Ökonomisierung von Beziehungen
Ökonomisierung von Beziehungen

Ökonomisierung von Beziehungen

Informationelle Transparenz - Haftung der Banken trennen - finanzielle Umsteuerung - Entpolarisierung

Beitrag, Deutsch, 10 Seiten, ZEITpresse

Autor: Günter Polhede

Herausgeber / Co-Autor: Günter Polhede

Erscheinungsdatum: 2012

Quelle: ZEITpresse, Klagenfurt/Österreich

Seitenangabe: 18-29


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Hier der Extrakt des Beitrags in der "ZEITpresse" Ausgabe 1/2012

Ökonomisierung von Beziehungen
Informationelle Transparenz – Haftung der Banken trennen – finanzielle Umsteuerung – Entpolarisierung
 
Analyse:
Es werden die komplexen Beziehungen zwischen Menschen und Ökonomie betrachtet.
 
Die Ökonomie ist ein Kreislauf aus Geld und Gütern. Beides wird von Menschen gehandhabt.
 
Der Kreislauf wird durch Sparen geschmälert und durch Kredite verstärkt. Sein hauptsächlicher Antrieb ist der Wille der am ökonomischen Kreislauf Beteiligten, zunehmend mehr Geld und Güter haben zu wollen. So entsteht ökonomisches Wachstum.
 
Ermöglicht wird das Wachstum durch Automatisierung. Es wird zunehmend mehr produziert, verkauft, investiert verdient, gekauft. Die Zahl der Arbeitsplätze nimmt zu.
 
Die Wünsche der Individuen nach Existenzsicherung, Bedürfnisbefriedigung, Luxus und Statussymbolen vereinigen alle Individuen in der Gesellschaft zu einer Interessengemeinschaft. Die kann ihre Wünsche zur Teilhabe an den quantitativen Wachstumserfolgen realisieren, ohne qualitative Werte einbüßen zu müssen. Der Staat leitet einen Teil der Wachstumserfolge an Benachteiligte um, die nicht direkt mitwirken können. Alle Menschen können somit an den Wachstumserfolgen teilhaben. Es entsteht ökonomische und gesellschaftliche Stabilität bei demokratisch legitimierter Akzeptanz im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft.
 
Automatisierung steigert die Produktion und führt längerfristig zu tendenzieller Marktsättigung.
Automatisierung bringt Rationalisierung mit sich. Dabei werden längerfristig mehr Menschen arbeitslos als zum Realisieren des Wachstums zusätzlich erforderlich sind. Es entsteht Arbeitslosigkeit. Das dabei abnehmende Einkommen schwächt die Nachfrage.
Gut verdienende Konsumenten haben längerfristig einen Teil ihrer Bedürfnisse befriedigt, kaufen weniger und schwächen ebenfalls die Nachfrage.
Menschern mit gutem Einkommen und teilweise gesättigten Bedürfnissen können das zusätzlich verdiente Geld sparen.
 
Zusammenfassung: Der ökonomische Kreislauf wird geschwächt durch die Sättigung des Gütermarktes und von Bedürfnissen, das geringere Einkommen bei Arbeitslosigkeit und dem zunehmenden dem Finanzvermögen hinzugefügten Einkommensanteil. Der Antrieb der Marktwirtschaft besteht darin, dass alle Beteiligten den Umfang der erhaltenen Güter und finanziellen Mittel steigern wollen. Sobald dieses Bestreben durch mangelndes Wachstum behindert wird, kann ein Teil der Bevölkerung den Wunsch nach Steigerung der Teilhabe am ökonomischen Kreislauf nur auf Kosten Anderer befriedigen. Es findet eine gesellschaftliche Polarisierung statt. Trotzdem möchten viele Menschen weiterhin Wachstumserfolge einstreichen.
 
Arbeitslose werden bei beginnender zunehmender Arbeitslosigkeit für ihre Situation oft selbst verantwortlich gemacht. Sobald größere Bevölkerungsgeschichten davon betroffen sind, werden ausländische Arbeitnehmer, Billiglohnländer und die Vorteilswahrnehmung von Konzernen und Banken als Schuldige für solche Veränderungen ins Feld geführt.
 
