Wenn Leitbilder unglaubwürdig machen
Wenn Leitbilder unglaubwürdig machen

Wenn Leitbilder unglaubwürdig machen

Beitrag, Deutsch, Eine Seite, WordsValues Griepentrog Kommunikationsmanagement

Autor: Dr. Wolfgang Griepentrog

Erscheinungsdatum: 2011

Quelle: Blog


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Wenn Leitbilder unglaubwürdig machen

 

Leitbilder fördern Glaubwürdigkeit. Sie sichern die Authentizität von Unternehmen und schaffen Klarheit über Anspruch und Selbstverständnis. Jedes Unternehmen sollte deswegen sein eigenes Leitbild schriftlich fixieren und die Unternehmensgrundsätze für alle verbindlich festhalten. Leitbilder aber, die allgemein und unverbindlich formuliert sind, können das Gegenteil bewirken und zur Unglaubwürdigkeit eines Unternehmens führen. Leitbilder werden zwar aufwändig erarbeitet, hernach aber nur selten hinterfragt und aktualisiert. So droht die Gefahr, dass Inhalte des Leitbilds irgendwann nicht mehr zur Realität des Unternehmens passen. Skepsis und Vertrauensverlust bei Kunden und Stakeholdern können aus mangelnder Authentizität folgen. Lesen Sie hier einige Anregungen, wie dies vermieden werden kann.

 


Wie Leitbilder funktionieren

Leitbilder haben, vereinfacht ausgedrückt, einen dreifachen Nutzen:

  1. Sie beschreiben im Kern die Geschäftstätigkeit – Ziel, Zweck und Nutzen für die Stakeholder – und fixieren für alle verbindlich und nachvollziehbar Grundsätze und Werte, nach denen das Unternehmen handelt. Sie sind damit auch Ausdruck der Unternehmenspolitik.
  2. Sie sind für Führungskräfte und Mitarbeiter eine zuverlässige Richtschnur für Entscheidungen und Verhalten.
  3. Sie sind für Kunden und externe Stakeholder eine Messlatte, um richtiges, unternehmenskonformes Handeln im Einzelfall beurteilen zu können.

Damit wird die Grundlage für einen einheitlichen, widerspruchsfreien und damit authentischen und glaubwürdigen Unternehmensauftritt geschaffen, bei dem Worte und Taten im Einklang stehen. Widersprüche zwischen Anspruch und Realität sind nämlich die Hauptursache von Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust. Ein Widerspruch liegt zum Beispiel vor, wenn ein Unternehmen damit wirbt, vornehmlich im Interesse des Kunden oder in fairer Partnerschaft mit Lieferanten zu handeln, in der Geschäftspraxis aber genau das Gegenteil beweist. Leitbilder bedeuten ein verbindliches Versprechen gegenüber den Stakeholdern, und diese reagieren sensibel darauf, wenn dieses Versprechen nicht eingehalten wird.


Erfolgsfaktoren von Leitbildern

Die drei genannten Aspekte beinhalten konkrete Herausforderungen, die es zu meistern gilt.

  1. Leitbilder müssen die ethische Grundlage der Unternehmenstätigkeit verbindlich benennen.

    Anders als früher sind Kunden sind heute aufgeklärt, kritisch und gewöhnlich gut informiert. Sie vergleichen nicht nur Produkte und Preise, sondern zeigen immer häufiger großes Interesse an dem WIE der Geschäftstätigkeit und den Unternehmensgrundsätzen. Sie legen wert auf verantwortungsbewussten, reflektierten Konsum. Damit ist die Erwartung verbunden, dass Unternehmen ihrer Verantwortung für die Gesellschaft, für Umwelt und Mitarbeiter gerecht werden. Deswegen sollte ein Leitbild Aussagen zu den ethischen Grundsätzen des Unternehmens treffen, und zwar nicht pauschal, sondern verbindlich, klar und nachvollziehbar. Diese Anforderung erfüllen nur wenige Unternehmensleitbilder. Nahezu existenziell ist die Werteformulierung in Branchen mit intensivem, aber schwach differenziertem Wettbewerb, etwa bei Banken und im Lebensmitteleinzelhandel. Wenn zum Beispiel Produkte und Dienstleistungen als austauschbar erlebt werden und der spezifische Kundennutzen schwer feststellbar ist, kann das klare Bekenntnis zu einer bestimmten ethischen Grundhaltung das Profil einer Bank als leistungsfähiges, verantwortungsbewusstes Institut schärfen.

