Bauablaufstörungen: Fristverlängerungsanspruch ermitteln und begründen
Bauablaufstörungen: Fristverlängerungsanspruch ermitteln und begründen

Bauablaufstörungen: Fristverlängerungsanspruch ermitteln und begründen

Beitrag, Deutsch, 4 Seiten, Bauwerk Verlag GmbH

Autor: Prof. Dr. Thomas Heilfort

Erscheinungsdatum: 2002

Quelle: Baumarkt+Bauwirtschaft


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In Baumarkt + Bauwirtschaft 3 und 6/2002 wurde beschrieben, wie Abweichungen vom geplanten Bauablauf unter Einsatz der Programme MS Project beziehungsweise Power Project systematisch erkannt, Auswirkungen sofort festgestellt und sicher dokumentiert werden können. Nicht alle Abweichungen vom geplanten Bauablauf führen jedoch automatisch zu einem Fristverlängerungsanspruch. In diesem Beitrag wird daher erläutert, wie ein Anspruch auf Verlängerung der Ausführungsfristen nachvollziehbar ermittelt und begründet werden kann. Die Darstellungen resultieren aus Forschung und Praxis des Verfassers in Termincontrolling, Nachtragsmanagement und Bewertung gestörter Bauabläufe. 

Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an den Nachweis einer Fristverlängerung. Selbst wenn die Ursache einer Bauablaufstörung von allen Projektbeteiligten gleichermaßen anerkannt wird, kommt es hinsichtlich der Fristverlängerung oft zu unterschiedlichen Beurteilungen. Oft können Fragen zur Störungsdauer, zum Einfluss auf Bauzeit und Fertigstellungstermine oder zur Schadensminderungspflicht des Auftragnehmers nicht einvernehmlich geklärt werden. Eine Befragung sächsischer Bauunternehmer hat gezeigt, dass Mehrkosten aus Bauablaufstörungen in 65 % aller Fälle aufgrund von Problemen beim Nachweis der Anspruchsgrundlage nicht durchgesetzt werden können. Nur eine Ursache wurde mit 80 % häufiger genannt: Der Kostendruck des Auftraggebers (Abbildung 1). 
Die Probleme mit der Anspruchsgrundlage beginnen bei der Berechnung und Begründung der Fristverlängerung. Begründet ein Auftragnehmer eine Bauzeitverlängerung (und damit in der Regel auch einen entsprechenden Nachtrag) lediglich mit einem Verweis auf den geführten Schriftverkehr, entspricht dies in keiner Weise den Anforderungen an einen schlüssigen Vortrag und kann daher vom Auftraggeber bereits mit formalen Einwänden abgewiesen werden – ganz abgesehen vom möglicherweise viel gravierenderen Vertrauensverlust. In diesem Beitrag wird erläutert, wie ein Anspruch auf Verlängerung der Ausführungsfristen auch für Dritte nachvollziehbar ermittelt und begründet werden kann. 

Nachweis eines adäquat-kausalen Wirkzusammenhangs erforderlich
Ganz gleich, ob es sich bei der Bauablaufstörung um die Folge einer anderen Anordnung oder um einen Behinderungstatbestand handelt, Voraussetzung eines Fristverlängerungsanspruchs ist der Nachweis eines adäquat-kausalen Wirkzusammenhangs zwischen Störungsursache und Störungsauswirkung. Der Nachweis wird ermöglicht durch vorausschauende Planung, ständige Überwachung und baubegleitende Dokumentation des Bauablaufs unter Einsatz geeigneter Software, z. B. von Power Project oder MS Project. 
Jedoch ist insbesondere bei komplexen Wirkzusammenhängen, einer großen Zahl kleinerer Störungen und vermeintlich unkritischen Leistungen der Nachweis eines eindeutigen Zusammenhangs zwischen Ursache und Auswirkung nicht ohne Weiteres möglich. Selbst wenn in diesen Fällen eine Vielzahl von Behinderungsanzeigen vorliegen, werden Ansprüche oft bereits durch eine fehlende oder ungenügende Dokumentation der tatsächlichen Auswirkungen auf den Bauablauf gefährdet. Wenn aber kein kausaler Zusammenhang zwischen der Störungsursache und der Auswirkung auf Bauzeit und Fertigstellungstermine hergestellt werden kann, geht dies regelmäßig zu Lasten des Auftragnehmers. 

