Interview mit Rhetorik-Experte Friedhelm Franken
Interview mit Rhetorik-Experte Friedhelm Franken

Interview mit Rhetorik-Experte Friedhelm Franken

Interview, Deutsch, 3 Seiten, Forum Verlag Herkert GmbH

Erscheinungsdatum: 22.12.2006


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Rhetorik-Experte Friedhelm Franken,
1987-2007 Chefredakteur "Der REDENBERATER"

Herr Franken, die Hauptaufgabe von Führungskräften ist es, Menschen zu gewinnen: Mitstreiter, Medien, Geldgeber, Vorgesetzte, Kunden. Wie stellen sie das am besten an?


Indem sie mit den Menschen reden. Die Fähigkeit zu kommunizieren ist die wichtigste Führungsqualifikation. Das beginnt sich bei den Arbeitgebern und Personalabteilungen leider erst allmählich herumzusprechen.


Und wie ist es mit den Karrierechancen?

Wer auf den Punkt bringen kann, was er zu sagen hat, verbessert seine Aufstiegschancen.


Sie waren zunächst Politikberater, ehe Sie sich der Wirtschaft zugewandt haben?

Als mich mein früherer Kollege aus dem Bundespresseamt, Rolf Schmidt-Holtz, zur Bertelsmann AG nach Gütersloh holte, stellte er mich dem Vorstandsvorsitzenden. Das war damals Mark Wössner, eine blendende Erscheinung und berühmt für seine Eloquenz. Mein erstes Gespräch mit ihm werde ich nie vergessen. Als ich meine jahrelange Erfahrung als Öffentlichkeitsarbeiter im Bundespresseamt und Bundeskanzleramt als Qualifikationsbeleg anführte, konterte er ironisch: "Ob das eine Empfehlung für Sie ist, muss sich erst noch herausstellen!"


Wieso? Sie haben doch für Politstars wie Willy Brandt und Helmut Schmidt geschrieben. Genügte ihm das nicht?

Natürlich habe ich ihn sofort gefragt, wie er das meine. Seine Antwort: "Wirtschaftsführer müssen klar sagen, wo es langgeht. Politiker versuchen das Gegenteil; sie wollen sich nicht festlegen, weil sie womöglich noch Jahre später entsprechend zitiert werden."


Welche Erfahrungen haben Sie in der Wirtschaft gemacht?

Dr. Wössner zuzuhören erwies sich als Vergnügen. Wenn begeisterte Zuhörer nach der Veranstaltung um den Redetext baten, hatte unsere Presseabteilung allerdings ein Problem.


Warum?

Weil Wössner frei sprach. Er hatte meist nur ein DIN A 4-Blatt vor sich liegen, auf dem Stichwörter und kurze Zitate standen. Als Redner, der bei den Adressaten punkten wollte, wusste er: Ich muss flexibel sein und meine Rede an Ort und Stelle darauf abstellen, in welcher Verfassung sich mein Publikum befindet. Da behindert mich ein ausformulierter Text.


Wie merkte er denn, was das Publikum interessiert?

Indem er auf die Rückmeldungen achtete, die es ihm gab. Zeigte es sich an einem Punkt besonders aufmerksam, vertiefte er diesen Punkt, indem er ein Beispiel heranzog, ein persönliches Erlebnis erzählte, mehr Farbe auftrug. Zeigte es sich an einem Punkt eher desinteressiert, handelte er diesen Punkt kürzer ab. Und stellte sich mitten in der Rede heraus, dass etwas, was er am Anfang behandelt hatte, nicht von jedem verstanden worden war, besserte er nach, sprang noch einmal zurück, griff den Punkt erneut auf und erklärte die Sache mit einfacheren Worten.


Wie äußert das Publikum seine Empfindungen?

Die Rückmeldungen sind im Geschäftsleben sind anders als im Showbizz, nämlich in den seltensten Fällen Lautäußerungen. Wenn eine Autoritätsperson redet, hören alle schweigend zu. Das heißt aber nicht, dass auch Mimik und Gestik schweigen; sie werden allerdings stark zurückgenommen. Es braucht schon ein gutes Auge und ein hohes Maß an Erfahrung, die Rückmeldungen zu dechiffrieren, die ein "gesetztes" Publikum ausstrahlt.


Können Sie Beispiele nennen?

Wenn ein Zuhörer, der sich bequem nach hinten gelehnt hatte, plötzlich den Oberkörper strafft oder auf die Sitzkante rutscht und den Körper nach vorn beugt, signalisiert er: "Jetzt wird es spannend für mich!" Ein Hochheben der Augenbrauen ist ebenso ein Signal wie das Herauf- oder Herunterziehen der Mundwinkel — vom versteckten Gähnen und dem verstohlenen Blick auf die Uhr ganz zu schweigen. Unruhiges Herumrutschen, häufiger Positionswechsel auch der Beine, mal links übergeschlagen, mal rechts, bedeutet: "Zum Ende kommen!" Leichtes Kopfnicken, Kopfschütteln oder Schulterzucken – Wössner hat auf all dies geachtet. Deshalb waren seine Reden auch nie "wohlgeordnet": Da blieben Sätze unvollendet, da sprang er thematisch plötzlich nach vorn, um eventuell später, wenn die Gelegenheit günstiger erschien, das Zurückgestellte nachzuholen. Oder er sprang zurück, um noch einmal an bereits Gesagtes anzuknüpfen, es in Erinnerung zu rufen. Das kann man natürlich nur dann machen, wenn man absolut firm in seinem Thema ist.