    Ein Beispiel zeigt, dass sich auch große Unternehmen mit der verbindlichen Formulierung von Ethik und Werten im Leitbild schwer tun: Die Deutsche Bank formuliert in der Rubrik „Leitbild und Marke“ ihres Konzernauftritts im Internet: „Wir wollen der weltweit führende Anbieter von Finanzlösungen sein und nachhaltig Wert schaffen – für unsere Kunden, unsere Aktionäre, unsere Mitarbeiter und für die Gesellschaft als Ganzes.“ Die ethische Grundsätze zur Umsetzung dieses Anspruchs bleiben vage. Zwar geht ein weiterer Absatz auf die Werte des Instituts ein, allerdings ist er so pauschal und schlagwortartig formuliert, dass der Leser daraus wenig daraus ableiten kann. „Unser Handeln ist von Verlässlichkeit, Fairness und Ehrlichkeit geprägt“, heißt es dort. „Was bedeutet das konkret für die Kundenbetreuung und den Kundennutzen?“, fragt man sich. Die Deutsche Bank hat zwar ein eigenes Leitbild zur Nachhaltigkeit, das an anderer Stelle, nämlich auf den umfangreichen CSR-Seiten der Bank, dargestellt wird, aber auch hier stehen unternehmensethische Grundsätze nicht im Fokus. Wichtig wäre es außerdem, Aussagen zum CSR-Engagement mit dem Leitbild zu verzahnen. So würde sich dem Kunden erschließen, wie soziale Aktivitäten der Bank mit einem besonderen Verantwortungsbewusstsein im Kerngeschäft des Bankings zusammenhängen.
    Anders die Schweizer Großbank UBS: Sie schreibt auf ihrer Homepage viel über Grundsätze und Richtlinien der verantwortungsvollen Unternehmensführung. Sie bietet einen Verhaltens- und Ethikkodex“, der sich an „Wahrheit“, „Klarheit“ und „Leistung“ orientiert und sogar den Whistleblowingschutz für Mitarbeiter regelt. „Respekt“ und „Integrität“ sind die Leitbegriffe, die in der Substanz genau das WIE des Handelns skizzieren und die Bank gegenüber externen und internen Zielgruppen berechenbar machen.

    So präsentiert sich die UBS in puncto Leitbild wesentlich glaubwürdiger als die Deutsche Bank. Hansjörg Leichsenring präsentiert in seinem Bank-Blogs ein weiteres prominentes Leitbildbeispiel aus dem Bankensektor: Goldman Sachs http://bit.ly/gKIgc3. Sein Fazit: „Mit der Beschreibung der Art und Weise des Handelns und dem damit verbundenen Bekenntnis zu ethischem Handeln tut sich Goldman Sachs eher schwer.“ In der Tat werden in den Business Principles, die auf der internationalen Website von Goldman Sachs abrufbar sind, ethische Standards lediglich kurz angesprochen, und zwar ganz am Ende. Dies ist erstaunlich angesichts der heftigen öffentlichen Debatte um das ethische Selbstverständnis dieser Bank, deren Chef mit Aussagen, er würde das Werk Gottes vollbringen, für Irritationen sorgte.

    Ein positives Beispiel liefert die GLS Bank, die in ihrem Leitbild (abrufbar unter http://www.gls.de/fileadmin/media/pdf_sonstige/leitbild.pdf) die Werte ganz an den Anfang stellt.