Abgrenzungsprobleme zwischen Schwankung und Störung 
Probleme ergeben sich auch aus der Abgrenzung von Bauablaufstörungen und Bauablaufschwankungen. Der Auftragnehmer wird seinen Bauablauf zwar aus baubetrieblicher Sicht optimal erstellen, ist aber darauf angewiesen, aus Erfahrungswerten der Vergangenheit einen in der Zukunft liegenden Bauprozess planerisch abzubilden. Die Folge ist ein in der Regel geringfügig um die geplanten Zeitansätze streuender Bauablauf. Jede Abweichung des tatsächlichen Bauablaufs kann damit sowohl hinzunehmende Bauablaufschwankung als auch anspruchsbegründende Bauablaufstörung sein. 
Bauablaufabweichungen werden gemäß dem in Baumarkt + Bauwirtschaft 3/2002 und 6/2002 vorgestellten Verfahren der Anspruchssicherung ebenso wie Bauablaufstörungen als Differenz zwischen Plan- und Ist-Wert erfasst, führen aber lediglich zu positiven oder negativen Veränderungen des bereits im Bau-Soll einzuplanenden Puffers. Erst wenn negative Schwankungen nicht mehr ausgeglichen werden können, wird auch die Schwankung zur Störung, für die dann im Bauablaufplan detailliert und jederzeit nachvollziehbar Ursache und Auswirkung erfasst werden muss. 

Fristberechnung erfolgt durch Fortschreibung des Ablaufplans 
Fortschreibung eines Bauablaufplans bedeutet, die bis zum Betrachtungszeitpunkt erfolgte, tatsächliche Leistungserbringung in den Bauablaufplan einzuarbeiten und auf Übereinstimmung mit dem maßgeblichen Bau-Soll zu untersuchen. Führen konkrete Störungsursachen zu Abweichungen der tatsächlichen von der geplanten Leistungserbringung, sind deren konkrete Auswirkungen auf Bauzeit und Fertigstellungstermine zunächst unter Beibehaltung aller ursprünglich geplanten Abhängigkeiten isoliert zu untersuchen und zu dokumentieren. Im zweiten Schritt ist zu prüfen, inwiefern durch Umstellungen des Bauablaufs die festgestellten Auswirkungen (kostenneutral) reduziert werden können oder weitere Zuschläge für das Wiederanlaufen, neue technologische Abhängigkeiten oder Verschiebungen der Arbeiten in ungünstigere Witterungsperioden erforderlich sind. Da bei der Fortschreibung zahlreiche Parameter simultan geändert werden, ist eine nachvollziehbare, schrittweise Dokumentation besonders wichtig. Aus der Neuberechnung des fortgeschriebenen, gegebenenfalls strukturell überarbeiteten Bauablaufplans folgt die tatsächliche Fristverlängerung nach einer Bauablaufstörung. 
Die Abbildung 3 zeigt den Ausschnitt aus einem mit MS Project fortgeschriebenen Ablaufplan (Daten vom Verfasser geändert). In der Datentabelle und im Balkendiagramm wird nur ein Teil der insgesamt verfügbaren Daten zu den Auswirkungen der Bauablaufstörung 1.1. bis 1.3 sowie der Beschleunigung 1.4 dargestellt. Das ursprünglich geplante Bau-Soll („Anfang Plan“ bis „Ende Plan“ beziehungsweise schwarze Unterstriche im Diagramm), das derzeitige Bau-Soll nach Fortschreibung („Anfang“ bis „Ende“ beziehungsweise grüne Balken), die Höhe der Abweichung vom geplanten Anfang und Ende („Abw. A.“ und „Abw. E.“) sowie die Zeiten der Bauablaufstörung („Stör-Anfang“ bis „Stör-Ende“, rote Segmente). Die Bauablaufstörungen 1.1 bis 1.4 führen zu einer Verlängerung der Aushubarbeiten um insgesamt 74 Arbeitstage. 

