiger als der Werbewert ist aber das Exklusivitäts-Feeling, das Hauptsponsoren ihren Top-Kunden bieten können. Denn nur ausgewählte Gäste der Sponsoren oder Veranstalter kommen den Aktiven wirklich nahe. Besonders üppig dimensioniert ist daher mit 1200 Quadratmetern beispielsweise der Gästebereich der sieben Millionen Euro teuren Basis von ?Team Alinghi.? Unternehmen, die nicht zum erlauchten Kreis der Sponsoren gehören, können beim America?s Cup Management (ACM) Exklusivität kaufen: Das Angebot ?Club Goleta? besteht aus eintägigen Besucherarrangements zum Preis von mindestens 950 Euro pro Person und ist streng limitiert auf 80 Plätze pro Unternehmen. Wichtigster Programmpunkt sind exklusive Regatta-Beobachtungsfahrten in die ansonsten streng abgesperrte Wettkampfzone. Derartige Veranstaltungen sind nicht die einzigen Einnahmequellen des ACM, eines vom Genfer Segelclub des Titelverteidigers Alinghi gegründeten Unternehmens. Allein 90 Millionen Euro musste die Stadt Valencia zahlen, um vom ACM den Zuschlag als Veranstaltungsort zu erhalten. Weiteres Geld fließt aus dem Verkauf von Merchandising-Lizenzen, aus dem Betrieb des eigens errichteten America?s Cup Parks für Besucher oder stammt von Sponsoren. Auch die Vermietung der insgesamt rund 700 Liegeplätze im nagelneuen America?s Cup Hafen obliegt dem ACM. Um hier anzulegen, zahlen Eigner einer bescheidenen 15-Meter-Yacht mindestens 105 Euro pro Nacht ? in der Nebensaison. Über die Liegegelder für die zum Finale erwarteten 40 Superyachten wird nicht geredet. Zum Schnäppchenpreis waren hingegen TV-Rechte zu erwerben ? manche Sender haben nur einen Euro bezahlt und erhalten dafür auf Wunsch sogar professionell produziertes Sendematerial. Einzige Gegenleistung: garantierte Sendezeit. ?Damit konnten wir uns sehr früh einen weltweit hohen Aufmerksamkeitswert sichern?, sagt Paco Latorre, Leiter der ACM-Unternehmenskommunikation. ?Bei den Verhandlungen hatte Reichweite Priorität vor finanziellen Aspekten. Deswegen haben wir Einzellizenzen nicht immer an den meistbietenden Sender vergeben.? Latorre, der vom Grand-Prix-Motorsport zum America?s Cup gewechselt ist, gehört zu den 120 angestellten ACM-Mitarbeitern aus 20 Ländern. Deren Gehälter verschlingen rund ein Viertel des ACM-Gesamtbudgets. Der gleiche Teil entfällt auf Marketing, Pressearbeit und TV-Produktionen drauf. Die Ausrichtung der Regatten selbst fällt mit rund 20 Millionen Euro vergleichsweise günstig aus. Mindestens die gleiche Summe sollen beim ACM als Gewinn hängen bleiben. Gewinnen werden aber auch die 800.000-Einwohner-Stadt Valencia, die Region und ganz Spanien. Tourismus-Direktor Jose Salinas rechnet mit bis zu einer Million zusätzlicher Besucher die bis zu 700 Millionen Euro ausgeben werden. ?Bei diesen Gästen handelt es sich nicht um Billig-Touristen sondern um Top-Konsumenten?, sagt Salinas. Die vom ACM prognostizierten fünf Millionen Besucher hält er allerdings für ?Propaganda.? Nicht unerhebliche Summen werden die zahlreichen, exklusiven Kunden- und Mitarbeiterevents der Sponsoren hereinspülen. Viel Geld stammt aber auch von den Teilnehmern selbst: Nach Salinas? Einschätzung werden die zwölf Segelteams 360 Millionen Euro im Land lassen. Schließlich handele es sich bei den Mannschaften ? Angehörige mitgerechnet ? um einen Tross von insgesamt rund 4000 Menschen, die mehrere Jahre in Valencia lebten. Neben den konstanten Windbedingungen ist es vor allem dem zurückhaltenden Salinas zu verdanken, dass der Cup nach Valencia kam. Denn der Direktor der Tourismus Zentrale leitete auch die drei Millionen Euro teure