Die Staatsverschuldung wächst nach eigenen Gesetzen

Anders als in früheren Zeiten ist die seit dem Zweiten Weltkrieg in den westlichen Industrieländern aufgebaute Staatsverschuldung weder Kriegen noch großen staatlichen Investitionen wie dem Eisenbahnbau des 19. Jahrhunderts zuzuschreiben. Sie diente vornehmlich einem höheren Konsum - einem „Wohlstand auf Pump“. Selbst der historische Sonderfall der deutschen Wiedervereinigung bildet dabei keine Ausnahme. Die seit 1990 aufgenommenen Neuschulden flossen weitgehend in den Staatsverbrauch und nicht in Investitionen.
Der Aufsatz zeichnet die Entwicklung der Staatsverschuldung in Deutschland von 1949 bis Mitte der 90er-Jahre nach und untersucht am deutschen Beispiel die Ursachen des säkularen Verschuldungstrends in den westlichen Industrieländern. Er zeigt, dass gängige Erklärungsmuster, die sich auf den Politiker als verantwortlichen Akteur konzentrieren, zu kurz greifen. Weder die Instrumentalismusthese (gutwilliger Politiker) noch die Verschwörungsthese (böswilliger Politiker) können überzeugen. Die eigentliche Ursache des nicht nur für Deutschland zu konstatierenden Trendbruchs im Verschuldungsverhalten Ende der sechziger Jahre ist vielmehr in Veränderungen der in der Gesellschaft verankerten Wertvorstellungen zu suchen. Diese sind das Ergebnis eines sozioökonomischen Evolutionsprozesses, in dem institutionelle Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle spielen. An diesen muss angesetzt werden, um den Verschuldungstrend zu brechen.

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