Datenfülle in der chronologischen Störungstabelle aufbereiten
Die Bauteile A und B, deren Aushub ursprünglich gemeinsam erfolgen sollte, waren von den Bauablaufstörungen jedoch unterschiedlich betroffen. Im Interesse der Schadensminderung hat der Auftragnehmer den Aushub getrennt nach Bauteilen ausgeführt und im Bauteil B zudem um 5 AT beschleunigt, so dass die Störungsauswirkungen auf beide Bauteile reduziert werden konnten. Aus dem Bauablaufplan gemäß Abbildung 3 lässt sich diese Information zum Erfassungszeitpunkt noch entnehmen. Wenn aber weitere Bauablaufstörungen hinzukommen, können diese Wirkzusammenhänge im Bauablaufplan selbst bei intensiver Analyse von nicht unmittelbar am Bau Beteiligten nur schwer identifiziert werden. 
Doch das konkrete Wissen um Wirkzusammenhänge kann im weiteren Projektablauf auch bei der eigenen Bauleitung verloren gehen, weshalb die im Bauablaufplan erfassten und fortgeschriebenen Datenmengen zusätzlich aufbereitet und erläutert werden sollten. In der Praxis hat sich bewährt, die wesentlichsten Informationen zu Bauablaufstörungen in einer Störungstabelle zusammenzufassen. Die Störungstabelle sollte entsprechend der Fortschreibungen vom Soll 1 (Vertrags-Soll) zum Soll n (Index der letzten Fortschreibung) chronologisch aufgebaut sein und baubegleitend geführt werden. 
Abbildung 4 zeigt die aus dem gezeigten Planausschnitt resultierende Störungstabelle. Die Tabelle erfasst die einzelnen Bauablaufstörungen sowie deren Dauer und Auswirkung auf Bauzeit und Fertigstellungstermine – hier getrennt für die Bauteile A und B. Hinterlegt mit dem fortgeschriebenen Bauablaufplan bildet diese Darstellung die Basis für weiterführende Erläuterungen der störungsspezifischen Sachverhalte. Im Beispiel haben die zum Soll 2 führenden Bauablaufstörungen 1.1 bis 1.4 zu einer Verlängerung der Bauzeit im Bauteil A um 15 AT und um 74 AT im Bauteil B geführt. Bereits berücksichtigt ist die Beschleunigung des Auftragnehmers durch Trennung der Bauteile und Verkürzung der Vorgangsdauer „56 – Restaushub“. Der neue Fertigstellungstermin für das Bauteil A im Soll 2  wurde bei ansonsten ungestörter Leistungserbringung für den 12.12.03, für Bauteil B für den 14.04.04 bestimmt. 

Textliche Erläuterungen zur Fristberechnung sind unerlässlich 
Bei der Begründung der Fristverlängerung kommt es neben der Anspruchsberechnung im vernetzten Bauablaufplan und der Dokumentation der wesentlichen Zusammenhänge in der Störungstabelle auch auf die vor allem für zunächst unbeteiligte Nichttechniker wichtigen textlichen Erläuterungen an. 
Für jede einzelne Bauablaufstörung sollte zunächst der Ausgangszustand gemäß bisherigem Ablaufplan dargestellt werden (z. B.: „Der Vorgang 52 und 53 – Aushub BT A und B – sollte gemäß Soll 1 am 03.06.02 beginnen und für die gesamte Baugrube 60 Arbeitstage andauern.“). Im nächsten Schritt ist zu erläutern, welches Ereignis eine Abweichung von den Soll-Vorgaben verursacht hat („Mit Schreiben vom 25.07.02 hat der Auftraggeber Änderungen am Verbau angeordnet.“). Dann sollte die Reaktion des Auftragnehmers dargestellt werden („Am 25.07.02 hat der Auftragnehmer den zeitlichen Mehrbedarf angezeigt und mit der Erstellung der zusätzlichen Leistung begonnen.“) Schließlich folgt die Darstellung der Störungsdauer („Die zusätzliche Leistung erforderte einen Mehraufwand von 15 AT. Der Vorgang 52 dauerte somit aufgrund der anderen Anordnung des Auftraggebers nicht wie geplant 60 AT, sondern 75 AT.“). Wichtig ist auch die Störungsabmeldung („Am 10.08.02 wurde dem Auftraggeber das Ende der zusätzlichen Verbauarbeiten angezeigt. Der Restaushub konnte beginnen“). 
Werden die einzelnen Aussagen mit beweiskräftigen Dokumenten belegt, kann die Fristberechnung vom Auftraggeber leicht nachvollzogen werden – in jedem Fall Voraussetzung für ein positives Prüfergebnis. Werden dann noch die schadensmindernden Beschleunigungsmaßnahmen detailliert dargestellt, bleibt wenig Raum für sachliche Gegenargumente. 

Fazit
Die Ermittlung, Dokumentation und Begründung von Fristverlängerungsansprüchen erfordert baubegleitend einen relativ geringen Mehraufwand. Im Ergebnis kann jedoch ein detaillierter Einzelnachweis der Ursachen und Auswirkungen von Bauablaufstörungen erbracht werden, der den Erfolg bei der Durchsetzung berechtigter Ansprüche deutlich erhöht. Ein wichtiger Aspekt ist aber auch die Sensibilisierung aller Projektbeteiligten für die Folgen nicht vertragskonformen Handelns – seien es nachträgliche Änderungen oder mangelhaft beziehungsweise verspätet erbrachte Mitwirkungspflichten. Anspruchssicherung ist so immer auch Anspruchsvermeidung.

Prof. Dr. Thomas Heilfort

DE, Dresden

Inhaber

Dr.-Ing. Dipl.-Kfm. Thomas Heilfort

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