AC-Bewerbungs-Kampagne und setzte sich gegen weltweit 49 Konkurrenten durch. Dabei profitierte Salinas nicht nur vom passenden Klima sondern auch von einem landesweiten Committment. ?Wir haben Spanien ausgewählt, weil man hier in der Lage ist, sich schnell und flexibel auf eine neue Situation einzustellen?, sagt sibyllinisch ACM-Direktor Michel Bonnefous. Meinen dürfte er damit etwa den ruck-zuck eingeführten fiskalischen Sonderstatus für AC-Teilnehmer: Sie müssen in Spanien nur 35 Prozent ihrer Einkünfte versteuern. ?Zum Teil war die Bewerbung sicher auch ein politisch gewolltes Projekt, um die Attraktivität der Stadt nachhaltig zu erhöhen? sagt ACM-Sprecherin Beatriz Pastor y Puga. ?Der Zuschlag diente manchen Leuten als perfekte Begründung, um endlich mit einigen, schon seit Jahren geplanten Maßnahmen loszulegen?, bestätigt Elena Gala. Die quirlige Spanierin ist Kommunikationsleiterin des ?Consorcio Valencia 2007?, einem für den AC gegründeten Gemeinschaftsorganisation von Stadt, Region und Land. Das Konsortium verfügt über ein Budget von 500 Millionen Euro und kümmert sich mit 25 Mitarbeitern ausschließlich um die Infrastruktur zur Ausrichtung des Cups. 200 Millionen sind bereits fest verplant oder ausgegeben, etwa für den Bau der AC-Marina mit angrenzenden Anlagen (149 Mio.), eines Besucherparks inklusive Gebäude und Tiefgarage für 800 Fahrzeuge (35 Mio.), des Regattabüros (2,5 Mio.) oder für das Pressezentrum (1,9 Mio.). Allein 13 Millionen Euro verschlangen Grüngürtel, Lärmschutzwände und eine Umgehungsstraße für die bis zu 3000 Lkw, die täglich den angrenzenden Containerhafen verlassen und das Freizeit-Ambiente im Port America?s Cup stören würden. Zudem entstehen durch den AC in Valencia acht neue Hotels mit insgesamt 1600 Betten. Am Flughafen wird eine Landebahn verlängert, ein dreistöckiges Parkhaus gebaut und der Sportboothafen bekommt eine eigene U-Bahn-Station. Insofern ist Renzo Pianos Prada-Bootshalle im ehemaligen Industriehafen nur ein Baustein eines gigantischen ökonomischen Projektes. Ein kleiner Baustein, aber einer der ästhetischsten. Kasten: Insgesamt rund zwei Jahre dauert der America?s Cup. Soviel Zeit vergeht zwischen den ersten Vorregatten und dem Finale ab 23. Juni 2007. Die Rennen finden zuschauerfreundlich im küstennahen Bereich statt, dauern in der Regel weniger als zwei Stunden und werden TV-kompatibel nach einem simplen Turniermodus Boot gegen Boot ausgetragen. Anders als bei einer Fußball-WM, ist der Titelverteidiger (?Team Alinghi?) automatisch fürs Finale gesetzt. Für die elf Herausforderer beginnt die heiße Phase der Qualifikationsregatten am 18.4.2007 mit dem Louis Vuitton Cup. Bis dahin bereits absolvierte Wettfahrten gehen mit einem geringen Faktor in die Gesamtwertung ein. Im Louis Vuitton Cup segeln alle Mannschafen je zweimal gegeneinander. Am Ende dieser Vorrunde erfolgt ein spektakulärer Massenstart von allen Booten gleichzeitig. Die punktbesten Teams der Vorrunden kommen ins Halbfinale. Hier können sie sich jeweils im K.O. - System ? erforderlich sind fünf Siege ? für das Herausforderer-Finale und schließlich für den eigentlichen America?s Cup gegen den Schweizer Titelverteidiger qualifizieren. Der Gewinner der bodenlosen Silberkanne ist Ausrichter des nächsten Cups, bestimmt damit das Revier, hat maßgeblichen Einfluss auf Regeln und zulässiges Bootsmaterial ? und besitzt eine Lizenz zum Gelddrucken.

Andreas Jung

DE, Hamburg

Geschäftsführer

das AMT GmbH Gesellschaft für individuelle Kommunikation

Publikationen: 2

Aufrufe seit 07/2006: 969
Aufrufe letzte 30 Tage: 2