Der Staat versucht durch finanzielle Unterstützung im sozialen Bereich und durch Steuererleichterungen und Subventionen für Unternehmen ökonomisch wirksam zu werden, um einer Wachstumsschwächung und einer gesellschaftlich polarisierenden Diskussion entgegenzuwirken. Der Staat übernimmt im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft neben der sozial begründeten Umverteilung die Aufgabe des Wachstumsförderers. Der Glauben an permanent mögliches Wachstum kann somit vorerst aufrechterhalten werden, während die Staatsverschuldung immer weiter zunimmt.
 
Insgesamt ist eine Polarisierung zu beobachten zwischen Menschen, die einerseits
- Vermögen haben und damit zusätzliche finanzielle Mittel erlangen, indem sie z.B. Geld an den Staat verleihen, damit der Staatsverschuldung realisieren kann oder indem sie Kursgewinne realisieren,
- gut bezahlte Arbeit haben,
- durch prozentuale Lohn- und Gehaltserhöhungen insbesondere dann einen relativ hohen Zuschlag zusätzlich erhalten, wenn sie ein hohes Einkommen haben,
- gesicherte Freizeit haben zum Erwerb qualitativer Werte;
und Menschen, die andererseits
- schlecht bezahlte Arbeit haben, die zu einem wesentlichen Teil das Existenzminimum nicht sichert,
- keine bezahlte Arbeit haben,
- als Arbeitslose und bei geringem Einkommen die Preiserhöhungen im Rahmen der ökonomischen Entwicklung genau wie diejenigen tragen müssen, die hohe Vermögen und Einkommen haben,
- abnehmende Zeit zum Erwerb qualitativer Güter zur Verfügung haben.
 
Der Staat hat auf Grund der Staatsverschuldung seine Existenz gefährdet und kann der Polarisierung und drohender gesellschaftlicher Destabilisierung nicht mehr wirkungsvoll entgegentreten.
 
Die Illusion von permanent möglichem ökonomischem Wachstum zerstört sich damit selbst. Dieser Gedanke hat viele Menschen noch nicht durchdrungen, insbesondere wenn sie zu den Vorteilsnehmern der sich polarisierenden Gesellschaft gehören. Vor diesem Hintergrund sollte ein Instrumentarium zur Verhinderung der gesellschaftlichen Destabilisierung durch Polarisierung herausgefiltert werden.
 
Die Marktwirtschaft hat den Ruf, dass sich ökonomische Probleme durch Angebot und Nachfrage wie von Geisterhand selbst regeln. Somit tut sich die Frage auf, an welcher Stelle des Marktgeschehens eine Selbstregelschwäche - also ein Marktversagen - besteht und wie sich die aufgezeigten Probleme möglichst selbsttätig lösen.
 
Die Polarisierung kann die Ursache für gesellschaftliche Destabilisierung sein. Also müsste durch einen Regelmechanismus der destabilisierenden Polarisierung entgegengewirkt werden.  
 
Menschen die viel sparen, entziehen dieses Geld dem ökonomischen Kreislauf. Wegen der tendenziellen Marktsättigung besteht offensichtlich wenig Anreiz, finanzielle Mittel in den ökonomischen Kreislauf zu investieren, der bekanntlich aus Geld und Gütern besteht. Deshalb erscheint es logisch, dass zu finanziellen Polarisierungen führende finanzielle Ströme so umgeleitet werden, dass sie zu Konsum führen und damit den ökonomischen Kreislauf beflügeln.
 