    Ich fasse zusammen: Leitbilder sollten die ethischen Grundlagen der Geschäftstätigkeit beschreiben und die spezifischen Unternehmenswerte hervorheben. Leitbilder, die in diesem Punkt unvollständig sind, fördern die Glaubwürdigkeit nicht.

    Leitbilder haben eine unternehmenspolitische Dimension
    Dass sich Unternehmen mit der Festlegung auf verbindliche Wertegrundsätze oftmals schwer tun, hat guten Grund. Unternehmensprinzipien können Managemententscheidungen einengen oder verhindern und sind nicht immer „bequem“. Immer wieder trennen sich Unternehmen von ihren Vorstandschefs mit der Begründung, es gäbe Differenzen über die „zukünftige Unternehmensstrategie.“ Häufig liegt die Ursache darin, dass Managemententscheidungen von festgelegten Unternehmensprinzipien abweichen und es darüber zu einem Streit zwischen den Organen kommt (Beispiel die Trennung des Bertelsmannkonzerns von Thomas Middelhoff).

    Zunehmende Komplexität von Unternehmensstrukturen erfordert starke Leitbilder
    Schwierig ist es, wenn unter dem Dach einer Unternehmensgruppe unterschiedliche Kulturen und Philosophien von Tochterunternehmen berücksichtigt werden müssen. Das zentrale Leitbild muss dieser Vielfalt gerecht werden und eine Klammer bilden, ohne widersprüchlich oder pauschal-unverbindlich zu werden.
    Dass viele Unternehmensfusionen in den letzten Jahren und Jahrzehnten gescheitert sind, hat seine Ursache auch oftmals darin, dass Kulturen und Werte der zusammengeführten Unternehmensteile nicht zusammenpassten.

  2. Unternehmen müssen sicher stellen, dass ihr Leitbild als verbindliche Grundlage aller Aktivitäten berücksichtigt wird. Ein Ethikbeauftragter kann diese Rolle übernehmen

    Wenn Leitbilder als Richtschnur für Entscheidungen und Verhalten in konkreten Geschäftssituationen wirksam sein sollen, muss ihre Befolgung kontinuierlich geprüft werden. Schließlich macht ein Leitbild nur dann Sinn, wenn sich alle Führungskräfte bis hin zum Top-Management sowie die Mitarbeiter konsequent daran orientieren. Ist dies nicht der Fall und steht der verbindliche formulierte Anspruch lediglich auf dem Papier, wird das Unternehmen unglaubwürdig.
    Wie können Unternehmen aber sicher stellen, dass ihr Leitbild oder entsprechend ihre Corporate Principles und andere Verhaltensgrundsätze befolgt werden? Dies sicherzustellen, ist Aufgabe des Top-Managements und nicht immer einfach, wenn Werte und Geschäftsinteressen im Konflikt stehen. Konkret stellen sich viele Einzelfragen:
    Wie kann man zum Beispiel Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit in allen Unternehmensbereichen sicher stellen? Welche Kriterien sind hierfür anzulegen? Wann gilt das Verhalten oder die Äußerung eines Mitarbeiters als unehrlich? Kann man hierfür Standards festlegen und welche Konsequenzen hat dies? Wie kann man Transparenz fördern? Und was sind hierfür die Kriterien? Wie kann man mutiges Verhalten im Management und bei Mitarbeitern fördern? Wie kann man in Abgrenzung dazu (zu) wage-mutige Entscheidungen vermeiden? Wie kann man den respektvollen Umgang innerhalb des Unternehmens und gegenüber externen Stakeholdern sicherstellen und was passiert bei erwiesener „Respektlosigkeit“?
    Die Liste der Fragen liesse sich fortsetzen. Ich verweise hierzu auf das Buch „Das Glaubwürdigkeitsprinzip“ (www.glaubwuerdigkeitsprinzip.de), in dem diese Grundsätze und ihre Praxisrelevanz im Einzelnen beleuchtet werden.

