Designer-Babies und Maß-Menschen
Designer-Babies und Maß-Menschen

Designer-Babies und Maß-Menschen

Reproduktionsgenetik heute - morgen - übermorgen

eBook, Deutsch, 23 Seiten, GRIN Verlag

Herausgeber / Co-Autor: Volker Halstenberg

Erscheinungsdatum: 2007

ISBN: 3638440648

Quelle: Volker Halstenberg


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„Bokanowskyverfahren“, wiederholte der Direktor. „... ein Ei, ein Embryo, ein erwachsener Mensch: das Natürliche. Aber ein bokanowskysiertes Ei knospt und sproßt und spaltet sich. Acht bis sechsundneunzig Knospen – und jede Knospe entwickelt sich zu einem voll ausgebildeten Embryo, jeder Embryo zu einem voll ausgewachsenen Menschen. Sechsundneunzig Menschenleben entstehen zu lassen, wo einst nur eins wuchs: Fortschritt. ... Identische Simultangeschwister, aber nicht lumpige Zwillinge oder Drillinge wie in alten Zeiten des Lebendgebärens, als sich ein Ei manchmal zufällig teilte, sondern Dutzendlinge, viele Dutzendlinge auf einmal. ... „Aber leider“, der Direktor schüttelte den Kopf, „können wir nicht unbegrenzt bokanowskysieren.“ Sechsundneunzig schien die Höchstgrenze zu sein, zweiundsiebzig ein gutes Durchschnittsergebnis.
Aldous Huxley (Brave New World)


Dreieinhalb Milliarden Jahre Evolutionsdiktatur gehen ihrem Ende entgegen. Wir befinden uns auf dem Weg von der Vorprogrammierung zur Selbststeuerung. Der Mensch schickt sich an, göttliche Funktionen zu übernehmen, den großen Schöpfer zu entmündigen, das genetische Zepter in die eigene Hand zu nehmen, seinem hereditären Schicksal ein Schnippchen zu schlagen, dem Gefängnis aus Hirn und Haut, Knochen und Knorpeln, Fett und Fleisch mit ihren stets präsenten, psychischen Äquivalenten zu entrinnen und sich selbst nach seinem Willen zu formen. Genstruiere dich selbst – und deine Nachkommen gleich dazu –, heißt das Motto von morgen und übermorgen.

ICH als Wille und Vorstellung. Jeder nach genetischem Gusto. War es früher nur das Glück, dessen Schmieden jedem selbst oblag, ist zukünftig ein jeder seines Genoms Schmied. Möglicherweise mutiert der Hausarzt gar zum genetischen Stilberater, wenn das Überangebot an Optionen die Eigenentscheidung sabortiert.
Dass Glück und Genetik hochgradig miteinander korrelieren, muss kaum erwähnt werden. Schließlich ist das Verhältnis zwischen Körper und Geist, Leib und Seele, eines der Wechselwirkung. Mens sana in corpore sano, wusste schon Juvenal, der alte Römer.
Grandiose Aussichten also, dank einer alles und jeden glücklich-machenden Gentechnik? Ein Hoch auf die neuen Life Sciences! Vivat! Nur noch schöne, junge, gesunde, intelligente, gutgelaunte, langlebige Maß-Menschen, in ewiger Eintracht mit sich selbst und einer transgenen Tier- und Pflanzenwelt. Für viele doch wohl eher eine Horrorvision.
Goethes „Was ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von schönen Tagen?“ lässt ahnen, wohin alle noch so paradiesisch anmutende Einseitigkeit führt. Erst der Kontrast, die spannungsvolle Dialektik der Gegensätze geben dem Leben Würze. Nur angesichts des Todes wird das ICH des Menschen geboren, predigte der heilige Augustinus. Ist der Tod - der große Motivator und pädagogische Zuchtmeister - erst eugenisch eliminiert, wo bleibt dann das ICH und sein Leben?
Alles in dieser Welt existiert ausschließlich im Angesicht seines Antagonisten: Leben nur durch Tod, Gott nur durch den Teufel, Gutes nur durch Böses, Ordnung nur durch Chaos, Perfektes nur duch Imperfektes, Schönes nur durch Hässliches, Liebe nur durch Hass, Gesundheit nur durch Krankheit, Chance nur durch Risiko und Positives nur durch Negatives. Was wäre das eine ohne das andere? Wäre es überhaupt?
Zweifellos haben Gen- und Biotechnologie andere als positive Seiten. Ethisch-moralische, existenzial-philosophische, identitäts-psychologische, sozial-politische, versicherungs-technische und tausend weitere Fragen tauchen auf, ohne deren zufriedenstellende Lösung alle Formen genetischer Glückseligkeit auf der Strecke bleiben.
Nichtsdestoweniger: Die therapeutischen, ökonomischen und anderweitigen Chancen der neuen und neuen alten Wissenschaften sind phänomenal. Nichts scheint unmöglich. Von intrauterinen Stammzell-Transplantationen und Tissue-Engineering über Gen- und Keimbahntherapie bis zu Designer-Babies und geklonten Menschen.

