Home

Themenspecial

 

 

KI und die Arbeitswelt: Welche Chancen und Risiken birgt die neue Technologie?

Künstliche Intelligenz, kurz KI oder aus dem Englischen AI, ist das Technologiethema unserer Zeit. Die Anfänge der Forschung zur künstlichen Intelligenz liegen fast 100 Jahre zurück. 1936 entwickelte der britische Mathematiker Alan Turing seine so genannte „Turingmaschine“ und führte damit den Beweis, dass Maschinen mit Rechenfähigkeiten in der Lage sind, kognitive Prozesse nachzuempfinden und auszuführen, sofern diese in einzelne Teilprozesse unterteilt und in einen Algorithmus gefasst werden. Den Begriff der künstlichen Intelligenz verwenden Wissenschaftler seit 1956, als der Name im Rahmen einer Konferenz am Dartmouth College im US-Bundesstaat New Hampshire geprägt wurde. 

Seitdem hat die KI-Forschung beeindruckende Fortschritte gemacht. Computer sind heute dazu in der Lage, die menschliche Wahrnehmung und darauf basierende menschliche Handlungen nachzuahmen, Informationen in einen logischen Kontext einzubetten und daraus selbstständige Reaktionen abzuleiten. Obwohl die Entwicklung an vielen Stellen noch in den Kinderschuhen steckt, sind die Möglichkeiten, die sich für den Einsatz der Technologie eröffnen, enorm. Künstliche Intelligenz findet bereits in vielen Lebensbereichen Verwendung, insbesondere in der Kommunikation, in der Medizin und im Entertainmentbereich. 

Auch in der Arbeitswelt sind auf KI basierende Prozesse bereits angekommen. KI-gestützte Teilprozesse und die Forschung an neuen Einsatzbereichen prägen viele Branchen schon heute. Wie stark kann künstliche Intelligenz die Arbeitswelt von morgen mitgestalten? Welche Branchen können besonders davon profitieren? Und welche Chancen und Risiken birgt die Technologie, auf der so viele Hoffnungen ruhen?

 

Schwache und starke KI

Die Wissenschaft rund um künstliche Intelligenz ist hoch komplex und stark differenziert. Eine wesentliche Unterscheidung erfolgt in schwache und starke KI. 

Schwache KI umfasst spezialisierte Einzelprozesse, die für konkrete Anwendungsbereiche entwickelt werden. Sie alle basieren auf dem Konzept des Deep Learnings, das die neuronalen Vernetzungen des menschlichen Gehirn nachahmen und Maschinen in die Lage versetzen soll, aus Erfahrungen in Form analysierbarer Informationen zu lernen und daraus eigenständig Prozesse abzuleiten. Um Deep Learning Prozesse auslösen zu können, müssen Maschinen auf eine große Datenmenge zugreifen können, aus denen sie Aspekte wie Wahrscheinlichkeiten, Ursache und Wirkung und andere für Entscheidungen und Handlungen erforderliche Themen ableiten zu können. Die schwache KI ist nur so gut wie die Daten, auf die sie zurückgreifen kann. 

Alle schon im Einsatz befindlichen KI-Lösungen fallen in diese Kategorie der schwachen KI. Dazu zählen zum Beispiel intelligente Navigationssysteme in Fahrzeugen, ChatGPT und andere Chatbots, Übersetzungs- und Sprachprogramme, AutoCorrect-Features für Smartphones und Tablets, Spamfilter, sprachgesteuerte Assistenzprogramme, Bilderkennung, Schachcomputer, robotergestützte Fertigung und Qualitätskontrolle und vieles mehr. Die Möglichkeiten der schwachen KI sind bereits in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die anfängliche Skepsis gegenüber intelligenten Computerlösungen im Hinblick auf Privatsphäre und Cybersicherheit ist aufgeweicht. KI-gestützte Prozesse können zentrale Themen wie Nachhaltigkeit, effizientes Zeitmanagement und kostengünstige Alternativen voranbringen und treffen damit den Nerv unserer Zeit. 

Starke KI ist die Zukunftsmusik, die die moderne Wissenschaft durch intensive Forschung irgendwann einmal spielen möchte. Sie geht davon aus, dass Maschinen mithilfe künstlicher Intelligenz einmal in der Lage sein werden, die kognitiven Prozesse des menschlichen Gehirns wie abstraktes Denken, Transferleistungen und Lösungsfindungsstrategien nachzuahmen und aus ihren eigenen Fähigkeiten heraus zu übertreffen. Ziel der Forschung ist es, eine KI zu entwickeln, die nach einer anfänglichen Datenanalyse in der Lage ist, selbstständig weiter zu lernen und sich zu entwickeln und so unabhängig von zusätzlichem Input Transferleistungen zu meistern und angepasste Prozesse zu generieren. 

Bislang ist es noch nicht gelungen, einen Durchbruch im Bereich der starken KI zu erreichen. Der aktuelle stand der Forschung lässt auch keine definitive Prognose zu, ob und wie weit in der Zukunft eine entsprechende Technologie verfügbar sein könnte. Mit den Möglichkeiten der schwachen KI lassen sich aber schon heute zahlreiche Lebensbereiche zukunftsweisend verändern. 