Instrumente:
Prozentuale Einkommenssteigerungen führen bei hohen Einkommen zu höheren Steigerungen als bei kleinen Einkommen. Hohe Steigerungen ziehen höhere Sparanteile nach sich und damit eine Schwächung des ökonomischen Kreislaufs. Um das zu verhindern, darf die zur Verfügung stehende zusätzliche Lohnmenge nicht mehr prozentual verteilt werden. Löhne und Gehälter müssen zu gleichen Beträgen steigen. Die Durchsetzung einer solchen Maßnahme wird durch informationelle Transparenz verbessert, indem bekannt sein muss, wie hoch die Beträge der Lohn- und Gehaltsgruppen sind, wieviel Menschen nach den jeweiligen Gruppen bezahlt werden und wieviel Menschen von den Erhöhungen gar nicht profitieren. Diese Diskussion kann nicht die Menschen betreffen, die außerhalb von Tarifverträgen die Marktmacht haben, ihre Arbeitsverträge selbst auszuhandeln, denn nur so können diese mit ihren Fertigkeiten der Ökonomie im eigenen Land erhalten bleiben.
 
Im Rahmen der Erhöhung von Löhnen und Gehältern zu gleichen Beträgen ist auch die Einführung von Mindestlohn sinnvoll zu integrieren. Branchen, die ihre Produktion wegen Kostensteigerungen ins Ausland verlagern würden, werden gegenüber der jetzigen Situation nicht benachteiligt, weil die zusätzliche Lohnmenge sich nicht verändern würde, sie würde nur wachstumswirksamer verteilt. Branchen, die ihre Produktion und Dienstleistungen nicht auslagern können, könnten sogar höhere Gesamtlohnmengen auf die Preise umlegen. Dadurch würden bei manchen Menschen die Sparmöglichkeiten abnehmen, andere könnten mehr Lohneinnahmen für Konsumgüter ausgeben. Beides treibt den ökonomischen Kreislauf an.
 
Weiterhin wäre es sinnvoll, jedes Jahr eine Liste über das zu versteuernde Einkommen eines jeden Bürgers zu veröffentlichen. Solche informationelle Transparenz könnte die Meinungsäußerung von Interessenvertretern besser einordnen helfen.
 
Schwarzarbeit bietet für Arbeitnehmer Vorteile. Sie sparen Sozialabgaben und Steuern. Man muss aber auch sehen, dass Arbeitgeber sich auf diese Art bei geringem Beschäftigungsrisiko und oft geringen Stundenlöhnen einen unfairen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen können. Bei Mindestlöhnen gäbe es für Arbeitnehmer einen Anreiz, Schwarzarbeit durch legale Arbeit zu ersetzen. Es wäre auch überlegenswert, inwieweit eine wesentliche Belohnung für die Aufdeckung von Schwarzarbeit einer Verunsicherung und Ausdünnung dienen könnte.
 
Wenn der Staat im Sinne des Abbaus und der Verhinderung von Polarisierung tätig werden soll, um gesellschaftlicher Destabilisierung vorzubeugen, dann muss er natürlich selbst ein gutes Beispiel geben. Deshalb darf er keine weitere Staatsverschuldung vornehmen. Wenn der Staat zusätzliche Ausgaben vornehmen will, muss er die an anderer Stelle einsparen. Damit könnten die Bürger die Kultur des solidarischen Forderns aus Wachstumszeiten durch die Kultur des solidarischen Tuns in Zeiten mangelnden Wachstums ergänzen. Weiterhin muss der Staat Staatsverschuldung abbauen. Dafür ist ein angemessener Zeitraum von z.B. 10 Jahren festzulegen.
 
Die Hälfte der Staatsverschuldung sollte in diesem Zeitraum durch Vermögenssteuer insbesondere auf Finanzvermögen abgebaut werden. Damit würden die Bürger angemessen belastet, die durch Vermögens- insbesondere Finanzvermögensansammlung für die Polarisierung mit verantwortlich sind. In diese Überlegungen sind die Investitionen nicht einzubeziehen, für die nach einer Zeit der Ansammlung Finanzvermögen eingesetzt wird, wenn dadurch der Güterkreislauf unterstützt wird.
 