Sätze nicht zu vollenden: Kam das wirklich an?

Es ist eine Verbeugung vor dem Zuhörer, dessen Gedanken zu "lesen" und darauf zu reagieren. Eine Redewendung oder ein Zitat, das er kennt, braucht man wirklich nur anzudeuten. Es reicht zu sagen: "Sie wissen ja, wer einmal lügt ..." Das Publikum weiß das Sprichwort schon selbst zu ergänzen!


Sie sagten eben, freie Reden seien besser als solche, die vom Blatt vorgetragen werden. Warum?

Wenn der Redner während des Vortrags Blickkontakt hält und spürt, was sein Publikum besonders interessiert, vergleiche ich das mit "Total Quality Management". Es liegt in der Natur der Rede, dass sie erst im Moment der Darbietung entsteht. Das ist ein Produktionsvorgang. Und da ist es, wie in der Industrie, optimal, wenn bei jedem Produktionsschritt kontrolliert wird, ob kein fehlerhaftes Teil produziert wird. Der erfolgreiche Redner muss sich in jeder Sekunde in sein Publikum einfühlen, merken, was diese konkreten Menschen hören wollen. Und das wird er dann zum Gegenstand seiner Rede machen. Alles andere wird er weglassen.


Also sind Sie gegen schriftliche Manuskripte?

Im Gegenteil. Ich empfehle, sich mittels eines ausformulierten Manuskripts vorzubereiten. Das diszipliniert. Und das gibt Sicherheit. Der Redner sollte es aber beim Vortrag nicht verwenden, nur zur Not darauf zurückgreifen können. Die besten Redner haben einen Stichwortzettel — übrigens nicht in der Hand, sondern in der Jackentasche. Sie holen ihn nur dann heraus, wenn es nötig wird.


Was haben Sie an Wössner besonders geschätzt?

Wie alle Bertelsmänner hat er großen Wert auf eine gepflegte Erscheinung gelegt. Wo immer er auftrat, wurde schon äußerlich sichtbar: Hier handelt es sich um eine Führungspersönlichkeit. Wenn das äußere Erscheinungsbild dies signalisiert, erfüllt der Redner von Anfang an eine Publikumserwartung, nämlich dass hier eine wichtige Person vor ihm steht. Darum spreche ich von der "Rhetorik der Kleidung".


Was war sonst noch "ansprechend"?

Die sprachliche Präzision und der inhaltliche Klartext. Er ließ sein Publikum nie im Unklaren, was er wollte. Er benannte präzise seine Positionen und Ziele.


Müssten unsere Hochschulen sich stärker auf die Vermittlung von Rede-Kompetenz als Führungsqualifikation besinnen?


Viele ambitionierte Hochschulabsolventen und Berufsanfänger haben Schwierigkeiten, durch ihr Auftreten zu überzeugen. Eine qualifizierte Ausbildung kann das abstellen.


Könnten die angelsächsischen Länder dabei als Vorbilder dienen?

Dort gibt es schon in den ersten Schulklassen Debattierclubs und Diskussionswettbewerbe. Wo man von Kindesbeinen an lernt, sich auszudrücken und andere zu überzeugen, handelt es sich um praktische Einübung in die parlamentarische Demokratie, die davon lebt, durch reden — lateinisch "parlare" — Mehrheiten zu finden.


Und wie ist es im Beruf?

Für den beruflichen Aufstieg empfiehlt man sich, wenn man positiv auffällt. Dazu bedarf es der Darstellung der eigenen Leistungen in Arbeitsgruppen, Gremien oder Abteilungen.


Wie kann man seine rednerischen Fähigkeiten verbessern?

Klein anfangen, jede kleine Gelegenheiten nutzen, Omas Geburtstag etwa oder Reden im Freundeskreis. So bekommt man ein Gefühl für die richtigen Worte, die passende Länge, die Publikumserwartungen.


Und wenn diese Gelegenheiten nicht mehr die richtigen Herausforderungen darstellen?

Dann erste Gelegenheiten im Verein, der Partei oder Gewerkschaft nutzen, sich danach bei beruflichen Besprechungen und Arbeitsgruppen zu Wort melden. Reden lernt man durch reden.


Ihr Credo lautet "Reden ist Kino im Kopf". Was meinen Sie damit?

Anschaulich sprechen, so dass der Zuhörer ständig ein klares Bild vor seinem geistigen Auge hat. Eine Rede wie ein Drehbuch anlegen. Indirekte Rede vermeiden, statt dessen in der Rede Personen auftreten lassen, die sich in direkter Rede miteinander fetzen oder verständigen. Platt gesagt: Wer ein Manuskript vorbereitet, sollte die Anführungszeichen zählen und so prüfen, ob genug direkte Rede drin vorkommt!


Haben Sie noch ein zweites Credo?

Meine wichtigste Empfehlung lautet: "Was gestrichen ist, kann nicht durchfallen." Jeder Text lässt sich kürzen, und heutzutage gewinnt der Redner schon allein dadurch, dass er sich kurz fasst.


Vielen Dank für das Interview, Herr Franken!
 

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