 

Welche Branchen und Berufsbilder werden besonders durch KI geprägt?

In der Arbeitswelt ist künstliche Intelligenz längst zu einem wichtigen Thema geworden. KI-gestützte Prozesse sind aus vielen Branchen nicht mehr wegzudenken. Die wohl tiefgreifendste Veränderung hat schon vor Jahrzehnten die Automatisierung von Arbeitsprozessen mit sich gebracht. Einfache, sich ständig wiederholende und stereotype Teilprozesse werden schon lange an Maschinen abgegeben. Im industriellen Bereich sind Fertigungsstraßen entstanden, die die Produktion vieler Produkte oder Produktteile zeit- und kostengünstig erledigen. Auch sehr kraftaufwendige oder risikoreiche Tätigkeiten können heute von Robotern erledigt werden. 

Durch die Übertragung von einzelnen Tätigkeiten und Arbeitsabläufen auf Maschinen hat sich die Personalstruktur in Unternehmen stark verändert und eine Vielzahl von Berufsbildern musste angepasst werden. Künstliche Intelligenz birgt ein großes Substituierungspotenzial und wirkt sich damit tiefgreifend auf den Arbeits- und Ausbildungsmarkt aus. 

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erstellt seit Jahren regelmäßig Berichte zum Substituierbarkeitspotenzial von Berufen und Veränderbarkeit von Berufsbildern. Der letzte Bericht aus dem Jahr 2019zeigt, dass das Substituierbarkeitspotenzial mit steigendem Anforderungsniveau sinkt. Helferberufe können demnach leichter durch KI-gestützte Prozesse ersetzt werden als Fachkraftberufe oder sogar Spezialisten- oder Expertenberufe. 

Auch die einzelnen Berufssegmente unterscheiden sich stark im Hinblick auf ihre Substituierbarkeit. Fertigungsberufe stehen den Erhebungen des IAB zufolge ganz vorne, wenn es um die Möglichkeit geht, personelle Veränderungen zugunsten künstlicher Intelligenz vorzunehmen. An zweiter Stelle stehen die fertigungstechnischen Berufe. Auch hier könnten KI-gestützte Lösungen in Zukunft ein noch breiteres Tätigkeitenspektrum übernehmen. Mit Verkehr und Logistik und unternehmensbezogenen Dienstleistungen könnten weitere große Branchen langfristig durch KI-Prozesse tiefgreifend verändert werden. Wenig Substitutionspotenzial bergen sozial und kulturell geprägte Berufsfelder und die Gastro- und Entertainmentbranche. 

Auch im medizinischen Bereich wird die künstliche Intelligenz in Zukunft vor allem unterstützend zum Einsatz kommen. Eine vollständige Substitution von Fachkräften dürfte es im Medizinsektor aufgrund der hoch komplexen und häufig auf Einzelfallentscheidungen basierenden Tätigkeiten auch in ferner Zukunft nicht ohne die kognitiven Prozesse des menschlichen Gehirns gehen. Aus der modernen Medizin ist KI dennoch bereits heute nicht mehr wegzudenken. Computerprogramme unterstützen Mediziner*innen bei der Diagnose und empfehlen oder begleiten Therapieansätze. Hoch entwickelte Roboter führen sogar filigrane Operationen durch, bei denen es besonders auf feinmotorische Präzision ankommt. KI-gestützte Programme berechnen Medikamentendosierungen, zum Beispiel in der individuellen Krebstherapie, unterstützen Patient*innen bei der eigenständigen Durchführung von Therapien durch Medikamente, verwalten die Bestände von Kliniken und Apotheken und vieles mehr. Moderne Apps für die Früherkennung von Erkrankungen, Mess- und Kontrollservices für chronische Erkrankungen wie Diabetes, moderne Informationsübermittlung zur gesundheitlichen Aufklärung, intelligente Digitallösungen können den medizinischen Sektor bereichern und das Gesundheitsangebot für die breite Bevölkerung erweitern. Auch hier ist es aber die Verfügbarkeit von Daten, die darüber bestimmt, wie präzise künstliche Intelligenz arbeiten kann und wie verlässlich die Ergebnisse sind, die aus den Analysen generiert werden. Gleichzeitig bleibt die Frage des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte von Patient*innen im Fokus des Interesses. 

Der medizinische Sektor ist nicht nur eines der beeindruckendsten Beispiele dafür, wie komplex und vielschichtig die Einsatzmöglichkeiten moderner KI sind, sondern zeigt auch, wie eine Symbiose aus Mensch und Maschine eingesetzt werden kann, um Potenziale auszuschöpfen und zukunftsweisend zu denken. In anderen Branchen wird die Zukunft ebenfalls davon geprägt sein, Lösungen zu entwickeln, um die Chancen der künstlichen Intelligenz nutzen und die Risiken besser verstehen und ihnen begegnen zu können. Der Mensch als kognitive Basis wesentlicher Arbeitsprozesse wird auch in ferner Zukunft sicher nicht obsolet werden, er kann seine Fähigkeiten mithilfe von KI aber auf das Wesentliche konzentrieren und größere Kapazitäten für essenzielle Teilprozesse freimachen. 

 

Bildquellen:

Abbildung 1: @ Alexander Limbach (#225487358) / Adobe Stock