Durch spekulative Geldanlagen kann viel Geld gewonnen, aber auch verloren werden. Als Gegenzug könnte die Transaktionssteuer wirksam sein. Damit würde der spekulative, destabilisierende, schnelle Eigentümerwechsel des eingesetzten Geldes weniger lohnenswert. Die Transaktionssteuer sollte so angelegt werden, dass mit ihr die zweite Hälfte der Staatsverschuldung in dem festgelegten Zeitraum getilgt werden kann.
 
Geballte Kursverluste können dazu führen, dass Banken gefährdet werden. Das würde den Staat als Bürgen auf den Plan rufen. Deshalb sollte man die Banken haftungsmäßig auftrennen. Einerseits gäbe es dann Anleger in einem Kreislauf für unspekulative Geldanlagen, die ihr Geld ausschließlich der Güterherstellung für Konsum und Investition zu Verfügung stellen. Andererseits gäbe es einen Kreislauf für spekulative Geldanlagen. Jeder spekulativ orientierte Anleger würde dann bedingungslos für seine Anlagen selbst haften und Kursverluste selbst tragen.
 
Damit würde verhindert, dass nicht spekulative Anleger von den spekulativ orientierten Anlegern unter dem Dach einer Bank in Geiselhaft genommen werden und dass der Staat ggf. für die bedrohten Geldanlagen aller Anleger haften soll.
 
Die aufgezeigten Maßnahmen zur Steuerung der Ökonomie in Zeiten mangelnden Wachstums würden ordnungspolitisch kaum etwas ändern: Es gäbe eine wettbewerbsorientierte Marktwirtschaft, die der Versorgung der Bevölkerung zu dienen hat und den Wohlstand mehren helfen soll. Destruktive Aspekte der Polarisierung und der gesellschaftlichen Destabilisierung würden über zwei Kennziffern für die Vermögens- insbesondere Finanzvermögensbesteuerung und für die Transaktionssteuer so beeinflusst, dass in einem festgelegten Zeitraum die Staatsverschuldung abgebaut würde.
 
Damit hätten diejenigen, die dem ökonomischen Kreislauf Geld entziehen, bzw. die es zusätzlich für spekulative Zwecke einsetzen, einen Preis dafür zu zahlen, dass sie der gesellschaftlich destabilisierenden Polarisierung in der Vergangenheit Vorschub leisteten.
 
Durchsetzbarkeit:
- Wenn nur ein gewisser Teil der Bevölkerung beschließt, ihre finanziellen Mittel haftungsmäßig zu trennen, könnte das Banken in Zugzwang bringen.
- Demografisch betrachtet wird die Summe der die Mehrheit bildenden Besitzstandswahrer und Vorteilsnehmer aus den Zeiten ausreichenden Wachstums kleiner.
- Die Marktwirtschaft funktioniert offensichtlich nur bei ausreichendem Wachstum und produziert dabei gesellschaftliche Stabilität. Bei mangelndem Wachstum könnte sie auf dem Weg zur Selbstzerstörung einen Regelmechanismus provozieren, der die Selbstregelungskräfte des Marktes unangetastet lässt und dabei die das System zerstörende gesellschaftliche Polarisierung verhindert. Das könnte z.B. durch Besteuerung destruktiver Finanzspekulation und finanzielle Umsteuerung insbesondere im Finanzvermögensbereich geschehen.
 
Ausblick:
Die junge Generation hat allen Grund, die vorhergehende Generation für deren Politikfolgen wie die Staatsverschuldung und die Besitzstandswahrung auf Kosten der jungen Generation zur Verantwortung heranzuziehen. Vielmehr lässt sie Vorwürfe der Politikverdrossenheit verhallen. Wenn wir uns das Verhalten der jungen Generation vor Augen führen, wie offen sie mit ihren Daten in sozialen Netzwerken umgeht, könnte diese Transparenz ein Vorbote für eine neue zukünftige Entwicklung zur informationellen Transparenz sein.
Weitergehend müssen uns Gedanken beschäftigen, wie hier entwickelte Ideen für eine sozial-konjunkturelle Marktwirtschaft mit Bevölkerungsentwicklung sowie Rohstoff- und Energieressourcen in Einklang sein kann.

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