Advent der Klon-Industrie
Zweifellos ließe sich mit dem eingangs erwähnten >Bokanowskyverfahren< problemlos die Belegschaft für einen mittelständischen Reinigungsbetrieb oder was auch immer rekrutieren. Heuschrecken der private-equity-gen Art, profithungrige Venture Capitalists und ebensolche Business Angels würden Herrn oder Frau Bokanowsky - sollte es sie oder funktional äquivalente Verfahrensentwickler einmal geben - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Labortür einrennen.

Clonaid Inc.

Erste Konturen einer kommerziellen Klon-Industrie zeichnen sich schon seit Dolly-Zeiten ab. Kurz nachdem die renommierte Wissenschaftszeitschrift Nature der erstaunten Fachwelt vom ersten Säugetier berichtete, das aus einer erwachsenen Körper-Zelle kloniert wurde, konstituierte sich die erwähnte Clonaid Inc. Gegründet: auf den Bahamas. Wissenschaftliche Leitung: Dr. Brigitte Boisselier. Geschäftsfeld: Cloning. Corporate Mission: Eternal Life can be reached through Cloning Technology. Clonaid will allen Interessenten für ein stattliches Honorar via Selbstvermehrung ewiges Leben ermöglichen.
Obgleich dringend davor zu warnen ist, das Angebot der Klon-Sektierer (Gründer und Mitarbeiter der Firma gehören der Raelianer-Sekte an, die daran glaubt, das der Mensch vor 25.000 Jahren von Außerirdischen geschaffen wurde.) anzunehmen – die Klon-Technik ist noch viel zu risikoreich –, zeigt es doch unmissverständlich, wohin die Reise geht.

Jedes gentechnische oder biomedizinische Verfahren (Cloning, Gentherapie, intrauterine Stammzell-Transplantation etc.), das erfolgreich Krankheiten kuriert, eröffnet prinzipiell auch einen lukrativen >Optimierungsmarkt<. Aus operativer Sicht ist es einerlei, ob zum Beispiel auf dem langen Strang von Chromosom 14 ein Alzheimer-Gen ausgeschaltet, oder auf dem kurzen Strang von irgendeinem anderen Chromosom ein oder zwei Zusatzgene implementiert werden, die den Menschen schöner, schlauer oder widerstandsfähiger machen. Nachfrage nach genetischen Optimierungsleistungen aller Art ist reichlich vorhanden. Und wo Nachfrage besteht, sind die befriedigenden Unternehmen nicht weit. Money makes the world go around.
Die erste seriöse Klon-Firma – der First Mover – macht bekanntlich die besten Geschäfte. So besagt‘s die alte Marketing-Weisheit vom First Mover Advantage.


Bekommen die BWL-Studenten von heute die Umsatz-, Gewinn- und Imagevorteile von Produkt-Pionieren noch anhand von Klassikern wie SAP, Dyson, Apple und Google eingebleut, lernen ihre Kollegen von morgen die gleichen Lektionen möglicherweise mit den erfolgreichen Pionieren der internationalen Klon-Industrie, wie auch immer sie heißen mögen. (Clon4you Inc.?) 

Ein Abriss findet sich bei 4managers
www.4managers.de/wellness/themen/reproduktionsgenetik/

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