    Halten wir fest: Wenn in Leitbildern oder daraus abgeleiteten spezifischen Verhaltenskodizes verbindliche Formulierungen vorliegen, muss es auch effiziente Verfahren geben, um deren Einhaltung nach zu verfolgen und zu gewährleisten. Besonders schwierig ist diese Aufgabe dann, wenn Top-Managemententscheidungen von Unternehmensgrundsätzen abweichen. Unternehmen brauchen eine robuste Institution, die in ihrer Wächterfunktion nicht beeinflusst oder unter Druck gesetzt werden kann. PR- oder HR-Abteilungen werden mit dieser Aufgabe leicht überfordert. In großen Unternehmen ist die Benennung eines Ethikbeauftragen eine gute Lösung. Besonders sinnvoll ist es, wenn das Tätigkeitsfeld des Ethikbeauftragten in das CSR-Engagement eingebettet ist.

    Etliche Unternehmen haben die ethische Kontrollfunktion über Compliance-Beauftragte oder auch über die Corporate Governance Kompetenz geregelt. Erfahrungsgemäß stehen hier aber juristische Kriterien im Vordergrund, als Wächter über ethische Grundsätze und Unternehmensprinzipien eignen sich Juristen hingegen schlecht. Der Fall des berühmten Frankfurter Staatsanwalts Schaupenstein, der seine kompromisslose Wächterfunktion bei der Deutschen Bahn einsetzen sollte, ist ein Beispiel hierfür. Und ob – was vor Kurzem bekannt wurde – die Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt als Vorstandsmitglied für Recht und Integrität im Daimler-Konzern mehr Erfolg hat, bleibt hoffnungsvoll abzuwarten.

    Wie auch immer Unternehmen die Kontrolle organisieren, eine Grundvoraussetzung muss stets gegeben sein: die aktive und vorbehaltlose Unterstützung des Leitbilds durch das Top-Management.

  3. Leitbilder müssen als verbindliche Messlatte für Kunden und externe Stakeholder praktikabel sein

    Kunden und Stakeholder finden im Leitbild oder in anderen publizierten Verhaltensvorschriften eine Messlatte, an der sie Anspruch und Realität des Leistungsversprechens eines Unternehmens überprüfen können. Da sich Unternehmen verändern, weiterentwickeln, wachsen, neue Produkte und Leistungen anbieten und damit ihre Geschäftstätigkeit unter Umständen verändern, müssen auch Leitbilder regelmäßig (alle drei bis fünf Jahre) auf ihre Aktualität und Passgenauigkeit überprüft werden. Sonst sind sie nicht praktikabel.Für international expandierende Unternehmen gilt dies besonders. Wer nämlich in unterschiedlichen Kulturkreisen tätig ist, muss sicherstellen, dass die Unternehmensprinzipien überall verstanden und akzeptiert werden. Manche Werte, wie zum Beispiel Ehrlichkeit, sind universell, andere hingegen wie etwa Transparenz oder Mut werden in den Kulturkreisen unterschiedlich interpretiert. Nur wenn ein Leitbild verstanden wird, können Kunden und Mitarbeiter etwas damit anfangen. Nur dann fördert es die Glaubwürdigkeit des Unternehmens.


Fazit

Ein Leitbild unterstreicht Authentizität und Glaubwürdigkeit eines Unternehmens. Allerdings müssen folgende Aspekte beachtet werden, sonst verfehlt es seine Wirkung und macht unglaubwürdig:

  1. Ein Leitbild sollte die Ethik der Geschäftsausübung, das heißt die wichtigsten Unternehmenswerte, klar formulieren.
  2. Es muss sicher gestellt werden, dass das Leitbild als Grundlage des Handelns von allen Mitarbeitern berücksichtigt wird. Dies kann Aufgabe eines Ethikbeauftragten sein.
  3. Das Leitbild muss aktuell sein, gegebenenfalls einer veränderten Unternehmensrealität angepasst werden und auch in Kulturkreisen außerhalb des Heimatmarkts funktionieren.

Dr. Wolfgang Griepentrog

DE, Leichlingen

Interim Manager, Inhaber PR- und Managementberatung

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